Alain Prost: Renault-Budget verdoppeln bringt nichts

Von Rob La Salle
Alain Prost (Mitte) mit Renault-Teamchef Abiteboul (links) und Renault-Sport-Präsident Stoll (rechts)

Alain Prost (Mitte) mit Renault-Teamchef Abiteboul (links) und Renault-Sport-Präsident Stoll (rechts)

​Renault-Sonderberater Alain Prost (63) über die schwierige Aufgabe, Renault wieder fit zu machen für einen WM-Titel. «Am Geld liegt’s nicht, aber das Budget einfach zu verdoppeln, bringt nichts.»

Vor fast neun Jahren wurde aus Renault Lotus: Im Dezember 2009 hatte Renault zunächst 75 Prozent der Teamanteile an das Luxemburger Unternehmen Genii Capital verkauft und zog sich aus dem operativen Geschäft zurück. Renault hatte durch die so genannte Singapur-Affäre (Nelson Piquet fuhr beim ersten Nacht-GP im Stadtstaat 2008 absichtlich in die Wand, Stallgefährte Alonso gewann) einen erheblichen Image-Schaden erlitten, zudem gab es wirtschaftliche Sachzwänge. Später übernahm Genii Capital den Rennstall ganz. Renault blieb der Formel 1 als Motorhersteller erhalten und wurde von 2010 bis 2013 mit Red Bull Racing vier Mal in Folge Weltmeister. Doch als Werksteam hatten die Franzosen «au revoir» gesagt.

In der Zeit von Lotus (das mit dem einstigen Team von Colin Chapman nichts zu tun hatte) verliessen viele Mitarbeiter den Rennstall. Das Geld wurde knapp, das hatte Auswirkungen auf Infrastruktur und Konkurrenzfähigkeit. Im Sommer 2015 klopften die Gerichtsvollzieher an, Lotus stand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Hätte Renault das Team nicht zurückgekauft, wären in Enstone wohl die Lichter ausgegangen.

Das Werksgelände von Enstone ist seit der Rückkehr von Renault als Werksrennstall kaum mehr zu erkennen: Renault hat gewaltig zugelegt, das Personal wurde in drei Jahren fast verdoppelt. Renault-Teamchef Cyril Abiteboul sieht sich im Fahrplan: 2016 und 2017 Infrastruktur aufbauen, 2018 in den Windschatten der Top-Teams aufschliessen, als «best of the rest», 2019 Podestplätze einfahren, 2020 regelmässig gewinnen, spätestens 2021 soll der WM-Titel her.

Aber die Welt dreht sich nicht nach Idealvorstellungen von Konzernchefs wie Renault-Boss Carlos Ghosn und seinem Teamchef Abiteboul. Unsere Aufstellung aus dem Konstrukteurs-Pokal der vergangenen zwanzig Jahre (ganz unten) zeigt – ein Rennstall schiesst selten aus dem Mittelfeld mir nichts, dir nichts an die Spitze, schon gar nicht dann, wenn das Reglement weitgehend stabil bleibt. Erfolg und Misserfolg verlaufen zyklisch. Nur bei umfangreich neuem Reglement wurde das Kräfteverhältnis dramatisch verändert – etwa beim Schritt in die neue Turbo-Ära, als Mercedes-Benz die Hausaufgaben mit Abstand am besten gelöst hatte. Mercedes löste Red Bull Racing als Dauer-Weltmeister ab.

Ausreisser finden wir auch, wenn ein Rennstall einen technischen Vorteil erlangt hat – wie BrawnGP zur Saison 2009 hin. Honda zog sich auf Ende 2008 zurück, die Entwicklung des 2009er Modells hatte fast ein Jahr gedauert, zudem wurde der geniale Kniff des Doppeldiffusors optimal umgesetzt. Jenson Button setzte zu einer Siegesserie an, die einen so grossen WM-Vorsprung erzeugte, dass scheinbar aus dem Nichts Weltmeister wurde. BrawnGP profitierte auch von neuen Aerodynamik-Regeln, für die sie am längsten tüfteln konnten, weil die Entwicklung des jämmerlichen 2008er Modells früh eingestellt wurde. Nicht zu vergessen, dass sich ein Teil der Gegner mit der neu eingeführten, kinetischen Energierückgewinnung schwertat.

Renault träumt von der Rückkehr zu glorreichen Jahren wie 2005 und 2006, als Fernando Alonso den WM-Titel einfuhr und zwei Mal der Konstrukteurs-Pokal gewonnen werden konnte. Doch Superstar Alonso und sein Team profitierten damals von einem besonderen Reglement: Die Reifen mussten ein Rennen lang halten, Michelin lieferte vorzüglichen Gummi. 2006, im ersten Jahr der neuen V8-Motorgeneration, hielt die Überlegenheit von Renault so lange an, wie der Massedämpfer erlaubt war.

Renault zurück an die Spitze zu führen, das ist genau jene Sorte von Herausforderung, für die ein Mann wie Alain Prost lebt. Der vierfache Formel-1-Champion, für einen 63-Jährigen unfassbar fit, sagt im britischen «Guardian»: «Wenn ich heute zu Mercedes gehen würde, die an der Spitze liegen, dann hätte das für mich nicht den gleichen Reiz. Es ist in der modernen Formel 1 ganz schwierig, die besten drei Rennställe zu gefährden, das stachelt mich an.»

«Grundsätzlich mussten wir uns die Frage stellen: Was wollen wir überhaupt? Wollen wir im fünften Jahr den Titel einfahren und dann den Sport verlassen, weil wir unser Ziel erreicht haben? Oder wollen wir in Ruhe einen Rennstall aufbauen, um jahrelang ein Top-Team zu sein? Das interessierte mich eher. Ich denke langfristig. Wenn wir uns in Erinnerung rufen, wie die Strukturen der besten Teams aussehen, dann braucht das alles Zeit; vielleicht ein wenig mehr Zeit als wir denken.»

«Wir geben kein Geld aus, wenn wir nicht der Überzeugung sind – das ist es wert. Mercedes und Ferrari haben vielleicht eine andere Philosophie. Am Geld liegt es nicht, aber das Budget einfach zu verdoppeln, bringt nichts. Wir müssen mit Bedacht wachsen.»

«Daniel Ricciardo ist einer der teureren Piloten im Feld. Aber wir fanden: Er ist der richtige Mann, um uns weiter zu bringen, also ist er uns diese Investition wert. Wir haben zwei Top-Piloten. Und sie sind Renault-Fahrer, keine Verbindung zu Red Bull oder Mercedes. Wir wollen auch gegen innen und aussen das Signal setzen – wir sind bereit, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu treffen.»

Risiko und Chance zugleich ist das neue Reglement, das 2021 kommt. Die Formel 1 befindet sich im Wandel. Der 51fache GP-Sieger Prost meint: «Einen Teil des Sports mag ich nicht, aber das bedeutete noch lange nicht, dass ich sage: „Oh, das ist nicht mehr meine Formel 1, ich bin dann mal weg.“ Herausforderungen sind Teil des Lebens, nicht jeder Tag kann perfekt laufen.»

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