Marc Surer: «Ferrari hat gleich mehrere Probleme»

Kolumne von Mathias Brunner
Marc Surer

Marc Surer

​Noch gibt es Ferrari-Teamchef Mattia Binotto nicht zu, aber der Verdacht besteht: Ferrari hat ein Konzept-Problem. Der frühere GP-Fahrer Marc Surer weiss: «Das ist nicht die einzige Baustelle bei Ferrari.»

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto druckst um die Antwort herum. Am Sonntagabend im Fahrerlager des Circuit de Barcelona-Catalunya, nach der fünften Niederlage 2019, wollen wir vom Italiener wissen: Hat Ferrari ein konzeptionelles Problem und fährt deshalb hinterher? Der Italiener meint: «Wir müssen erst herausfinden, ob die Probleme etwas mit dem Konzept zu tun haben.» Das könnte also bedeuten – durchaus möglich.

Der Schweizer Marc Surer, Formel-2-Champion 1979 und langjähriger Grand-Prix-Pilot, ist davon überzeugt: «Ferrari hat ein konzeptionelles Problem. Ferrari hat zu wenig Abtrieb. Das fiel im Winter aus zwei Gründen nicht auf: Erstens reichte es im frühen Entwicklungsstadium der Autos und auf dieser Strecke, um Bestzeiten zu fahren, und zweitens hatte Mercedes das eigene Fahrzeug in der ersten Wintertestwoche nicht im Griff. Wenn wir uns die Sektoren anschauen, dann war Ferrari im Winter im letzten Pistenteil schlecht, dort also, wo du am meisten Abtrieb brauchst. Wir hätten da schon aufhorchen müssen.»

«Abtrieb kannst du nicht einfach herbeizaubern. Gut, du könntest grössere Flügel ans Auto packen, aber dann bist du auf den Geraden nicht mehr schnell genug. Das ist Ferrari in China passiert. Abtrieb muss vom Unterboden kommen, daher vermute ich – Ferrari hat ein konzeptionelles Problem. Wenn der Frontflügel die Luft aussen um die Vorderräder zwingt, dann ist das zur Versiegelung des Luftstroms an den Seitenkästen gut in schnellen und mittelschnellen Kurven, aber es scheint in langsamen Ecken nicht zu funktionieren. Die Aerodynamiker wollen die Wirkung des Unterbodens betonen, indem sie mit geschickt geführtem Luftfluss verhindern, dass Luft seitlich abfliesst. Du willst diese Luft möglichst nachhaltig unterm Auto behalten und zum Heck leiten. Fliesst die Luft seitlich ab, dann verlierst du Abtrieb.»

Ferrari läuft gemäss Surer die Zeit davon: «Denn du brauchst ja nicht nur einen neuen Frontflügel, sondern der Flügel gibt alles vor, was weiter hinten passiert. Da müsstest du den ganzen Wagen umkrempeln. Ferrari muss nachbessern und sucht verzweifelt mehr Abtrieb. Mercedes hat ein anderes Konzept, das von Anfang an auf mehr Abtrieb abzielte, daher sind sie auf den Geraden nicht so schnell wie Ferrari, aber sie gewinnen vor allem in langsamen Kurven so viel Zeit, dass sie am Ende die Nase vorn haben. Inzwischen hat Mercedes das Auto in Sachen Abstimmung im Griff. Das war im Winter nicht so. Ferrari sah damals in Barcelona besser aus als sie in Wirklichkeit waren, Mercedes sah weniger gut aus als in Wahrheit.»

Und das ist auch nicht die einzige Baustelle, wie Marc Surer weiss: «Da sind noch die Reifen. Ferrari hatte oft ein Auto, das schonend mit den Walzen umgeht. Aber die jüngste Generation der Pirelli-Reifen erfordert, dass sie viel Dynamik erfordern, um Temperatur reinzubringen. Das schaffst du am besten mit tüchtig Anpressdruck, denn das Auto rutscht dann nicht, und die Pirelli werden richtig durchgewalkt.»

Beim Basler gingen die Brauen hoch, als er hörte, dass Ferrari einen neuen Motor nach Barcelona bringt, auf eine Strecke also, die nicht als Motor-dominierte Piste bekannt ist. «Möglicherweise hat das damit zu tun, dass Ferrari in den Rennen Sprit sparen musste. Einige Leute verbreiten, vielleicht habe es mit dem Thema Standfestigkeit zu tun, aber da muss man vorsichtig sein. Als Aussenstehender weiss ich das nicht. Vielleicht ist das auch nur ein Gerücht, das gezielt gestreut worden ist.»

Und dann haben wir noch Feuer am Dach wegen des Ferrari-internen Stallduells Sebastian Vettel gegen Charles Leclerc. Surer findet: «Ferrari hat Recht, auf Vettel zu setzen, denn Leclerc macht noch zu viele Fehler, siehe Mauerkuss in Baku, siehe Randsteinritt hier in Barcelona. Aber ich halte Charles für den schnelleren Mann. Er kann es nur nicht jedes Mal umsetzen. Leclerc macht Vettel richtig Druck.»

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