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History: Debüt von Gilles Villeneuve – für McLaren!

Von Mathias Brunner
​Bis heute haben die Fans das Fahrgenie Gilles Villeneuve nicht vergessen. Der Franko-Kanadier wird fest mit Ferrari verbunden. Was viele vergessen – Villeneuve gab 1977 sein GP-Debüt in einem McLaren!

16. Juli 1977, Grosser Preis von Grossbritannien: Renault debütiert in der Formel 1 mit einem knallgelben Turbo-Rennwagen. Und ein gewisser Gilles Villeneuve debütiert in der Formel 1. Der Kanadier wird bis heute im gleichen Atemzug mit Ferrari genannt, aber seinen ersten WM-Lauf bestritt der kleine, grosse Mann für McLaren!

Kurios: Als McLaren und Ferrari auf das Talent von Villeneuve aufmerksam wurden, war Gilles schon 27 Jahre alt – in dem Alter sind einige Fahrer der GP-Moderne schon längst aussortiert worden! Also machte sich Villeneuve einfach zwei Jahre jünger und schummelte mit seinem wahren Geburtsdatum. Die Sorge von Villeneuve, vielleicht aufgrund seines Alters keinen Platz zu finden, war unbegründet: Seine Begabung war so atemraubend, dass sich niemand für das wahre Alter von Gilles interessierte.

Chris Amon und James Hunt hatten Villeneuve in Kanada fahren sehen, ihr Urteil war deckungsgleich: «Dieser Mann ist ein kommender Weltmeister und muss sofort unter Vertrag genommen werden!» Aber der damalige McLaren-Teamchef Teddy Mayer schwankte zwischen Patrick Tambay und Villeneuve.

Der langjährige McLaren-Teammanager Alastair Caldwell erzählte meinem Kollegen Károly Méhes: «Eigentlich wollten wir Villeneuve am Ende des Jahres in Kanada und in den USA fahren lassen. Das war damals gängig, zum Schluss der WM ging es weniger Druck. Villeneuve stand postwendend in der Fabrik. Wir haben ihm alles gezeigt und wussten nach kurzer Zeit – das ist genau ein Fahrer nach unserem Gusto. Er war schlau, direkt, er liebte ganz offensichtlich Rennautos, sein Talent war offensichtlich.»

McLaren setzte daraufhin für den britischen Grand Prix einen dritten McLaren für Villeneuve ein. Caldwell: «Sein Interesse war so brennend, dass wir nicht bis zu den letzten Rennen des Jahres warten wollten. Beim Heimrennen drei Autos einzusetzen, das war in Sachen Logistik einfacher. Er hat sich im Training in so gut wie jeder Kurve gedreht, vielleicht mit Ausnahme von Abbey. Als wir ihn darauf ansprachen, meinte er: „Aber ich muss doch das Limit in jeder Kurve herausfinden.“ Wir fanden das mit der Dreherorgie übrigens erst heraus, als es uns Journalisten erzählten. Er war nach jedem Dreher einfach weitergefahren und hatte kaum Zeit verloren.»

«Das Wochenende verlief prima. Leider gab es einen Temperaturmesser, der schadhaft war. Gilles kam wegen angeblich zu hoher Motortemperaturen an die Box. Dort merkten wir, dass mit dem Motor alles in Ordnung war. Also ging er wieder auf die Bahn. Er hätte an jenem Tag locker Punkte geholt, es sollte nicht sein. Er wurde noch Elfter.»

Wieso blieb Villeneuve nicht bei McLaren? Caldwell: «Marlboro wollte in unserem Auto einen europäischen Piloten sehen. Dann erhielt er von Enzo Ferrari ein Angebot als Vollzeitpilot, und Teddy Mayer empfahl ihm, diese Offerte anzunehmen. Mayer war davon überzeugt, dass Ferrari bald die Geduld mit Villeneuve ausgehen würde und Gilles dann wieder bei uns auf der Matte steht. Leider ist das nie passiert.»

«Ich habe es immer bedauert, dass wir ihn haben ziehen lassen. Ich war immer überzeugt – wir hätten ihn so in Ruhe reifen lassen, dass er mit McLaren Fahrerweltmeister geworden wäre.»

Das Schicksal wollte es anders: Villeneuve ging zu Ferrari, und er starb in einem Ferrari, am 8. Mai 1982 im Training zum Grossen Preis von Belgien in Zolder.

Grand-Prix-Sieger Johnny Herbert sagt: «Für mich war er der Grösste. Ihn interessierte nur eines – auf die Rennbahn hinausfahren und von allen der Schnellste sein. In jeder Runde. Ich hatte immer den Eindruck, Siege oder gar ein WM-Titel waren für ihn zweitrangig. Er wollte einfach nur die Gegner in Grund und Boden fahren.»

Der Kanadier wollte in Belgien die Quali-Zeit seines verhassten Ferrari-Stallgefährten Didier Pironi unterbieten, Gilles lief auf den March von Jochen Mass auf, der Deutsche zackte zur Seite, um Platz zu machen, aber diese Linie hatte bereits Villeneuve gewählt. Das Unvermeidliche geschah.

Ein grosses Kämpferherz hörte auf zu schlagen.

An diesen Tag kann sich Jacques Villeneuve (heute 47) noch gut erinnern. Villeneuve junior, als Formel-1-Experte noch immer in den GP-Fahrerlagern anzutreffen, hat erreicht, was dem Vater verwehrt geblieben ist: Jacques wurde 1997 Formel-1-Weltmeister.

An jenem unglückseligen Samstag durfte sich der junge Jacques zu seiner eigenen Überraschung ein Videospiel aussuchen, weil seine Mutter dem Drängeln vor dem entsprechenden Geschäft nachgab. Der damals Elfjährige kam strahlend nach Hause, doch bald darauf klingelte das Telefon. Seine Mutter ging ran, und Jacques erinnert sich gegenüber CNN: «Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.»

«Als er starb, übernahm ich die Rolle des Mannes im Haus, und das gab mir die Kraft und Stärke, die mich später zu jenem Rennfahrer gemacht hat, der ich geworden bin. Auf traurige Art und Weise war es also förderlich für mich, dass mein Vater gestorben ist. Ich hatte ihn damals schon etwa zwei Jahre lang kaum zu Gesicht bekommen. In dieser Zeit war er faktisch kein Vater. Ich lebte eineinhalb Jahre lang auch nicht zuhause, sondern in den Bergen bei Freunden, weil ich dort auch zur Schule ging.»

«Es herrschte damals kein klassisches Familienleben mehr bei uns, er verschwand jeweils für zwei Monate. Und wenn er zurückkehrte, war er auch nicht wirklich da, denn er kam nach Hause, um auf seinem Boot zu spielen. Es war auch jene Generation, in der die Töchter sehr viel beliebter waren als die Söhne, alles war also irgendwie eigenartig.»

Trotzdem schaute er zu seinem Vater auf. Villeneuve erklärt: «Er war mein Held. Aber irgend etwas lief auch falsch, und darauf bin ich nur gekommen, weil meine Mutter und andere Leute mir davon erzählt haben. Nach seinem Tod war es natürlich schwierig, die ersten beiden Wochen waren wirklich hart, denn plötzlich sieht man: Okay, es wird nie mehr wie vorher sein, jemand ist unwiderruflich weg. Vor allem, wenn dieser Jemand ein Mensch ist, zu dem man aufschaut.»

Die Faszination für den Mann mit dem scheinbar grenzenlosen Mut ist ungebrochen, selbst 35 Jahre nach seinem Tod. In Italien wird er bis heute verehrt wie vor ihm nur Tazio Nuvolari, auch er ein Derwisch hinter dem Lenkrad.

Vielleicht gründet die Faszination der Fans auch darin, dass sie verstanden haben, was Johnny Herbert so formuliert: «Unvergessen, wie Villeneuve nach einem seiner zahlreichen Abflüge mit ramponiertem Ferrari weiterfuhr, ständig fielen Teile von seinem Ferrari ab, an die Box kam er mit einem veritablen Dreirad, die Mechaniker schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Gilles hat derweil gefordert, man möge ihm gefälligst frische Reifen geben, damit er weiterfahren könne. Er wusste überhaupt nicht, dass sein Auto so kaputt war. Gewiss gibt es erfolgreichere Rennfahrer, aber es hat bestimmt nie einen grösseren Racer gegeben als Gilles Villeneuve.»

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