Renault RS17: So startet Nico Hülkenberg durch

Von Mathias Brunner
In London ist der brandneue Renault RS17 präsentiert worden. Der französische Werksrennstall will mit dem neuen Zugpferd Nico Hülkenberg 2017 im Mittelfeld nach vorne dringen.

«The Lindley Hall» passt hervorragend, um den neuen Renault für die Formel-1-Saison 2017 zu zeigen. Denn einst wurde die Halle von Botanikern genutzt. Gemeinsam wachsen, das bleibt das Thema, denn Renault und der neue Star-Fahrer Nico Hülkenberg haben gemeinsam sehr viel vor.

Team und Fahrer sollen gegenseitig als Turbo wirken: Renault hat mit dem Werk in Enstone und den Motoren aus Viry-Châtillon alle Voraussetzungen, um Podestränge zu entwickeln. Nico Hülkenberg soll jener Leitwolf sein, den die aufstrebenden Franzosen benötigen.
Der Formel-1-Rennstall aus Enstone, der heute als Renault-Werksteam auftritt, ist kein Team wie jedes andere. Zunächst einmal ist es schon mehr als dreissig Jahre lang da.

Die Truppe ging aus dem Toleman-Rennstall hervor, der anfangs der 80er Jahre aus der Formel 2 in die Formel 1 aufgestiegen war. Ayrton Senna debütierte 1984 mit Toleman in der Formel 1. Der Transportunternehmer Ted Toleman verkaufte sein Team später an Benetton, die zuerst als Sponsor des Rennstalls auftraten.

Team-Manager wurde Flavio Briatore, unter dessen Leitung Michael Schumacher 1994 und 1995 Weltmeister wurde. In der Saison 2002 war Renault als Werksrennstall zurück, mit Fernando Alonso gab es 2005 und 2006 zwei weitere Titel, Ende 2009 verkauften die Franzosen das Team jedoch schrittweise an Genii Capital unter dessen Chef Gérard Lopez. Ende 2015 kaufte Renault das Team zurück, Lopez blieb stiller Teilhaber.

Mit dem Australien-GP in Melbourne 2016 begann die dritte Epoche, in welcher die Franzosen in der Formel 1 mit den berühmten gelben Boliden als Werksrennstall unterwegs sind: Nach den Jahren 1977 (als Turbo-Pionier, anfangs belächelt, später gefürchtet) bis 1985, dann von 2002 bis 2009.

Aber die Saison 2016 wurde zum Waagrechtstart: Nur WM-Schlussrang 9, noch hinter den GP-Neulingen von Haas, nur drei Punktefahrten. Kevin Magnussen seilte sich zu Haas ab, der blasse Jolyon Palmer wurde behalten. Aber der Hoffnungsträger, so wird in London klar, ist Nico Hülkenberg.

Wo sich der 29jährige Emmericher positioniert, hat er schon mal klargemacht: «Für mich ist es derzeit wichtig, mein Team nach vorne zu bringen. Das bedeutet, dass ich meinen Teamkollegen schlagen muss –und zwar in diesem Jahr und auch danach. Ich werde einfach meinen Job machen. Wer auch immer neben mir antreten wird, ist nicht so wichtig für mich.»

«Es war immer mein Traum für ein Werksteam wie Renault zu fahren. Die kommenden, neuen Formel-1-Regeln werden im Sport einiges verändern, und ich sehe das als hervorragende Gelegenheit für uns. Ich bin ganz sicher, dass Renault in den kommenden Jahren in der Formel 1 eine ganz gewichtige Rolle spielen wird. Ich kann es kaum erwarten.»

Hülkenberg hat ein erfahrenes Team hinter sich.

Jérôme Stoll (62), in Tunis geboren, Präsident von Renault Sport. Der Franzose ist seit 1980 für Renault tätig. Stoll war bei den Verhandlungen mit Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone elementar, um den Weg zur Rückkehr der Franzosen in den GP-Sport zu ebnen. Es war auch Stoll, der durchsetzte – wir brauchen einen Chef weniger. Der 2016er Teamchef Frédéric Vasseur verliess darauhin den Rennstall. Über den Grad der Freiwilligkeit lässt sich diskutieren.

«2017 wird aufregend. Das ist hundertprozentig unser Renault. Wir haben eine klare Vision für unser Engagement, wir haben immer gesagt, dass 2016 ein Übergangsjahr, eine Saison des Aufbaus sein wird. Wir haben Enstone und Viril noch näher zusammenrücken lassen. Und das 2017er Auto wird das beweisen. Unser Ziel ist ganz einfach: Wir sollen Rang 5 in der WM erreichen, das muss machbar sein», sagte Stoll bei der Präsentation.

Stoll weiter: «Ich bin sehr zuversichtlich. Wir haben für 2017 einen guten Job gemacht. Wir sind gut aufgestellt. Zudem haben wir Alain Prost als Sonderberater von Renault Sport. Er bring seine ganze Erfahrung mit, seine Erfolge sprechen für sich selber.»

Prost war natürlich auch zugegen. Er findet «alles sehr aufregend. Die Autos sehen wieder so aus wie zu meiner Zeit. Ich bin wirklich sehr gespannt darauf, was die Fahrer erzählen werden. Die Rennwagen werden sehr eindrucksvoll, und hoffentlich können wir neuen Fans anziehen.» Renault solle so bald als möglich wieder siegfähig werden, sagte der Franzose: «Ich habe hier keine tägliche Aufgabe, ich arbeite mehr hinter den Kulissen.»

Cyril Abiteboul (39), Geschäftsleiter von Renault Sport. Der Pariser – früher Teamchef von Caterham und heute Geschäftsleiter von Renault Sport F1 – sollte die Fäden im Hintergrund spinnen, aufgrund dieser Doppelbelastung übergab der 39-Jährige das Tagesgeschäft Frédéric Vasseur. Nun steht die Infrastruktur, damit war hier ein Mann zu viel.

Für Abiteboul steht fest: «Wir haben das Werk von Enstone ausgebaut, und nach unseren Anstrengungen im Frühling, neue Mitarbeiter anzuwerben, strömen die nun langsam herbei. Ich bin besonders happy, dass wir uns die Dienste von Nico Hülkenberg sichern konnten. Nico ist ideal für uns, die perfekte Mischung aus Erfahrung und Siegeshunger.»

«Ich sah 2016 nie als unser erstes Jahr, ich nenne es unser Jahr Null. Vor einem Jahr gab es nichts davon, was heute existiert. Ich kann es meiner Truppe gar nicht hoch genug anrechnen, was sie alles geleistet hat. Aber wir sind nicht in der Formel 1, um das Startfeld aufzufüllen. Wir hängen uns voll rein, und früher oder später soll sich das natürlich auch in Ergebnissen auswirken.»

Abiteboul weiter: «Der Druck ist gross, aber Druck hat in der Formel 1 jeder. Dieses Auto ist das Erzeugnis von einer kompletten Verzahnung zwischen Motor- und Chassisabteilung. Wir haben das Personal um ein Viertel ausgebaut, kein Team ist mehr gewachsen. Wir waren bereit, erheblich mehr Geld in die Hand zu nehmen, denn um ein Top-Team zu sein, brauchen wir Investments. Ich selber werde 2017 zu allen Rennen kommen, um unsere Fortschritte zu beobachten. Der grösste Teil des Aufbaus ist abgeschlossen, nun geht es um die Umsetzung auf der Rennstrecke.»

Bob Bell (58), in Belfast geboren, Technikchef. Er war ab 2001 zehn Jahre lang für den Rennstall aus Enstone tätig war, 2005 und 2006 als Technikchef mit Fernando Alonso und Renault Weltmeister wurde und der dann als Technikdirektor zu Mercedes wechselte.

Bell redet nicht um den heissen Brei herum: «Es ist kein Geheimnis, dass wir nicht so konkurrenzfähig gewesen sind, wie wir uns das gewünscht hätten. An sich kam das wenig überraschend. Wir standen am Ende eines Zyklus stabiler Chassis-Reglemente, da tun sich alle Rennställe mit Zeitgewinnen schwer. Gleichzeitig schielten die meisten Teams längst auf 2017, wenn eine neue Generation von Rennwagen auf uns zukommt.»

Bell weiss: «Zunächst einmal haben wir den Vorteil, ein reines Werks-Team zu sein, wir haben also die Kombination aus Chassis und Motor in unserer Hand, das können sonst nur Mercedes-Benz und Ferrari. Wir können die Integration der Antriebseinheit ins Chassis voller ausschöpfen.»

«Wir haben ein gewisses Erbe, wir haben den Hunger nach mehr. Ich kann im Rennstall eine unheimliche Entschlossenheit erkennen, wieder auf die Siegerstrasse zurück zu kehren. Wir müssen das Team ausbauen, um unsere Ziele zu erreichen, aber ich erkenne den inneren Antrieb in den Menschen, den unbändigen Siegeswillen, die Erfahrung, um all das zu schaffen. Seit wir übernommen haben, ist erheblich mehr ins Team reingesteckt worden. Einige etwas in die Jahre gekommenen Anlagen sind bereits ersetzt oder werden ausgewechselt. Wir stocken auch ständig das Personal auf. Das ist alles Teil eines Langzeitplans.»

Zur neuen Formel 1 sagte Bell: «Für mich ist das alles ganz einfach: Die Autos sind schneller, sie sehen viel besser aus, und darum werden wir eine aufregendere Formel 1 haben. Ob wir dadurch aber bessere Rennen erleben, das kann ich selber noch nicht sagen.»

Rémi Taffin (39), Chef Motor. Der Franzose war jahrelang Operationsleiter für Renault auf dem Rennplatz. Nun ist er Technischer Leiter. Dazu arbeitet Ciaron Pilbeam (ex-Red Bull Racing) als leitender Ingenieur, Pete Machin wird Aero-Chef, dann rückt Jon Tomlinson (heute Leiter der Aerodynamikabteilung) ins zweite Glied.

Nick Chester (47), Chef Chassis. Der frühere Technikchef des Lotus-Rennstalls muss ins zweite Glied zurück rücken, als aus Lotus wieder Renault wurde: Der 46-Jährige leitet die Chassis-Abteilung.

Chester spricht «von der grössten Herausforderung, die ich in der Formel 1 erlebt habe. Die Änderungen für die Saison 2017 gehen weit über das Verbot eines angeblasenen Diffusors und die Einführung neuer Frontflügel-Dimensionen hinaus. Wir reden hier von umfassenden Veränderungen von Frontflügel, Diffusor, Chassis, Reifen und Aerodynamik. Das schafft viele Möglichkeiten, wenn man sich die Bereiche anschaut, an denen man arbeiten kann. Normalerweise würden wir nun die Arbeitsbereiche optimieren, wir würden uns auf bekanntem Terrain befinden. Aber dieses Mal mussten wir etwas ganz Neues schaffen. Es gibt viele verschiedene Arten und Wege, die man wählen kann. Und das Wichtigste ist, dass man an den richtigen Konzepten arbeitet.»

Ob das Renault geschafft hat, werden wir ab 27. Februar erleben – im Rahmen der ersten Wintertests auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya.

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