History: Mehr Spitznamen – Lole, Moco und der Bär

Von Mathias Brunner
​Im ersten Teil unserer Spitznamen-Story haben wir «Iceman» Kimi Räikkönen beleuchtet und uns vor dem «Unzerstörbaren» Clay Regazzoni verneigt. Aber wer waren Lole, Moco und der Bär?

Der Formel-1-Rennsport ist schon ernst genug, da darf zwischendurch ruhig ein wenig geschmunzelt werden. Die SPEEDWEEK.com-Leser hatten Freude an unserer Story, in welcher wir einigen Spitznamen von Formel-1-Piloten auf den Grund gegangen sind: «Iceman» Kimi Räikkönen, «Professor» Alain Prost, «Gorilla» Vittorio Brambilla oder «Petoulet» Maurice Trinignant. Aber natürlich haben noch viel mehr Grand-Prix-Asse mehr oder weniger schmeichelnde Übernamen erhalten. Hier auf vielfachen Wunsch einige mehr.

Carlos Reutemann (RA) – «Lole»
Der Argentinier schlug wie ein Blitz in der Formel 1 ein: Pole-Position am ersten WM-Wochenende, ausgerechnet vor seinem eigenen Publikum in Buenos Aires 1972. Später stand sich der Mann mit dem Aussehen eines römischen Feldherrn ein wenig selber im Weg herum: An einem guten Tag so gut wie unschlagbar, an einem schlechten in Selbstzweifel verfallend und zahnlos fahrend. Leider passierte ihm das im wichtigsten Rennen seiner Formel-1-Karriere, als es in Las Vegas 1981 gegen Nelson Piquet um den WM-Titel ging. Insgesamt gewann «Lole» zwölf Rennen und wurde später Gouverneur und Senator der Provinz Santa Fé. Aber wieso Lole? Der Spitzname geht nach eigenen Aussagen zurück auf die Kindheit. Carlos liebte Tiere und hüpfte entzückt Ferkeln hinterher, in spanischer Sprach «los lechónes», daraus wurde «Lole».

Carlos Pace (BR) – «Moco»
Am 18. März 1977 kam José Carlos Pace in seiner Heimat Brasilien bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, sein Pilot hatte in einem Gewitter die Orientierung verloren. Pace und sein Brabham waren ein starkes Duo; ein Witz, dass ein Fahrer seines Talents nur einen Grand Prix gewonnen hat, 1975 das Heimrennen in Interlagos. Sein Spitzname «Moco» geht auf mehrere Gründe zurück. Er lehnt sich einerseits an einen der sieben Zwerge an, den Ruhigen. Und ruhig war der junge Carlos, weil seine Eltern nach seiner Geburt von Brasilien in die alte Heimat Italien zogen, dann aber doch wieder nach Lateinamerika. Carlos sprach besser italienisch als portugiesisch, also sagte er in Brasilien lieber wenig bis gar nichts. Im italienischen Dialekt kann «moco» für stumm stehen. Die Gleichaltrigen in Brasilien fanden den Namen «Moco» zum Wiehern, denn in ihrer Sprache ist das auch, was man sich bisweilen so aus der Nase holt.

Denny Hulme (NZ) – The Bear
Der Neuseeländer Denny Hulme war ungefähr das Gegenteil eines redseligen Selbstverkäufers. Öffentliche Auftritte waren für ihn furchtbar, er war ein Mann des Leitsatzes «Lasst Taten sprechen». Der Formel-1-Weltmeister von 1967 wurde Bär genannt, weil er mit aufdringlichen Zeitgenossen recht ruppig werden konnte und am liebsten seine Ruhe hatte. «The Bear» passte auch gut zu seinem Körperbau, es brauchte schon einiges, um einen CanAm-McLaren so schnell wie er um die Ecken zu wuchten. Als Jody Scheckter 1973 zu McLaren kam, passte das wunderbar – der junge Südafrikaner war vergleichbar grummelig. Worauf ihm die Presse glatt den Spitznamen «Baby Bear» verpasste.

Jean-Pierre Jarier (F) – «Godasse»
Ein Godasse ist ein alter Schuh, ein Schlapfen, ein Treter, Latschen eben. Der Franzose Jean-Pierre Jarier erhielt den Namen von einem befreundeten Fotografen, im Ganzen eigentlich «godasse de plomb», was wir als Bleifuss bezeichnen würden. Tatsächlich stand der Speed von Jean-Pierre ausser Frage, auch wenn es bei 135 GP-Einsätzen nie zu einem Sieg gereicht hat. Jarier musste über den Spitznamen immer ein wenig schmunzeln, denn er meinte: «Eigentlich passte das gar nicht zu mir, denn ich hatte einen eher flüssigen Fahrstil.»

John Surtees (GB) – «Big John»
Was John Surtees erreicht hat, ist einmalig: Er ist über seinen Tod im März 2017 hinaus der einzige Rennfahrer, der WM-Titel sowohl in der Motorrad-WM (vier Mal 500er, drei Mal 350er Champion) als auch in der Formel-1-WM (1964 Weltmeister mit Ferrari) erringen konnte. Ganz abgesehen davon, dass er anschliessend seinen eigenen Rennstall gründete und Formel-1-, Formel-2- sowie Formel-5000-Autos baute. Oder dass er erster CanAm-Champion geworden war und auch im Sportwagen als absoluter Top-Pilot galt. Das Etikett «Big John» erhielt er von den Tifosi, die grosse Verehrung für den Briten zeigten.

Niki Lauda (A) – «The Rat»
Es scheint wenig schmeichelhaft zu sein, Ratte genannt zu werden. Der Spitzename, den viele Briten dem Wiener Formel-1-Piloten verpassten, ging keineswegs auf ein fragwürdiges Pistengebaren zurück. Niki Lauda fuhr hart, aber immer fair. Nein, «The Rat» bezog sich auf die leicht vorstehenden Schaufeln. Im deutschen Sprachraum hat sich die Bezeichnung nie durchgesetzt.

Mike Hailwood (GB) – «Mike the Bike»
Im Zweiradsport war der Engländer so überragend, dass sein Vorname mit dem Motorrad verbunden wurde: 9 WM-Titel, 76 GP-Erfolge, 14 Siege auf der Isle of Man, noch Fragen? 1972 wurde er Formel-2-Europameister, aber sein Potenzial auf vier Rädern wurde in der Formel 1 nie erschlossen – 1974 zog er sich bei einem Crash auf dem Nürburgring schwere Beinverletzungen zu. Was ihn nicht davon abhielt, später ein Comeback auf dem Motorrad zu geben und weiter zu siegen. Hailwood hatte Mut ohne Ende. Natürlich war er es, der 1973 in Südafrika den Tessiner Clay Regazzoni aus dem brennenden BRM holte.

Giuseppe Campari (I) – «El Negher»
In den 20er und 30er Jahren war der Italiener ein Star, im Einsitzer so gefürchtet wie mit dem Sportwagen. Campari war hinter dem Lenkrad keine Zimperliese, von den Gegnern gefürchtet, jeder Gefahr höhnisch ins Gesicht lachend. «El Negher» war eine Abwandlung im Mailänder Dialekt von «il negro», dem Schwarzen, weil Campari einen dunklen Teint hatte und in der Sonne tiefbraun wurde. In Monza 1933 wurde Campari vom Glück verlassen – tödlicher Unfall, nachdem er auf einem Ölfleck die Kontrolle über seinen Wagen verloren hatte.

Giovanni Lavaggi (I) – «Johnny Carwash»
Der Italiener kam im reifen Alter von 38 Jahren in die Formel 1, als er sich 1995 bei Pacific einkaufte. Er war einer der letzten Herrenfahrer im GP-Sport. Die englischen Mechaniker dachten bei seinem Namen an eine Autowasch-Anlage («il lavaggio» bedeutet das Putzen oder Waschen) und fertig war der Spitzname. Bei sieben Starts kam er nicht über einen zehnten Platz hinaus (in Ungarn 1996, mit einem Minardi).

Rudolf Caracciola (D) – «Der Regenmeister»
Für die Deutschen war der Mercedes-Star einfach «Carratsch», die Briten nannen ihn ehrfürchtig «Regenmeister» – wobei die meisten von ihnen wirklich das deutsche Wort benützten. Rudolf Caracciola, Sohn eines Remagener Hotelbesitzers mit italienischen Ahnen, war in den 20er und 30er Jahren einer der grössten GP-Stars. Vor allem der Nürburgring war gewissermassen sein Wohnzimmer, er gewann sechs Mal den Grossen Preis, oft bei misslichsten Wetterbedingungen, daher sein Spitzname. Caracciola wurde in den 30er Jahren drei Mal Europameister, was der heutigen Formel-1-WM entspricht. Dazu wurde er drei Mal Berg-Europameister.

Ronnie Peterson (S) – «Superswede»
Ronnie Peterson, «Superswede», der Super-Schwede: Der Vergleich mit dem Comic-Helden Superman ist nicht unangemessen, denn die Fahrzeugbeherrschung des legendären Ronnie Peterson war nicht von dieser Welt. Sein March-Stallgefährte Niki Lauda sagt: «Ich kannte keinen, der ein Formelauto so quer um die Ecken fuhr, aber jederzeit die Kontrolle behielt. Ich konnte nicht begreifen, wie er es schaffte, nicht von der Bahn zu fliegen.» 1971 wurde Peterson mit March überraschend WM-Zweiter, 1978 hätte er Weltmeister werden müssen, doch für Lotus-Teamchef Colin Chapman war ein US-amerikanischer Champion wichtiger, und das war nun mal Mario Andretti. Peterson reihte sich brav ein. Er starb 1978 in Italien an einer Fettembolie.

Alberto Ascari (I) – «Ciccio»
Anfang der 50er Jahre einer der weltweit besten Rennfahrer: Er siegte bei 13 seiner 32 WM-Läufe, er stand 14 Mal auf Pole, er wurde Weltmeister mit Ferrari 1952 und 1953. Bis heute ist er der letzte italienische Formel-1-Champion. Von Belgien 1952 bis Belgien 1953 gewann er durchgehend, wenn wir das Indy 500 ausklammern, das damals zwar zur WM gehörte, aber kaum Formel-1-Fahrer anlockte. Markenzeichen von Ascari: Blauer Helm, blaues Hemd, das sich über seinen Bauchansatz spannte, daher der Spitzname der gnadenlosen Tifosi, «ciccio», Dickerchen. Ascari starb am 26. Mai 1955 bei Testfahrten in Monza, nur wenige Tage, nachdem er in Monaco samt Auto ins Hafenbecken gestürzt war, dabei aber so gut wie unverletzt blieb. Die genauen Umstände von Ascaris Unfall in Monza wurden nie geklärt. Völlig ungewöhnlich für den abergläubischen Ascari hatte er sich beim Sportwagentest von Eugenio Castellotti dessen Helm ausgeliehen und um den Wagen gebeten. Seine Erklärung: «Wenn man vom Pferd fällt, dann ist es am besten, wenn man gleich wieder aufsitzt.»

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