Mercedes-Aus in der DTM: Das ist der Stand der Dinge

Von Andreas Reiners
Die DTM steht vor einer ungewissen Zukunft

Die DTM steht vor einer ungewissen Zukunft

Das DTM-Erdbeben ist nun knapp zwei Wochen her. Was hat sich seitdem getan? SPEEDWEEK.com beantwortet die wichtigsten Fragen.

Mercedes hat mit dem angekündigten Ausstieg nach der Saison 2018 für ein Erdbeben in der Tourenwagenserie gesorgt. Der Staub hat sich inzwischen ein wenig gelegt. SPEEDWEEK.com über den Stand der Dinge.

War es das jetzt mit der DTM?

Das ist noch unklar. Oder anders ausgedrückt: Vieles ist möglich. Ein abruptes Ende nach der laufenden Saison wird es wohl eher nicht geben. Denn: Die drei Hersteller haben sich bis einschließlich 2018 verpflichtet.

Audi und BMW hatten das zuletzt auch noch einmal betont. Damit wäre der Fortbestand zumindest bis dahin gesichert, falls die beiden Hersteller es sich nicht nochmal anders überlegen. Vieles hängt nun von DTM-Boss Gerhard Berger und den kommenden Wochen ab.

Was sagt Berger?

Er ist geschockt, will aber kämpfen. Klar: Ein alternatives Langzeitkonzept kann er kaum in zwei Wochen aus dem Hut zaubern. Berger zu SPEEDWEEK.com: «Ich bin der festen Überzeugung, dass die DTM eine Zukunft haben kann.» Man werde die Situation jetzt analysieren, mit Audi und BMW sowie anderen potenziellen Partnern sprechen und ein Konzept aufsetzen, kündigte der DTM-Boss an: «Sie ist zu stark und zu wichtig nicht nur für den Motorsport in Deutschland, als dass man sie schon abschreiben sollte.»

Was sagen die Fahrer?

Nicht viel, sie halten sich zurück, auch in den sozialen Netzwerken. Was sollen sie auch groß sagen? «Man muss das respektieren, sie schauen halt in die Zukunft. Ich darf mich da als Fahrer nicht zu viel hineinsteigern. Wir sind mitten in der Saison und ich muss mich vielmehr darauf konzentrieren, für Mercedes und alle Beteiligten das Beste rauszuholen», meinte Mercedes-Mann Lucas Auer.

Würde die DTM auch mit nur zwei Herstellern funktionieren?

Das hat sie zwar schon einmal, nach dem Opel-Ausstieg fuhren Mercedes und Audi von 2006 bis 2011 gegeneinander. Eigentlich hieß es aber, dass es das nicht mehr geben solle. Es ist durchaus fraglich, ob dieses Konzept heute nochmal funktionieren kann.

Aber: Berger kann sich BMW gegen Audi zumindest als Übergangslösung vorstellen. «Es kommt auf die Entscheider an. Wenn sie das wirklich wollen, sehe ich Möglichkeiten», sagte er der dpa.

Was ist mit anderen Herstellern?

Das sieht aktuell eher mau aus. Alte Weggefährten der DTM wie Ford, Opel und Volvo haben auf Nachfrage von SPEEDWEEK.com bereits offiziell abgesagt. Toyota wollte sich nicht zu dem Thema äußern, verwies aber auf die beiden Programme in der Rallye-WM und Langstrecken-WM.

Aber: Möglicherweise überdenkt Toyota das WEC-Engagement, nachdem Porsche den Ausstieg nach dieser Saison angekündigt hat. Was theoretisch Kapazitäten für die DTM schaffen würde. DTM-Legende Klaus Ludwig traut einigen Autobauern den Einstieg zu: «Asiatische und auch europäische Hersteller haben im Motorsport bereits bewiesen, zu was sie in der Lage sind. Wenn die wollen, können sie ein konkurrenzfähiges Auto aus dem Hut ziehen.»

Gibt es sonst noch Möglichkeiten?

Ja, durchaus. Der Einsatz von Autos durch Privatteams zum Beispiel. «Darüber werden wir ganz in Ruhe nachdenken. In dem Fall bräuchten die Privatteams auch Autos, die sie einsetzen können. Audi und BMW müssten beispielsweise bewerten, ob es dafür eine Möglichkeit gibt. Es ist aber noch zu früh, über solche Szenarien zu reden», meinte Berger.

Eine weitere Möglichkeit: Die zuletzt auf Eis gelegte Kooperation mit der japanischen Super GT. Knackpunkt war hier der Turbomotor, der in der DTM aus Kostengründen verschoben wurde. Bei diesem Thema gab es zuletzt wieder Bewegung, die Hersteller hatten über ein neues Motorenkonzept diskutiert.

Berger über die Details: «Beim neuen Motor wird es bis zu einem gewissen Bereich sehr einheitlich sein. Es wird aber freie Entwicklungsbereiche für die Hersteller geben, wie auch beim Chassis. Das muss man machen, weil sonst ein vorgegebener Kostenrahmen überhaupt nicht eingehalten werden kann. Man muss aber auch eine Balance finden, damit jeder Hersteller eigene Entwicklungsideen einbringen kann. Wo dann die Linie zwischen Einheitsbauteilen und Eigenentwicklung ist, ist ebenfalls noch offen.» Momentan ist der Zweiliter-Vierzylinder-Turbo offenbar der Favorit.

Klar ist: Sollte der neue Motor möglicherweise nun 2019 kommen, wäre die DTM endlich mit der Super GT kompatibel. Dort fahren Nissan, Honda und Toyota.

Was muss die DTM generell tun?

Sich im Grunde neu aufstellen, neu erfinden. Ein weißes Blatt Papier nehmen und ein funktionierendes Konzept für die Zukunft entwickeln. Einen Neustart vollziehen, zu den Wurzeln zurückkehren. Heißt: Die Kosten und die Einstiegshürden senken, um möglicherweise auch für Privatteams die Tür zu öffnen. Dazu weniger Aerodynamik, mehr Leistung, keine Überregulierung, keine Politik und Machtspielchen mehr, dazu eine übergeordnete Sportbehörde. Die DTM muss wieder sexy werden.

Oder anders gesagt: «Das Produkt muss so gut sein, dass niemand daran vorbeikommt», sagt DTM-Fahrersprecher Manuel Reuter SPEEDWEEK.com: «Sie hat eine Zukunft, wenn wir uns auf die Werte besinnen, die die DTM großgemacht hat. Wir müssen den Jungs wieder eine Waffe geben. Das Biest muss 1000 PS haben und richtig böse sein. Die DTM hat nach wie vor eine Daseinsberechtigung. Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere wieder auf.»

Was wird nun aus dem TV-Vertrag?

Auch hier: unklar. Der Kontrakt mit der ARD läuft nach dieser Saison aus, die Ausschreibung der ITR läuft noch bis September. Berger hatte bereits mit allen relevanten TV-Sendern wie der ARD, aber auch RTL, Sat.1 oder Sky gesprochen.

Die ungewisse Zukunft der DTM über 2018 hinaus macht es für ihn natürlich nicht einfacher, einen Partner zu finden. «Uns ist freilich klar, dass ein TV-Sender nicht nur an ein Jahr, sondern an mehrere Jahre denkt, wenn es um den Rechteerwerb geht. Bevor wir nicht wissen, wie es nach 2018 weitergeht, ergibt es nicht viel Sinn, in konkrete Verhandlungen mit Interessenten einzusteigen. Zunächst müssen wir mit BMW, Audi und potenziellen Kandidaten über die Zukunft reden», sagte Berger.

Wie realistisch ist eine Fusion mit dem GT Masters?

Berger erteilt der Idee eine Absage. «Beide Serien fahren mit sehr unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten, die beide bei den Fans ankommen. Aus zwei mach' eins sollte nicht unser Ziel sein. Vielmehr sollten wir versuchen, auch nach 2018 beide Serien den Fans anzubieten.»

Was ist mit den aktuellen Problemen?

Klar: Der Betrieb in der DTM wird durch die Mercedes-Bekanntgabe nicht eingestellt. Vom 18. bis 20. August steigt das sechste Event, die Saison geht langsam aber sicher in die heiße Phase. Und auch wenn sich die Serie in den vergangenen Monaten in eine gute Richtung bewegt hat, gibt es immer noch das Problem mit den Performance-Gewichten, die zuletzt für dicke Negativ-Schlagzeilen gesorgt haben.

Eigentlich hatte DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck vor, alle Beteiligten in der DTM-Kommission an einen Tisch zu bringen, um eine möglichst schnelle Lösung zu finden. Aber: Der DMSB konnte auf Anfrage keinen Termin nennen. Heißt: Wird bis Zandvoort kein Termin gefunden, wird mit dem jetzigen Gewichtssystem weitergefahren. Und mit den ganzen Diskussionen.


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