Hockenheim: Michael Schumacher und seine Fans

Von Mathias Brunner
​​Die Formel-1-Grossmachten Grossbritannien und Deutschland sind in Hockenheim eher mager vertreten. Früher wäre das den Fans einerlei gewesen. Die meisten kamen ohnehin nur wegen ihm: Michael Schumacher.

Die Formel 1 ist in Sachen Länderaufteilung zu einem Flickenteppich geworden, nicht nur in Sachen Rennstrecken, sondern auch bei den Piloten. Vorbei die Zeiten, als Länder wie Grossbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland ein halbes Dutzend Fahrer oder mehr stellten. Im Startfeld 2018 kann nur die Fussball-Grossmacht Frankreich drei Grand-Prix-Piloten vorweisen (Esteban Ocon, Romain Grosjean und Pierre Gasly), Deutschland (Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg), Finnland (Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas) sowie Spanien (Fernando Alonso und Carlos Sainz) kommen auf je zwei.

Alle weiteren Länder sind mit je einem Piloten vertreten: Mexiko (Sergio Pérez), Dänemark (Kevin Magnussen), Belgien (Stoffel Vandoorne), Grossbritannien (Lewis Hamilton), Russland (Sergey Sirotkin), Australien (Daniel Ricciardo), Neuseeland (Brendon Hartley), die Niederlande (Max Verstappen), Schweden (Marcus Ericsson), Monaco (Charles Leclerc) sowie Kanada (Lance Stroll).

Viele Fans schnalzen mit der Zunge, wenn sie daran denken, wie viele Fahrer Deutschland früher im Einsatz hatte. Für die grosse Masse war das völlig wurscht, sie kamen ohnehin nur wegen ihres Idols Michael Schumacher.

Es waren die Zeiten, also die Campingplätze rund um den Hockenheimring und den Nürburgring brechend voll waren, als Tickets schneller verkauft wurden als die leckeren Wurstbrötchen und als zahlreiche Händler bisweilen schon am frühen Nachmittag die weisse Fahne hissen mussten: «Tut uns leid, das Bier ist alle.»

Es waren die Zeiten, als unsereins frühmorgens aufs Hockenheim-Gelände fuhr, links ein Mann aus dem Wald hervorbrach, nur mit einer Unterhose bekleidet, mit einer Bierbüchse in der rechten Hand und einer Kippe in der linken. Er brüllte heiser: «Schumiiiiiii!» Dann torkelte er wieder ins dichte Grün zurück. Ob er das Rennen miterlebt hat, entzieht sich meinen Kenntnissen.

Es waren die Zeiten, als am Abend nach einem Trainingstag betrunkene Fans auf mein Auto kletterten (nein, wirklich!), um bessere Sicht ins Wageninnere zu erhalten: Es hätte ja sein können, dass ein Promi drinsitzt, am Ende gar Michael Schumacher.

Ein Freund hat sich mal den Scherz erlaubt, die Scheibe herunterzukurbeln und hinaus zu rufen: «Zehn Autos hinter uns ist Michael Schumacher!» Abgesehen vielleicht von Usain Bolt habe ich noch nie Menschen so schnell laufen sehen.

Es war die Zeit, als Michael Schumacher bisweilen im Kofferraum eines Autos transportiert wurde, um den Fans zu entrinnen, die angesichts ihres Schumi ausser Rand und Band gerieten. Schumacher behalf sich mit einer Perücke und ging tanken. Der Tankwart verzog keine Miene. Als Schumi bezahlte, meinte er nur: «Auf Wiedersehen, Herr Schumacher.»

Michael Schumacher hat seine einheimischen Fans einige Male mit Grand-Prix-Siegen entzückt: 1995 in Hockenheim (noch im Benetton), auch auf dem Nürburgring (Grosser Preis von Europa), 2000 und 2001 erneut auf dem Nürburgring, 2002 und 2006 in Hockenheim, natürlich im Ferrari.

Jedes Mal, wenn Schumi ins Hockenheim fuhr, knallten Böller, die Menschen schrien und schwenkten Fahnen und liessen Sirenentröten gellen, man hat seinen eigenen Gedanken nicht mehr verstanden, eine einzige Emotionsexplosion aus Farben und Lärm, ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.

Aber Schumi war nicht in jedem seiner Einsatzjahre automatisch der erfolgreichste Deutsche, wie viele Fans bis heute überzeugt sind. Während seiner zweiten Karriere bei Mercedes wurde er drei Mal in Folge von Nico Rosberg geschlagen. 1997 wurde er von der FIA aus der Wertung geworfen – wegen der Kollision mit Jacques Villeneuve beim WM-Finale. 1999 verpasste er wegen des Beinbruchs von Silverstone einen Teil der Saison.

Letztmals weniger als drei deutsche Stammfahrer, das gab es beim WM-Auftakt 2017 – als Pascal Wehrlein seine Blessuren vom Race of Champions auskurieren musste. Davor aber zwölf Jahre lang nicht! Vor Australien und China 2017 müssen wir bis nach Indianapolis 2005 zurückgehen, als Ralf Schumacher nach dem ersten Training bei Toyota durch Ricardo Zonta ersetzt werden musste.

1996, also vor mehr als zwanzig Jahren, waren Heinz-Harald Frentzen und Michael Schumacher die einzigen beiden deutschen Piloten in der Formel-1-WM.

Wir haben eine kleine Übersicht zusammengestellt, aus welcher Sie auch die WM-Platzierungen der Deutschen in den letzten rund zwanzig Jahren sehen.

Die Deutschen in der Fahrer-WM, letzte 20 Jahre

2017: Sebastian Vettel (2.), Nico Hülkenberg (10.), Pascal Wehrlein (18.)

2016: Nico Rosberg (1.), Sebastian Vettel (4.), Nico Hülkenberg (9.), Pascal Wehrlein (19.)

2015: Nico Rosberg (2.), Sebastian Vettel (3.), Nico Hülkenberg (10.)

2014: Nico Rosberg (2.), Sebastian Vettel (5.), Nico Hülkenberg (9.), Adrian Sutil (18.), André Lotterer (24.)

2013: Sebastian Vettel (1.), Nico Rosberg (6.), Nico Hülkenberg (10.), Adrian Sutil (13.)

2012: Sebastian Vettel (1.), Nico Rosberg (9.), Nico Hülkenberg (11.), Michael Schumacher (13.), Timo Glock (20.)

2011: Sebastian Vettel (1.), Nico Rosberg (7.), Michael Schumacher (8.), Adrian Sutil (9.), Nick Heidfeld (11.), Timo Glock (25.)

2010: Sebastian Vettel (1.), Nico Rosberg (7.), Michael Schumacher (9.), Adrian Sutil (11.), Nico Hülkenberg (14.), Nick Heidfeld (18.), Timo Glock (25.)

2009: Sebastian Vettel (2.), Nico Rosberg (7.), Timo Glock (10.), Nick Heidfeld (13.), Adrian Sutil (17.)

2008: Nick Heidfeld (6.), Sebastian Vettel (8.), Timo Glock (10.), Nico Rosberg (13.), Adrian Sutil (20.)

2007: Nick Heidfeld (5.), Nico Rosberg (9.), Sebastian Vettel (14.), Ralf Schumacher (16.), Adrian Sutil (19.), Markus Winkelhock (26.)

2006: Michael Schumacher (2.), Nick Heidfeld (9.), Ralf Schumacher (10.), Nico Rosberg (17.),

2005: Michael Schumacher (3.), Ralf Schumacher (6.), Nick Heidfeld (11.)

2004: Michael Schumacher (1.), Ralf Schumacher (9.), Nick Heidfeld (18.), Timo Glock (19.)

2003: Michael Schumacher (1.), Ralf Schumacher (5.), Heinz-Harald Frentzen (11.), Nick Heidfeld (14.),

2002: Michael Schumacher (1.), Ralf Schumacher (4.), Nick Heidfeld (10.), Heinz-Harald Frentzen (18.)

2001: Michael Schumacher (1.), Ralf Schumacher (4.), Nick Heidfeld (8.), Heinz-Harald Frentzen (13.)

2000: Michael Schumacher (1.), Ralf Schumacher (5.), Heinz-Harald Frentzen (9.), Nick Heidfeld (20.)

1999: Heinz-Harald Frentzen (3.), Michael Schumacher (5.), Ralf Schumacher (6.),

1998: Michael Schumacher (2.), Heinz-Harald Frentzen (7.), Ralf Schumacher (10.)

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