Alex Doringer (KTM): «Toby Price ist ein Urvieh»

Von Günther Wiesinger
Alex Doringer ist der erfolgreiche Dakar-Stratege von KTM und ein leidenschaftlicher Offroad-Manager. Den Werkseinsatz von Toby Price bei der Dakar 2015 hat der Teamchef aus seiner eigenen Tasche finanziert.

Im Jahr 1974, als KTM in Wohlen/Schweiz mit dem Russen Gennadi Moissejew in der 250-ccm-Cross-Weltmeisterschaft den allerersten der bisher insgesamt 261 Weltmeistertitel gewann, kam Alex Doringer zur Welt.

Heute ist der in Mattighofen geborene Innviertler als Teammanager des KTM Factory Rallye Teams ein erfolgreicher Stratege und der Mann hinter den Seriensiegen der Österreicher bei der prestigeträchtigen Rallye Dakar.

2016 feierte KTM den 15. Dakar-Sieg hintereinander. Doringer war zum siebten Mal als Teammanager für den Erfolg verantwortlich. Er übernahm diese Aufgabe vom unmittelbar nach seiner Pensionierung verstorbenen Hans Trunkenpolz, dem Bruder von Firmengründer Erich Trunkenpolz.

Alex Doringer, Offroad Division Manager bei KTM, gilt nicht nur als Entdecker von Dakar-Sieger Toby Price. Er hat das Dakar-Debüt des heute 28-jährigen Australiers im letzten Jahr sogar mit 60.000 Euro das der eigenen Tasche finanziert. «Das konnte ich mir leisten, weil ich von meinen verstorbenen Grosseltern ein bisschen was geerbt habe», erzählte Doringer im Interview mit SPEEDWEEK.com

Alex, du hast jetzt sieben Dakar-Rallyes als Teammanager hinter dir und hast sieben Mal gewonnen. Wie sieht euer Erfolgsgeheimnis aus? Die jahrelange Erfahrung, das eingeschweisste Team, das beste Motorrad?

Natürlich, unter anderem.
Ja, ich habe diese Aufgabe vor sieben Jahren von Hans Trunkenpolz übernommen, als zum ersten Mal in Südamerika gefahren wurde.
Man muss sich vorstellen, bei uns sind Jungs dabei, die schon unter Hans Trunkenpolz gearbeitet haben. Unter anderem unser Technikchef Stefan Huber. Er hat unter Hans seine ersten Sporen verdient. Wir sind einfach eine eingespielte Mannschaft, ein verschworener Haufen. Wir leben gemeinsam für den Rallye-Sport. Man muss sich das wie eine Familie vorstellen. Das ist sicher ein grosser Vorteil.
Deshalb tun sich neue Fahrer, die in unser Team kommen, auch leichter als anderswo, weil sie einfach den totalen Rückhalt vom ganzen Team spüren. Das macht den Unterschied aus.

Aber vor der Dakar 2016 war KTM nicht mehr so siegessicher wie in der Vergangenheit. Mit dem fünffachen Dakar-Sieger Marc Coma fehlte der grosse Dominator der letzten Jahre, KTM hatte keine klare Nummer 1 mehr?

Manche haben vielleicht an unserem Erfolg gezweifelt, wir nicht.

Warum nicht?

Weil ich gewusst habe: Wenn wir so arbeiten, wie wir immer gearbeitet haben, dann wird es wieder klappen. Denn wir hatten ein Potenzial an guten Fahrern.

Du hast den diesjährigen Dakar-Sieger Toby Price entdeckt?

Ja, ich habe sogar sein Debüt bei der Dakar 2015 selber finanziert. Er ist auf Anhieb Gesamtdritter geworden. Ich habe für ihn bei KTM ein Motorrad gemietet und die Nennung aus meiner Tasche bezahlt. Ich habe alles selber gemacht.
Viele haben sich gewundert, warum ich das gemacht habe.
Die Erklärung: Ich habe Toby gekannt und gewusst, welche Fähigkeiten und welches Talent er hat.
Dazu kommt: Mein guter alter Freund Kurt Caselli, der leider 2013 bei der Baja 1000 tödlich verunglückt ist, war ein guter Kumpel von Toby. Und Kurt hat zu mir einmal gesagt: «Alex, wenn du einmal die Möglichkeit hast, dann unterstütz den Toby, denn er wird viele überraschen.»
Deshalb habe ich das gemacht.

Wie viel hat dich dieser dritte Platz von Toby Price bei der Dakar 2015 ungefähr gekostet?

Über den Daumen fast 60.000 Euro. Diesen Betrag habe ich nachher nicht zur Gänze zurückbekommen. Aber man bekommt dann bei einer Firma wie KTM mehr Möglichkeiten und einen besseren Vertrag.
Das ist ein Investment gewesen, das ich gerne gemacht habe. Denn der Toby hat schon viel Pech gehabt. Er hatte 2013 einmal Brüche im Nackenbereich und so weiter... Er hat es sich verdient, dass man ihm hilft.
Als meine Grosseltern verstorben sind, habe ich ein bisschen Geld gekriegt. Das habe ich für dieses Projekt hergenommen.

Was hat dich so überzeugt bei Toby Price? Warum hast du ihm so viel zugetraut?

Er war 2007 einmal bei uns in Europa bei der Enduro-Weltmeisterschaft. Erstens habe ich seine Persönlichkeit sehr geschätzt, weil er ein total bodenständiger Bursche ist. Ein richtiger Rohmensch, 90 kg schwer, ein echtes Urvieh. Aber am Motorrad entfaltet er ein Talent, wie ich es selten gesehen habe.
Ich habe 2007 schon gesagt: Der hat ein unglaubliches Talent.
Wenn man auf Youtube seine Videos von der Fink Rally in Australien anschaut, was er dort auf dem Enduro-Motorrad aufführt, dann spürt man, welches Talent er hat. Dieses Gespür habe ich bei ihm frühzeitig gehabt. Ich habe gesagt: Ich glaub, der kann das.
Die Fink Rally ist eine der grössten Rallyes in Australien. Sie wird im Offroad-Gelände mit Crossmaschinen und Enduros gefahren, aber mit Navigation. Es wird dort wahnsinnig schnell gefahren, ähnlich wie bei der Baja. Toby hat dort einige Male gewonnen. Wer dort Erfolg hat, der kann das offene Gelände lesen, der kann navigieren, und dem macht das hohe Tempo nichts aus.
Und wenn man diese drei Bereiche beherrscht, dann ist man auch im weltweiten Rallye-Sport nicht so verkehrt.
Dass Toby das dann bei der Dakar umsetzt und bei zwei Einsätzen Dritter und Erster wird, da gehört natürlich auch Glück dazu.

Marc Coma war für Red Bull-KTM immer eine sichere Bank für die Dakar. Vor der Rallye 2016 wusste keiner, wer bei KTM die besten Chancen für den Gesamtsieg haben würde? Oder war für dich Toby Price von vornherein der grosse Favorit?

Auch wenn der Coma gefahren ist, war immer ein Risikofaktor dabei. Natürlich hatte man bei Marc Coma ein Potenzial, ein Wissen und ein Können, das einzigartig war. Als er im Sommer verkündet hat, dass er sich zurückzieht, hat man natürlich ein gewisses Panikgefühl gehabt, weil unser Nr.-1-Fahrer weg war.
Aber bei KTM ist es so: Wenn eine Tür zugeht, gehen viele andere Türen auf. Also haben wir nach vorne geblickt und gewusst, wir müssen so arbeiten wie immer und wenig Fehler machen.
Das war auch unser Ziel in der ersten Dakar-Woche, als alle gesagt haben, Honda gibt so Gas...
Ich habe immer beruhigt: «Wir warten in aller Ruhe die erste Woche ab. Wir schauen, dass keine Fehler passieren, dass wir keine Penaltys kassieren und dass wir keine technischen Probleme kriegen.» Ich wusste: In der zweiten Woche haben wir mit unseren jungen Fahrern die Möglichkeit, auch mit den Neuankömmlingen wie Meo und Walkner, dass wir Gas geben. Auch mit Walkner haben wir gerechnet, er hat ja in der Rallye-Weltmeisterschaft 2015 ordentlich aufgezeigt. Leider hat er sich am Samstag der ersten Woche dann verletzt, als er Gesamtdritter war.
Es gibt keinen nächsten Coma. Es existiert nur ein Marc Coma. Aber dass wir Potenzial haben mit Walkner und Price, das war uns bewusst. Leider hat sich Sam Sunderland nach der Marokko-Rallye einen Oberschenkelbruch zugezogen. Er wäre bei der Dakar sicher auch schnell gewesen...
Nachdem verkündet wurde, dass Coma nicht mehr mitfährt, haben wir gut gearbeitet und ein gutes Team zusammengestellt. Mit diesem Team haben wir die Möglichkeit, dass wir bei jedem Rennen vorne dabei sind.
Ich will die Leistung von Honda nicht schmälern, denn sie haben auch gute Fahrer und ein gutes Produkt. Aber sie arbeiten halt anders als wir, und dieses Konzept ist nicht so aufgegangen.

KTM-Sportmanager Heinz Kinigadner hat zu Beginn der letzten Dakar-Woche gesagt, Price sei sein Favorit, weil er der Schnellste, Frischeste und Stärkste war. Aber er befürchtete, Honda-Fahrer Goncalves sei beim Navigieren besser.

Dem würde ich widersprechen – und das ist auch bewiesen worden. Price hat fünf Etappen gewonnen und hat bei zwei Etappen vorne weg navigiert, ohne dass er eingeholt wurde. Er hat das sehr gut gemacht, muss ich sagen.
Gonvalces schätze ich als Mensch sehr. Das hat man beim Unfall von Walkner gesehen, als er stehen geblieben ist. Egal, für welche Marke er fährt und egal, ob es im Reglement festgeschrieben ist, dass man diese Hilfe leisten muss... Aber als Führender der Dakar stehenzubleiben und den Gegner zu versorgen, dafür hat er von mir den höchsten Respekt. Goncalves ist ein Top-Bursche, der in diesen Sport reinpasst und reingehört – und der auch den passenden sportlichen Gedanken hat.

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