Aerodynamik: Gründe für Überhol-Misere in Barcelona

Von Rob La Salle
Probestarts in Barcelona bei den Wintertests: So nahe kommen sich die Autos selten

Probestarts in Barcelona bei den Wintertests: So nahe kommen sich die Autos selten

​Nach wahren Thrillern in Bahrain, China und Aserbaidschan könnte ein etwas ruhigerer Grand Prix auf uns zukommen. Wir sagen, wieso das Überholen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya besonders knifflig ist.

Unsere Statistik hat gezeigt: Von 27 Formel-1-WM-Läufen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya wurden 24 aus der ersten Startreihe gewonnen, 19 von der Pole-Position. Das sind klar höhere Werte als beim Strassen-GP-Klassiker von Monte Carlo. Aber wieso haben die Piloten auf der katalanischen Rennstrecke so enorme Probleme, sich an den Gegnern vorbei zu kämpfen? Hier einige Antworten.

Der Circuit de Barcelona-Catalunya gilt als Referenzstrecke für die Aerodynamik. Der Kurs weist eine gute Mischung aus verschiedenen Streckencharakteristiken auf. Dazu gehören langsame, mittelschnelle und schnelle Kurven sowie zwei Geraden mit Geschwindigkeiten von mehr als 300 km/h. Dieser Verlauf macht den Kurs zu einer hervorragenden Messlatte, da die Teams darauf lernen, wie ihr Auto sich bei vielen unterschiedlichen Situationen verhält, wie gut die Balance ist und wie das Auto mit den Reifen umgeht.

Eine weitere Rolle spielt die lange Testgeschichte in Barcelona, da die Teams die Strecke bis auf den letzten Grashalm kennen und ihre Erkenntnisse in Spanien auf andere Strecken übertragen können. In diesem Jahr stellt dies jedoch eine kleine Herausforderung dar, da die Wetterbedingungen bei den Wintertestfahrten ungewöhnlich kalt waren. Eine weitere Herausforderung ist, dass die Strecke über den Winter neu asphaltiert wurde und nun einen viel glatteren Asphalt aufweist. Dadurch fallen Vergleiche mit früheren Jahren erheblich schwerer.

Aber warum ist nun das Überholen in Barcelona so schwierig? Die beste Überholstelle bietet sich am Ende der Zielgeraden in Kurve 1. Allerdings gilt es dabei zu beachten, dass die schnelle Kurve (Kurve 16), die auf die Zielgerade führt, aerodynamisch kritisch ist. Das hinterherfahrende Auto verliert dort viel Abtrieb und dadurch auch verhältnismässig viel Grip. Dadurch ist es schwierig, nach Kurve 16 nah an das vorherfahrende Auto heranzukommen. Entsprechend sinken die Überholchancen auf der 1047 Meter langen Geraden.

Selbst wenn ein Auto auf der Geraden neben ein anderes fahren kann, gibt es in der ersten Kurve keine klare zweite Linie, auf der es angreifen könnte. Ähnlich verhält es sich auf der kürzeren Gegengeraden. Obwohl die Kurve nach der Geraden (Kurve 10) langsam durchfahren wird, muss beachtet werden, dass davor die schnelle Kurve 9 liegt. Dadurch ist es für das hinterherfahrende Auto sehr schwierig, dem Vordermann zu folgen und auf der Geraden zu attackieren.
 
Die Überholmisere liegt zu gleichen Teilen am Pistenlayout und an den modernen GP-Rennern. Es ist grundsätzlich schwierig, hinter einem Formel-1-Auto herzufahren, da dieses so viel Abtrieb aufbaut. Die Wirbel, die ein Auto erzeugt, nehmen mit dem vorhandenen Luftwiderstand zu. Das führt zu einem anteiligen Verlust an Staudruck (die Luftgeschwindigkeit, die auf das hintere Auto trifft), der wiederum zu einem Verlust an Abtrieb beim hinterherfahrenden Fahrzeug führt. Die Menge an Downforce, die das hintere Auto verliert, verhält sich proportional zum Verlust an Staudruck sowie dem Gesamtabtrieb des Fahrzeugs.

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies: Je mehr Abtrieb die Autos haben, desto mehr verlieren sie. Auf einer Geraden führt dies zu einem grösseren Windschatten, wodurch ein Auto einfacher neben das vorausfahrende Auto ziehen kann. In einer mittelschnellen oder schnellen Kurve bedeutet es jedoch, dass das hintere Auto an Abtrieb und damit an Grip einbüsst. Auf einer Strecke wie in Baku, mit einer sehr langen Geraden und einer relativ langsamen ersten Kurve, fällt das Überholen dann verhältnismässig unkompliziert aus. Die speziellen Streckencharakteristiken in Barcelona erschweren das Überholen hingegen.

Das so genannte «drag reduction system» (DRS) hat einen enormen Einfluss auf das Überholen. Die Autos haben dadurch noch viel Abtrieb in der Kurve, verlieren aber auch viel Luftwiderstand auf der Geraden. Das bringt dem hinteren Auto zwei Vorteile, da es sowohl vom Windschatten als auch der Tatsache profitiert, dass es auf der Geraden einen Teil des eigenen Luftwiderstands verliert, was wiederum zu einer besseren Beschleunigung und einer höheren Endgeschwindigkeit führt. Auf einer Strecke wie in Barcelona ist der verstellbare Heckflügel sehr wichtig für das Überholen, da es einige der Schwierigkeiten aufwiegen kann, die der Streckenverlauf bei Überholmanövern hervorruft.
 
Die neue Formel-1-Führung will attraktiveren Sport bieten. In der Saison 2019 wird es Änderungen am Aerodynamik-Reglement geben. Dazu gehören ein vereinfachter Frontflügel, eine vereinfachte Kühlbelüftung an den Vorderradbremsen und ein breiterer und tieferer Heckflügel. Diese Veränderungen sollen das Überholen vereinfachen. Zu diesem frühen Zeitpunkt ist es schwer zu sagen, wie gross die Auswirkungen auf die Überholmanöver und die Leistungsfähigkeit der Autos sein werden.

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