Timo Glock: Mit Sebastian Vettel beim Seelenklempner?

Von Andreas Reiners
Neue Lockerheit: Timo Glock und Sebastian Vettel

Neue Lockerheit: Timo Glock und Sebastian Vettel

DTM-Pilot Glock und Ferrari-Star Vettel sind gut befreundet. Beide fahren um den Titel mit, und beide sind auffallend gelassen in diesem Jahr. Ein Gespräch über Emotionen.

Sebastian Vettel beschwerte sich am Funk, als er seine schnelle Runde abbrechen musste. Drei Fahrer tuckerten da auf der Geraden mit 80 km/h herum. «Das ist lächerlich, was die da machen», wetterte der Ferrari-Star. Das tat er aber mit einer gewissen Gelassenheit in der Stimme, die vielleicht früher so nicht da war, als er über Blaue Flaggen oder Behinderungen aller Art meckerte. Wenig später düpierte er die Konkurrenz mit der Pole-Zeit. Ablenken lässt er sich von solchen Ärgernissen nicht mehr.

Es ist diese neue Gelassenheit, die Vettel in diesem Jahr auszeichnet. Keine Ausraster, keine emotionalen Fehltritte, stattdessen spricht Vettel die Probleme an, wenn es denn mal welche gibt. Mit einem Grundvertrauen in sein Team und seine Fähigkeiten.

Doch muss man als Rennfahrer nicht auch mal ausrasten können? Vettel ist sich nicht sicher. «Ich glaube, das Ausrasten wird in unserer heutigen Zeit nicht mehr verziehen», meinte er im dpa-Interview. Er denkt da zum Beispiel an Fußball, an Spieler, die nach dem Spiel gerne mal verbal ausfallend geworden sind, ihre Meinung gesagt, ihre Emotionen auch vor dem Mikrofon ausgelebt haben. Das erlebt man nur noch selten. Heute gibt es zu 98 Prozent PR-Gewäsch. Vettel: «Heute wird einem gar nicht mehr die Möglichkeit gegeben, so etwas auszuleben. Nicht, dass es richtig oder falsch ist. Ich glaube, heute wird es zu sehr zerrissen und hochgepusht.»

DTM-Star Timo Glock stimmt Vettel in dem Punkt zu. «Das ist so. Ihr wartet ja auf so etwas. Und es wird oft negativ dargestellt», sagt der RTL-Experte im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Wenn du Dinge sagst, die aus der Emotion heraus entstehen, die bekommst du oft um die Ohren gehauen. Wie man es macht, ist es falsch. Man beschwert sich, wenn es keine Emotionen gibt. Wenn man Emotionen zeigt, ist es auch nicht gut.»

Vor allem nicht gut für die Außendarstellung der Arbeitgeber, ob nun BMW, Mercedes oder Ferrari. Denkt man zumindest. Glock weiß aber: «Da denkt ansatzweise kein einziger Fan drüber nach. Es ist genau andersherum. Die nehmen das nicht negativ auf, die sagen: "Endlich mal einer, der Emotionen zeigt".»

Aber klar: Hersteller und Fans haben unterschiedliche Ansätze. Sagt ein Fahrer wie Glock nach seinem Zweikampf mit Gary Paffett beim Saisonauftakt neunmal «Fuck» und feuert eine emotionale Salve ab, wird er von den Fans gefeiert. Zurecht. In dem speziellen Fall wird BMW genauso gefeiert haben. Wird das F-Wort aber als emotionales Schimpfwort genutzt, sieht das schon wieder anders aus, da verstehen die Hersteller nicht mehr so viel Spaß. Vettel weiß das. Wir erinnern uns da an die Schimpftirade in Mexiko 2016 gegen Charlie Whiting und Max Verstappen.

Es ist ein zweischneidiges Schwert, die Sache mit den Emotionen. Dass Glock die Worte nach der Zieldurchfahrt an Mercedes und den DTM-Ausstieg der Marke richtet («Ihr verdammten Idioten»), überlegte er sich auf der letzten Runde, wenn auch eine Version mit weniger F-Wörtern, als es letztlich waren.

Doch natürlich entstehen Emotionen grundsätzlich aus der Situation heraus, sind nicht planbar, sind spontan. Wie 2017 in Zandvoort, als er seinen Konkurrenten Edoardo Mortara nach einer Behinderung im Qualifying beschimpfte, den Mittelfinger zeigte. So etwas will Glock eigentlich zurückfahren. Auch weil er damals im Qualifying disqualifiziert wurde und im Titelkampf entscheidend Boden verlor.

Doch geht das überhaupt? Kann man das Emotionalität steuern? «Ich kann dir nicht garantieren, dass das funktioniert», sagt Glock: «Du musst aber als Fahrer offen zu dir selbst sein und dich fragen: „Was hat mir die Nummer am Ende gebracht? Was kann ich in Zukunft anders machen, dass ich nicht mehr so bestraft werde wie damals?“»

Dabei geht es auch um ganz viele Kleinigkeiten, die stören, ablenken. «Diese kleinen Dinge, mit denen man sich zu lange beschäftigt, haben dann manchmal einen großen Einfluss auf den restlichen Tag und Konsequenzen für die eigene Leistung», so Glock. Geht man die Dinge entspannter an, verlaufen auch die Sessions oder die Rennen entspannter. «Du bist im Kopf nicht da. Du musst die Dinge ausblenden, nicht mehr darüber nachdenken. Man kann es sowieso nicht mehr ändern. Im Winter habe ich in der Hinsicht viel mit mir selbst ausgemacht und überlegt, was ich anders machen kann. Und momentan scheint es sehr gut zu funktionieren», so Glock.

So gut wie bei Vettel. Die beiden sind bekanntlich befreundet, beide sind emotional, haben beide einen anderen Ansatz in diesem Jahr. Ergebnis eines ausgedehnten Gesprächs unter Freunden?
«Nein, gesprochen haben wir nicht darüber. Aber wir hatten eine ähnliche Situation», sagte Glock. Vettels Zandvoort war im vergangenen Jahr der Rammstoß in Baku gegen Lewis Hamilton.

«Wir waren nicht beim gleichen Seelenklempner», lacht Glock: «Wir haben da wohl einfach die gleiche Herangehensweise.» Die ganz offensichtlich funktioniert, denn beide fahren um den Titel mit. Und klar: Ein gutes Auto ist ganz am Ende ein wichtiges Puzzleteil. Läuft es, macht auch das deutlich gelassener.

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