Brasilien-GP: Keine Titel-Entscheidung im Regen-Chaos

Von Vanessa Georgoulas
Lewis Hamilton holte in Brasilien den Sieg

Lewis Hamilton holte in Brasilien den Sieg

Der Brasilien-GP wurde gleich zwei Mal unterbrochen, weil der starke Regen für viel Schrott und einige Schrecksekunden auf der Piste gesorgt hatte. Am Ende durfte sich Lewis Hamilton über den GP-Sieg freuen.

Die GP-Stars wurden zum Rennsonntag in Interlagos von Regen und – für Brasilien-Verhältnisse verhältnissmässig – kühle Temperaturen um 18 Grad begrüsst. Dies sorgte im Fahrerlager am Autódromo José Carlos Pace für Diskussionen darüber, ob FIA-Rennleiter Charlie Whiting die GP-Stars hinter dem Safety-Car ins Rennen schicken sollte.

«Charlie wird die richtige Entscheidung treffen. Wir alle wollen eine gute Show, und so gesehen wäre ein echter Start natürlich besser. Aber wenn es zu gefährlich ist, dann bleibt nichts Anderes übrig. Ich würde aber lieber eine gute Show sehen, deshalb hoffe ich, dass die Jungs normal losfahren dürfen», erklärte etwa Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff.

Damit sprach der Wiener den meisten Fahrerlager-Dauergästen aus der Seele. Auch Mercedes-F1-Aufsichtsratschef Niki Lauda erklärte: «Ein normaler Start wäre besser.» Und der ehemalige GP-Pilot und heutige Sky Sports F1-Experte Martin Brundle betonte: «Wir haben hier die besten Fahrer der Welt auf der Piste, und das Gaspedal funktioniert in beide Richtungen. Sie sollten also selbst einschätzen können, wie schnell man bei diesen Bedingungen fahren kann.»

Romain Grosjean crasht schon vor dem Start

Wie rutschig die Strecke ist, demonstrierte Haas-Pechvogel Romain Grosjean, der auf dem Weg zu seinem siebten Startplatz in Kurve 13 von der Piste rutschte, sich drehte und dabei seitlich in die Streckenbegrenzung donnerte. Der Genfer konnte sein Pech nicht fassen, schliesslich hatte er sich am Vortag überraschend einen Top-10-Startplatz erkämpft. Für ihn war das Rennen damit schon vor dem Start gelaufen. Teamchef Günther Steiner erklärte sichtlich enttäuscht: «Das ist sehr schade, denn das ist eine verpasste Chance.»

Die Rennleitung entschied sich vorerst, den Start um zehn Minuten zu verschieben, bevor pünktlich um 14 Uhr Ortszeit bestätigt wurde, dass das Rennen doch hinter dem Safety-Car beginnen würde. Und: Für die nächsten 30 Minuten wurde nur leichter Regen vorausgesagt, danach sollten sich die Niederschläge gemäss Prognose verstärken.

So kam es, dass Pole-Setter Lewis Hamilton hinter Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer losfahren durfte, dahinter reihten sich Nico Rosberg, Kimi Räikkönen, Max Verstappen, Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo, Nico Hülkenberg, Sergio Pérez, Fernando Alonso, Valtteri Bottas, Esteban Gutiérrez, Felipe Massa, Daniil Kvyat, Carlos Sainz, Jolyon Palmer, Jenson Button, Kevin Magnussen, Pascal Wehrlein, Marcus Ericsson, Felipe Nasr und Esteban Ocon ein.

Hamilton beschwerte sich schon auf der ersten Runde, dass er hinter dem Safety-Car eine sehr schlechte Sicht hatte, und Vettel erklärte, dass Wasser auf den Geraden und auch zwischen den Kurven 3 und 4 viel  auf der Strecke lag. Carlos Sainz funkte hingegen: «Es wäre möglich, zu fahren, aber es wäre am Limit.» Auch Ricciardo meinte auf Nachfrage: «Wir komme den Rennbedingungen nahe.»

Hamilton plagten derweil ganz andere Probleme: «Mir läuft Wasser ins Visier», klagte der Weltmeister. Dennoch gab die Rennleitung das Rennen nach sieben Runden frei. Magnussen liess sich in Runde 8 sogar Intermediates-Reifen geben, während Verstappen an Räikkönen auf Position 3 vorbeizog und gleich die Jagd auf Rosberg auf Platz 2 startete.

Kurz nach Magnussen bogen mit Alonso, Bottas, Massa, Kvyat, Palmer, Ericsson und Button weitere Piloten an die Box ab, um sich intermediates-Reifen zu geben. Vettel drehte sich in der elften Runde in Kurve 13, hatte dabei aber Glück im Unglück und konnte weiterfahren. Der vierfache Champion steuerte gleich die Box ab, um sich auch Intermediates zu holen. Dabei musste der Heppenheimer besonders lange warten, weil das linke Hinterrad klemmte.

Während die Rennleitung verkündete, dass sie Lokalmatador Felipe Massa genauer unter die Lupe nehmen wird, weil der kleine Brasilianer noch vor der Safety-Car-Linie an Gutiérrez vorbeigezogen war, sorgte Ericsson für die nächste Safety-Car-Phase, weil er in der letzten Kurve auf der weissen Linie ausrutschte, in die Streckenbegrenzung krachte, und auf der Startaufstellung zum Stehen kam.

Die Boxengasse wurde gleich gesperrt, doch Verstappen, der hinter Pérez unterwegs war, bog dennoch an die Box ab, um sich Intermediates-Reifen zu holen. Auch Ricciardo bog trotzdem an die Box ab. Hinter dem Safety-Car reihten sich Hamilton, Rosberg, Räikkönen, Verstappen, Hülkenberg, Pérez, Sainz, Nasr, Ricciardo und Ocon auf den Top-Ten-Plätzen ein.

Rote Flagge wegen roter Göttin von Kimi Räikkönen

Die Boxengasse wurde nach sieben Minuten wieder freigegeben und gleich bogen einige Piloten an die Box ab, um sich frische Walzen zu holen. Nach 19 Runden durften die Piloten wieder Gas geben, und Räikkönen dreht sich auf der Start-Ziel-Geraden. Der Ferrari des Finnen kam entgegen der Fahrtrichtung zum Stehen und der Iceman hatte viel Glück, dass ihn keiner der Gegner in der Gischt erwischte. «Meine Güte, das war nur einen Millimeter von einem Crash entfernt», funkte Ocon erleichtert.

«Das ist lächerlich», schimpfte Vettel in den Boxenfunk, «ich wäre auf der Hauptgeraden fast in Kimi gekracht, weil ich nichts gesehen habe.» Die Rennleitung entschied sich denn auch gleich, die rote Flagge zu zeigen. Zu diesem Zeitpunkt führte Hamilton das Feld vor Rosberg, Verstappen, Hülkenberg, Pérez, Sainz, Nasr, Ricciardo, Ocon, Wehrlein, Alonso, Bottas, Magnussen, Button, Vettel, Massa, Gutiérrez, Kvyat und Palmer an.

Nach 35 Minuten wurde das Rennen wieder fortgesetzt, wobei die Rennleitung den GP-Stars vorschrieb, auf Regenreifen auszurücken. Bevor die GP-Stars wieder ausrückten verteilten die Rennkommissare noch die nötigen Strafen: Ricciardo bekam eine 5-Sekunden-Strafe aufgebrummt, weil er trotz geschlossener Boxengasse an die Box abgebogen war, und Massa bekam auch fünf Sekunden aufgebrummt, weil er Gutiérrez vor der Safety-Car-Linie überholt hatte.

Die GP-Stars fuhren hinter dem Safety-Car aus der Boxengasse wieder auf die Strecke. Hamilton führte das Feld vor Rosberg, Verstappen, Hülkenberg, Pérez, Sainz, Nasr, Ricciardo, Ocon, Wehrlein, Alonso, Bottas, Magnussen, Button, Vettel, Massa, Gutiérrez und Kvyat an. Palmer folgte dem Feld nicht mehr auf der Strecke, weil er sich vor der roten Flagge bei einem Crash mit Kvyat seinen Renner zu stark beschädigt hatte.

Regen sorgt für zweite Zwangspause

Auch Hülkenberg hatte kein Glück, der Deutsche musste nach nur zwei Runden hinter dem Safety-Car wieder an die Box abbiegen und sich neue Reifen geben, weil er einen Schaden am rechten Hinterreifen hatte. Dadurch fiel der Force India-Pilot von der sechsten auf den 15. Position zurück. «Wir sollten das Rennen wieder starten, Charlie», erklärte Leader Hamilton nach der ersten Runde hinter dem Safety-Car, und auch Verstappen erklärte: «Ich denke, wir können nun fahren.»

Doch die Rennleitung entschied nur Minuten später, das Rennen noch einmal zu unterbrechen. «Das verstehe ich nicht, es ist doch nicht derart nass. Das ist nicht mehr als ein normales Regenrennen», schimpfte Hamilton, während Nasr und Sainz aufatmeten, weil sie im Gegensatz zum aktuellen Champion die Bedingungen für zu schlecht fürs Rennfahren bezeichnet hatten.

Nach einer weiteren Pause von 16 Minuten wurde das Rennen wieder aufgenommen – erneut hinter dem Safety-Car. «Eigentlich sollte Bernd Mayländer die Trophäe für den ersten Platz bekommen», scherzte ein Kollege im Pressesaal, während Hamilton, Rosberg, Verstappen, Pérez, Sainz, Nasr, Ricciardo, Occon, Wehrlein, Alonso, Bottas, Magnussen, Button, Vettel, Hülkenberg, Massa, Gutiérrez und Kvyat brav dem Safety-Car folgten.

In Runde 32 wurde das Rennen erneut freigegeben und Verstappen griff gleich Rosberg an. In der dritten Kurve zog der Junior aussen an Rosberg vorbei. «Das war ein Mega-Manöver», freute sich Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner, während auch sein zweiter Schützling Ricciardo ein Manöver wagte und erfolgreich war: Er zog an Sainz auf Position 5 vorbei. «Beide fahren überragend», lobte der Chef, und erklärte: «Beide fahren überragend, Daniel muss die 5-Sekunden-Strafe aufholen, deshalb gibt er Gas.»

Vettel schnappte sich derweil erst Bottas und dann den zehnten Platz von Wehrlein, der zuvor schon von Alonso überholt worden war. In Runde 35 bog Button als erster an die Box ab, um Intermediates-Reifen zu holen. Auch Bottas und Hülkenberg zogen kurz darauf an Wehrlein vorbei, während Vettel Manor-Pilot Ocon von Position 9 verdrängte und damit Schützenhilfe im Kampf der Kellerkinder für das Sauber-Team leistete. Denn Nasr war zu diesem Zeitpunkt auf Position 7 unterwegs.

In Runde 39 erlebte Max Verstappen eine Schrecksekunde, weil er einen halben Dreher hinlegte. Doch irgendwie schaffte er es, einen Einschlag zu verhindern und noch vor Rosberg zu bleiben. So kam es, dass auch im 40. Umlauf Hamilton das Feld vor Verstappen, Rosberg, Pérez, Ricciardo, Sainz, Nasr, Alonso, Vettel, Ocon, Hülkenberg, Magnussen, Wehrlein, Gutiérrez, Kvyat, Massa, Bottas und Button anführte.

In der 41. Runde holte sich Riccairdo neue Intermediates-Reifen und nutzte die Gelegenheit, um seine Strafe abzusitzen, während Force India Pérez erklärte, dass der Regen in den nächsten fünf Minuten stärker werden sollte. Gutiérrez glänzte derweil mit seinem Manöver gegen Wehrlein. Für Unterhaltung sorgten im Anschluss Vettel und Alonso, die hinter dem sechstplatzierten Sauber-Piloten Nasr ein Duell austrugen, bei dem Vettel den zweifachen Weltmeister in Kurve 10 von der Piste drängte. Alonso beschwerte sich umgehend, während Verstappen in Runde 43 an die Box abbog.

Auch Ocon und Hülkenberg hatten so ihre Mühen miteinander und der Deutsche drückte den Manor-Piloten von der Piste. Rosberg hatte seine eigenen Probleme, denn durch einen halben Dreher Ausgangs der zwölften Kurve verlor er sechs Sekunden auf den Leader. Vettel gab hingegen weiter Gas und schnappte sich den sechsten Platz von Sauber-Talent Nasr. In Runde 47 gab es erst die erste Überrundung: McLaren-Honda-Pilot Button wurden die blauen Flaggen gezeigt, damit er Leader Hamilton Platz machte.

Emotionales Aus von Lokalheld Felipe Massa

Lokalheld Massa musste in Runde 49 die Segel streichen, nachdem er in der letzten Kurve die Kontrolle über seinen Williams verloren hatte und eingeschlagen war. Das Safety-Car kam erneut auf die Piste, während ein sichtlich emotionaler Massa für Jubel auf den Tribünen sorgte, weil er die Brasilien-Flagge schwenkte, als er sich unter Tränen zu Fuss zur Box zurück begab.

Weil sein Auto die Boxeneinfahrt versprrte, wurde die Boxengasse geschlossen, doch sobald sie wieder offen war, bogen Ricciardo und Wehrlein an die Box ab. Hinter dem Safety-Car reihten sich Hamilton, Rosberg, Pérez, Sainz, Verstappen, Vettel, Nasr, Alonso, Hülkenberg und Ocon auf den Punkte-Rängen ein, Kvyat, Bottas, Ricciardo, Wehrlein, Magnussen, Gutiérrez und Button komplettierten das Feld.

Nach 14 Minuten durften die Piloten wieder Gas geben – obwohl Rosberg und Verstappen am Funk von unfahrbaren Bedingungen sprachen. Kaum war das Rennen wieder freigegeben, wurde es wieder spannend. Während sich Verstappen nach seinem Boxenstopp wieder nach vorne arbeitete und erst Magnussen und dann Gutiérrez schnappte, legte Alonso einen Dreher hin, was ihn auf Position 17 – noch hinter seinen Teamkollegen Button zurückwarf.

Der Asturier sorgte gleich darauf für Wiedergutmachung und schnappte sich seinen Teamkollegen gleich wieder – und Magnussen dazu. Auch Verstappen gab Gas, schnappte sich erst Bottas in der dritten Kurve und dann auch noch Ricciardo. In Runde 60 schnappte sich Hülkenberg den sechsten Platz von Nasr, indem er in der drittn Runde aussen am Sauber vorbeizog.

Auch Verstappen war noch nicht zufrieden und holte sich Position 8 von Ocon, während Gutiérrez das Rennen an der Box aufgeben musste. Wütend pfefferte der sonst so höfliche Mexikaner seine Rennhandschuhe in die Ecke.

Derweil schaffte es Ricciardo endlich an Kvyat vorbei, während Verstappen Nasr schnappte. Ricciardo machte auch mit Ocon kurzen Prozess und schob sich damit auf Position 9 vor, bevor er auch Nasr schnappte. Auch Verstappen liess sich nicht lumpen und zog an Hülkenberg vorbei, bevor er sich Vettel zurechtlegte und sich vorbeidrückte. Vettel, dem die Strecke ausging, beschwerte sich lautstark darüber, von der Strecke gedrückt worden zu sein.

Verstappen machte auch mit Sainz kurzen Prozess und jagte nun Pérez, der den dritten Platz belegte. Nach einigen SChrecksekunden schaffte es der Niederländer, sich den dritten Podestplatz zu holen.

Nach 71 Runden durfte sich Hamilton über den Sieg vor Rosberg und Verstappen freuen. Erstmals triumphierte der 31-Jährige in Interlagos – es war sein dritter Sieg in Folge. Damit verschiebt sich die Titelentscheidung auf das letzte Rennen in Abu Dhabi, zu dem Rosberg mit einem 12-Punkte-Vorsprung anreisen wird. Auch Pérez, Vettel, Sainz, Hülkenberg, Ricciardo, Nasr und Alonso holten Punkte. Ocon, Bottas, Kvyat, Magnussen, Wehrlein und Button komplettierten die Ergebnisliste.

Jubeln durfte damit auch das Sauber-Team, das dank Nasr die ersten Punkte des Jahres holen konnte und nun den lukrativen zehnten Platz in der Team-Wertung belegt.

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