Baku-GP: Lewis Hamilton siegt im Chaos-Rennen!

Von Vanessa Georgoulas
Lewis Hamilton profitierte vom Ausfall seines Teamkollegen und siegte

Lewis Hamilton profitierte vom Ausfall seines Teamkollegen und siegte

Pole-Setter Sebastian Vettel musste sich in Baku mit dem vierten Platz begnügen. Den Sieg holte sich Mercedes-Star Lewis Hamilton, der zum ersten Mal in dieser Saison triumphierte.

Wie erwartet wurden die GP-Stars am Rennsonntag in Baku von starken Windböen begrüsst. Und die Meteorologen warnten: Auch während des vierten Saisonlaufs war mit bis zu 75 km/h starken Böen zu rechnen. Das bescherte zumindest Mercedes-F1-Aufsichtsratschef Niki Lauda keine Kopfzerbrechen.

«Der Wind ist doch für alle gleich, man kann auch nicht vorhersehen, ob da ein Windstoss kommen wird, deshalb bleibt dir als Fahrer nichts Anderes übrig, als darauf zu reagieren und das zu korrigieren. Mehr kann man da nicht machen. Aber ich denke sowieso, dass das hier zwischen den Häuserschluchten nicht so ein grosses Problem sein sollte», erklärte der dreifache Weltmeister im ORF-Interview.

Keine Sorgen machte er sich auch angesichts von Ferrari-Konkurrent Kimi Räikkönen, der vom sechsten Startplatz auf den ultraweichen Reifen losfahren durfte. «Ich glaube, er ist überhaupt keine Gefahr für uns, er wird sich eine sehr schnelle Safety-Car-Phase in den ersten drei Runden wünschen, denn dann muss er neue Reifen holen», winkte Lauda auf Nachfrage ab.

Crash von Kimi Räikkönen und Esteban Ocon

Das Wetter beschäftigte Lewis Hamilton dennoch bereits auf der Aufwärmrunde. Der Mercedes-Pilot, der vom zweiten Startplatz losfahren darf, funkte: «Die Sonne ist rausgekommen, es wird also wärmer als erwartet.» Beim Start reihte er sich hinter Pole-Setter Sebastian Vettel ein. Weiter hinten krachte es – weshalb die frühe Safety-Car-Phase, die sich Kimi gewünscht haben mag, auch eintrat.

Der Finne musste denn auch an die Box abbiegen, weil er bereits in der dritten Kurve mit Esteban Ocon kollidierte. Der Force India-Pilot hatte den Iceman gerade überholt. «Er liess ihm aber nicht genug Zeit», erklärte Ex-GP-Pilot und ORF-Experte Alex Wurz trocken.

Auch für Sergey Sirotkin war das Rennen gelaufen, er geriet mit Fernando Alonso zusammen, der nach dem Crash mit beschädigtem rechtem Vorderrad und fehlendem rechten Hinterrad an die Box zurückschleichen. Der Russe schubste zuerst noch Sergio Pérez an, der sich seinerseits auch einen neuen Frontflügel an der Box abholte.

Obwohl der Crash auch einen Schaden am Unterboden von Alonso verursachte, fuhr der Asturier mit viel Wut im Bauch weiter. «Unglaublich», schimpfte der zweifache Weltmeister. «Du passt in der ersten und zweiten Kurve auf und dann krachen sie in dich hinein!»

Hinter dem Safety-Car hatten sich Vettel, Hamilton, Bottas, Daniel Ricciardo, Max Verstappen, Carlos Sainz, Lance Stroll, Nico Hülkenberg, Pierre Gasly, Charles Leclerc, Stoffel Vandoorne, Räikkönen, Brendon Hartley, Romain Grosjean, Sergio Pérez, Kevin Magnussen, Fernando Alonso und Marcus Ericsson ein.

Max Verstappen mit Problemen

Beim Restart konnte sich erst Magnussen an Pérez vorbeischieben und kurz darauf schaffte es auch Verstappen in der zweiten Kurve an Ricciardo vorbei. Der Australier musste zurückstecken, um einen Unfall zu vermeiden, und verlor dadurch so viel Schwung, dass er auch hinter Sainz zurückfiel. Der Spanier – davon angestachelt – nahm daraufhin Verstappen ins Visier und lieferte sich einen beachtlichen Zweikampf mit dem 20-Jährigen.

Erst kämpfte sich Verstappen zurück, doch in Runde 8 schaffte es der Renault-Pilot schliesslich am Niederländer vorbei. Auch sein Teamkollege Hülkenberg arbeitete sich nach vorne, er schnappte sich die siebte Position von Gasly und war damit direkt hinter Ricciardo unterwegs. Auch der Australier hatte keine Chance gegen den Deutschen, der sich kurz darauf die sechste Position schnappte.

Verstappen klagte derweil über Batterie-Probleme, die ihn dermassen einreisten, dass auch Hülkenberg am Red Bull Racing-Renner vorbeikommen konnte. So waren die Renault-Piloten Sainz und Hülkenberg hinter Leader Vettel und den beiden Silberpfeilen von Hamilton und Bottas auf den Positionen 4 und 5 unterwegs.

Lange durfte sich Renault-Sport-Chef Cyril Abiteboul aber nicht freuen, denn Hülkenberg touchierte in der vierten Kurve mit dem linken Hinterrad die Wand und musste seinen Renner daraufhin abstellen. Verstappen kämpfte derweil mit seinem Teamkollegen Ricciardo, der ihm im Nacken sass. Hinter dem China-GP-Sieger kamen die Williams-Piloten, die ihr eigenes teaminternes Duell austrugen, immer näher.

Ricciardo wagte in der ersten Kurve einen Angriff, bei dem es zu einer Berührung kam, die zum Glück ohne Folgen blieb. Der sechsfache GP-Sieger erkundigte sich daraufhin bei seinem Renningenieur, wie er die Batterie laden könne. Offenbar kämpfte auch er mit dem Energiespeicher. Das war eine gute Nachricht für Charles Leclerc. Der Alfa Romeo-Sauber-Rookie hatte sich abseits der Öffentlichkeit bis auf den siebten Platz hinter Ricciardo vorgearbeitet und damit für strahlende Gesichter an der Boxenmauer der Schweizer gesorgt,

Strafen für Ericsson und Pérez

Freuen durfte sich auch Fernando Alonso, der trotz des Ärgers in der ersten Runde auf der zwölften Position unterwegs war. Der Spanier war eine Sekunde vor seinem Teamkollegen Vandoorne unterwegs. In Runde 16 erlöste Sainz den hinter ihm versauernden Verstappen und bog an die Box ab, um sich weiche Reifen zu holen. Der Spanier kam hinter den McLAren-Piloten auf Position 13 wieder auf die Piste, während Räikkönen den Ferrari-Junior Leclerc auf Position 7 verwies.

An der Spitze hatte sich Vettel schon wieder abgesetzt, sein Vorsprung auf Hamilton betrug in Runde 17 bereits 4,8 sec. Hamilton beschwerte sich denn auch am Boxenfunk: «Es ist sehr schwierig, diese Reifen aufzuwärmen.» Die Rennleitung meldete währenddessen, dass man den Crash zwischen Ocon und Räikkönen nach dem Rennen untersuchen wolle.

Die ersten blauen Flaggen wurden für Marcus Ericsson gezeigt. Der Sauber-Pilot musste in der dritten Kurve den Notausgang nutzen und fiel dadurch auf den 16. und damit letzten Platz zurück. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, meldete der Schwede, der in der zweiten Kurve mit Magnussen aneinander geraten war, auch noch Vibrationen.

«Da hat er sich wohl die Reifen ruiniert», analysierte Ex-GP-Pilot Paul di Resta. Für Ericsson kam es noch dicker, der Blondschopf musste eine 10-Sekunden-Zeitstrafe hinnehmen, weil die Regelhüter nach Durchsicht der Video-Aufnahmen befanden, dass er den Crash mit Magnussen verursacht hatte.

An der Spitze verkürzte Hamilton den Rückstand auf den Leader durch einige schnelle Umläufe auf vier Sekunden, doch dann vertat er sich in der ersten Kurve und steuerte daraufhin die Box an, da seine Reifen nach dem dicken Verbremser nicht mehr zu gebrauchen waren. Durch den Stopp, bei dem er sich die weichen Reifen aufziehen liess, fiel der Champion hinter seinen Teamkollegen Bottas zurück.

Weiter hinten ihm Feld verschaffte sich Sainz einen Motivationsschub, indem er an seinem früheren Idol Fernando Alonso auf Position 11 vorbeizog. Weniger gut lief es für Pérez, der eine 5-Sekunden-Zeitstrafe kassierte, weil er vor der Safety-Car-Linie überholt hatte, als das Feld wieder losbrausen durfte.

Ricciardo und Verstappen sorgen für Action

Hamilton hatte derweil alle Hände voll zu tun, den hinter ihm drängenden Verstappen auf Abstand zu halten. Der Brite hatte offenbar Mühe, seine Reifen auf Temperatur zu bringen. Der stürmische Niederländer wurde von seinem Team ermahnt, keine Dummheiten anzustellen, sollte er einen Angriff wagen. Die Warnung kommt angesichts der jüngsten Rennzwischenfälle nicht zu unrecht.

Zunächst musste sich Verstappen aber mit seinem Teamkollegen befassen, der einen erfolgreichen Angriff startete, allerdings gleich darauf Platz machen musste, weil sich sein Stallgefährte gleich wieder nach vorne schob. «Als Team müsste man hier an das Gesamtergebnis denken, es ist nicht schlau, dass die Teamkollegen sich hier bekämpfen», erklärte Di Resta.

In Umlauf 30 hatte Vettel seinen Vorsprung auf Bottas auf mehr als neun Sekunden vergrössert, als er schliesslich an die Box abbog. Dort leistete die Mannschaft aus Maranello ganze Arbeit und schaffte den Reifenwechsel in 2,3 sec, sodass Vettel hinter Bottas – der zu diesem Zeitpunkt noch an die Box abbiegen musste – wieder auf die Strecke kam. Der Finne war immer noch auf jenen superweichen Reifen unterwegs, auf denen er seine schnellste Q2-Runde gedreht hatte.

Ricciardo schaffte es in der 35. Runde endlich an Verstappen vorbei – es war der dritte Versuch des Australiers, den vor ihm fahrenden Stallgefährten zu überholen. Diesmal knallte er vor der zweiten Kurve auch schnell genug die Tür zu, sodass sein Nebenmann nicht mehr kontern konnte. Beide waren wie Leader Bottas noch nicht an die Box abgebogen – alle anderen Fahrer, die noch im Rennen waren, hatten ihren Reifenwechsel absolviert.

Der Erste des Trios, der die Box ansteuerte, war Ricciardo, der 2,2 sec ausharren musste, bevor er weiterfahren durfte. Durch den Stopp geriet er wieder hinter seinen Teamkollegen. 14 Runden vor dem Ende entschied er sich für die ultraweichen Reifen. Gleich danach holte sich Verstappen die weichsten Gummis an der Box ab. Der Niederländer musste sich 2,4 sec gedulden, bevor es weiterging, dennoch schaffte er es vor Ricciardo auf die Piste, weil dieser keine gute Outlap erwischt hatte.

Crash von Red Bull Racing-Duo & Grosjean

In der Folge sorgten die beiden Red Bull Racing-Piloten für Action, da Ricciardo seinem Teamkollegen am Ende der Hauptgeraden ins Heck krachte. Während sich der Rest des Feldes einmal mehr hinter dem Safety-Car einreihte, diskutierten die Experten über die Schuldfrage.

«Diese Angelegenheit wird sicherlich vor den Regelhütern landen», prophezeite etwa Sky-Experte Paul di Resta. «Da hat sich Verstappen etwas zu hart in der Bremszone verteidigt.» Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner erklärte sichtlich verärgert: «Ich habe nichts zu sagen, bevor ich mit den Fahrern gesprochen habe.»

Die Top-4 nutzte die Safety-Car-Phase, um an die Box abzubiegen, wobei alle auf ultraweiche Reifen setzten. Auch nach den Stopps führte Bottas das Feld an und Vettel wunderte sich: «Wie kann er vor uns bleiben?» Sein Ingenieur erklärte ihm, dass die Safety-Car-Phase dem Mercedes-Kontrahenten, der schon davor in Führung lag, in die Hände gespielt habe.

Für Romain Grosjean kam es noch schlimmer, der Genfer steuerte seinen Haas-Boliden während der Safety-Car-Phase auf Position 6 liegend beim Reifenaufwärmen in die Mauer. «Das ist etwas vom Schlimmsten, was dir passieren kann», erklärte Wurz kopfschüttelnd. Der GP-Pilot wurde sicherheitshalber ins Streckenkrankenhaus gebracht, allerdings meldete die Rennleitung gleich, dass es ihm gut gehe.

Durch den neuerlichen Ausfall blieb das Safety-Car noch länger au der Strecke und Magnussen durfte sich bei seinem Teamkollegen bedanken, weil er durch den Unfall auf Position 10 vorrückte. An der Spitze führte immer noch Bottas das Feld vor Vettel, Hamilton, Räikkönen, Pérez, Sainz, Leclerc, Stroll und Alonso an. Gasly, Hartley, Vandoorne und Ericsson folgten auf den weiteren Plätzen.

Zum Ende der 47. Runde bog Bernd Mayländer schliesslich wieder an die Box ab und Vettel griff Bottas gleich an, verbremste sich dabei aber derart, dass er nicht nur hinter Lewis Hamilton, sondern auch hinter seinem Teamkollegen Räikkönen zurückfiel. In Runde 49 hatte Valtteri Bottas eine bittere Pille zu schlucken, denn sein rechter Hinterreifen platzte auf der letzten Geraden, nachdem er ein Trümmerteil überfuhr. Dadurch fiel der Finne aus.

So kam es, dass am Ende Lewis Hamilton über den Sieg jubeln durfte. Der Brite gewann das Rennen vor Räikkönen und Pérez. Hinter den Podeststürmern kamen Vettel, Sainz, Leclerc, Alonso, Stroll, Vandoorne, Hartley, Ericsson Gasly, und Magnussen ins Ziel.

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