Analyse: Autos 2018 zehn Sekunden schneller als 2015

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel im Ferrari

Sebastian Vettel im Ferrari

​Die Formel-1-Macher kündigten mit den neuen Autos 2017 und den breiteren Reifen an: Das wird die schnellste Formel 1 aller Zeiten. Sie haben Wort gehalten. Und 2018 legen die Renner nochmals tüchtig zu.

Der Anspruch für die Formel-1-Rennwagen von 2017 lautete: Die Autos sollten so sprungbereit aussehen, dass sie schon im Stillstand Speed vermitteln. Und sie sollten fünf Sekunden pro Runde schneller sein, mit dem Circuit de Barcelona-Catalunya als Richtwert. Diese Referenz wurde zur Jahresmitte 2015 festgelegt, als es darum ging, ein Ziel für die 2017er Generation der Formel-1-Autos zu setzen.

Die neue Formel 1 sollte optisch aggressiv daherkommen, mit herrlich fetten Pirelli-Walzen, die Autos sollten sichtbar schwieriger zu fahren und deutlich schneller sein. All das sollte durch die neuen Regeln erreicht werden, mit Autos, die mehr Abtrieb aufbauen und auch wegen der breiteren Räder höhere Kurventempi erreichen.

Zudem spendierte der Mailänder Reifenhersteller Pirelli Walzen mit weicheren Mischungen. In Zahlen ausgedrückt führte dies zum Ziel einer fünf Sekunden schnelleren Rundenzeit als die Pole-Zeit von 1:24,681 Minuten auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya 2015, gefahren von Nico Rosberg im Mercedes.

Hat die Formel 1 also ihr Ziel erreicht? Antwort: Nein, sie hat es teilweise sogar übertroffen, und das ist erst der Anfang.

Gemessen an der Winter-Testbestzeit von 1:18,634 min (Kimi Räikkönen im Ferrari) wirkten die 1:19,149 min von Lewis Hamilton im Abschlusstraining des Spanien-GP im vergangenen Mai milde enttäuschend – und die Bestzeit des Briten war auch nur 2,851 sec schneller als die Pole vom letzten Jahr (Lewis Hamilton, 1:22,000). Aber Zahlen sagen eben nicht die ganze Wahrheit.

Kimi fuhr seine Winterbestzeit auf superweichen Reifen, die am GP-Wochenende in Katalonien nicht im Pirelli-Angebot waren. Und die klimatischen Bedingungen waren nicht so gut wie im Winter, wenn die Motoren viel freier atmen können. Diese zwei Faktoren kaschieren den wirklichen Fortschritt.

Denn die Pole von Lewis Hamilton mit 1:19,149 bedeutet: Richtwert von 2015 um 5,532 sec unterboten.

Beim zehnten WM-Lauf in Silverstone – wo gute Aerodynamik besonders belohnt wird – machte sich der Fortschritt noch stärker bemerkbar: Lewis Hamilton zerschmetterte den Richtwert von 2015 im Rennen um 6,472 Sekunden!

Die folgende Liste zeigt den Vergleich zwischen den Pole-Zeiten 2015 und 2017 bei den bisherigen Rennen dieser Saison, danach der Vergleich der besten Rennrunden. In Baku wird erst seit 2016 gefahren, also klammern wir dieses Rennen aus.

Unterschied Melbourne: –4,139 sec
Shanghai: –4,104
Sakhir: –3,802
Sotschi: –3,919
Barcelona: –5,532
Monte Carlo: –2,920
Montreal: –2,943
Spielberg: –4,204
Silverstone: –5,648
Hungaroring: –5,744
Spa-Francorchamps: –4,644
Monza: Regen 2017, kein Vergleich möglich
Singapur: –4,394
Sepang: Regen 2015, kein Vergleich möglich
Suzuka: –5,265
Austin: Regen 2015, kein Vergleich möglich
Mexiko-Stadt: –2,992
São Paulo: –2,96
Yas Marina: –4,006

Wie sieht es im Vergleich der besten Rennrunden 2015 und 2017 aus?

Unterschied Melbourne: –5,407 sec
Shanghai: –6,830
Sakhir: –3,513
Sotschi: –3,227
Barcelona: –4,677
Monte Carlo: –3,243
Montreal: –2,436
Spielberg: –3,824
Silverstone: –6,472
Hungaroring: –4,639
Spa-Francorchamps: –4,024
Monza: –3,311
Singapur: –5,033
Sepang: –7,982
Suzuka: –3,001
Austin: –2,894
Mexiko-Stadt: –1,736
São Paulo: –3,788
Yas Marina: –3,867

Aber das geht alles noch schneller!

Zunächst einmal wurden die Regeln vorsichtig formuliert. Die Ziele wurden zwei Jahre vor der Umsetzung der Regeln festgelegt. Im Verlauf der Weiterentwicklung des Reglements wurden einige der ursprünglichen Freiheiten gestrichen. Die vorherrschende Meinung war, dass es besser sei, die Verbesserung um fünf Sekunden nicht ganz zu erreichen und dafür den Teams die Möglichkeit zu geben, in die neue Generation an Regeln hineinzuwachsen. Dieser Weg wurde als besser angesehen, als das Ziel zu übertreffen und das zukünftige Entwicklungspotential einzuschränken.

Ausserdem schwankt die Steigerung von Strecke zu Strecke. Insgesamt stammen ungefähr 60% der Steigerungen im Vergleich zu 2015 von den neuen Aerodynamik-Regeln, 30% von den grösseren Reifen und 10% von der Antriebseinheit.

Auf Strecken wie in Barcelona oder Silverstone, auf welchen es eine hohe aerodynamische Empfindlichkeit und einen geringen Fokus auf Leistung gibt, ist die Steigerung markanter als auf Kursen, wo rohe Leistung gefragt sein wird – wie etwa Monza.

Auf diesen Strecken mit langen Geraden stellt auch der höhere Luftwiderstand der 2017er Autos einen Nachteil dar. Die Rundenzeiten-Unterschiede fallen auf längeren, aerodynamisch anspruchsvollen Strecken wie Spa-Francorchamps oder Suzuka natürlich grösser aus als auf Power-Strecken mit wenig Luftwiderstand wie Monza.

Die neue Generation Rennwagen steht am Anfang der Entwicklung. Pirelli-Rennchef Mario Isola glaubt: «Bis zum Beginn der Wintertests werden die Rennwagen nochmals eine Sekunde schneller sein, im Laufe der Saison 2018 kommen bis zu zwei Sekunden dazu, wenn die übliche Entwicklungsrate anhält.»

Durchaus denkbar, dass wir 2018 Rundenzeiten erleben, die zehn Sekunden unter den Werten von 2015 liegen – auch dank noch weicherer Reifen von Pirelli.

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