Rennlegende Niki Lauda: Aufgeben war nie eine Option

Von Andreas Reiners
Rivalen, aber Freunde: Niki Lauda und James Hunt

Rivalen, aber Freunde: Niki Lauda und James Hunt

​Niki Lauda war sein ganzes Leben lang von einem unfassbaren Kampfgeist erfüllt. Der zeichnete ihn als Rennfahrer aus und als Unternehmer. Aufgeben war für den Wiener nie eine Option.

Niki Laudas erster großer Gegner kam aus der eigenen Familie. Ausgerechnet. Es war der Großvater, der die Richtung vorgab. Vorgeben wollte. Er war ein strenger Patriarch wie er im Buche steht. Ein Despot, wie Lauda ihn nannte. Einer, der stets Einfluss nahm. Der es gewohnt war, dass man tat, was er wollte.

Doch für Lauda war das Ansporn, Motivation. Er wollte zeigen, dass es anders geht. Wollte anders sein, ein Anti-Lauda quasi. Dafür scheute er kein Risiko, sondern kämpfte mit allen Bandagen, aufgeben war keine Option. Willensstark. Kompromisslos. Der Start in seine große Karriere, der zugleich wohl auch erklärt, warum Lauda so war, wie er war.

«Der dumme Großvater war die Triebfeder, es besonders gut zu machen», sagte Lauda einmal. Das ewige Stehaufmännchen. Kämpfer. Rückkehrer. Dabei hatte er stets das Wesentliche im Blick, war kein Träumer, sondern Macher. Nie das große Talent, dem alles in den Schoß fiel. Oder der charismatische Held, dem die Welt zu Füßen lag. «Ich war immer pragmatisch genug, um zu verstehen, dass man zuerst Leistung bringen muss und nicht träumen sollte», so Lauda.

1971, mit 22 Jahren, stand er auf der Schwelle zur Formel 1. Da hatte er seine Familie auf charmante Weise schon an der Nase herumgeführt, indem er seine Matura plump fälschte, damit er endlich Rennfahrer werden konnte. Doch Großvater Hans versuchte, die Motorsport-Karriere zu verhindern, indem er als Aufsichtsratsmitglied der österreichischen Erste-Bank, Laudas Sponsor, sein Veto einlegte. Seinen Enkel brachte er so in Teufels Küche, da er beim March-Rennstall bereits unterschrieben hatte. Die Karriere war gefährdet, der Ruf sowieso. Er besorgte sich einen Kredit, den er vier Jahre lang abstotterte, um es in die Königsklasse zu schaffen.

Nie von Geld getrieben

Dabei war er nie von Geld getrieben, wie er sagte, sondern nur davon, der Beste zu sein. Er wollte einfach nur Rennen fahren. Und siegen. Auch gegen den Tod, der damals in der Formel 1 noch ständiger Beifahrer war. «Am Limit zu fahren und am Leben zu bleiben, das war mein ständiger Kampf», meinte er.

Den größten Sieg feierte er 1976. Am 1. August auf dem Nürburgring steckte er in seinem Ferrari in der Feuerfalle und befand sich im Vorhof zur Hölle. 55 Sekunden lang saß er im Auto, das in Flammen stand, 800 Grad heiß, der Bolide schmolz, während seine Lunge verätzte.

Unvorstellbar, dass das jemand überlebt.

Im Krankenhaus erhielt er dann auch bereits die letzte Ölung, die ihn aber erst so richtig sauer machte. «Ich sagte mir dann – jetzt und hier sterbe ich sicher nicht. Und das war gut, ich konnte aus diesem Schlamassel nur mit meinem Hirn herauskommen. Der Körper war ja im Grunde tot, aber das Hirn hat noch funktioniert. Und das Hirn hat den Körper überzeug, bleib wach, schlafe nicht, denn dann stirbst du, hör genau zu, was um dich geschieht, und mach weiter!»

Nach 42 Tagen wieder im Auto

Niki Lauda überlebte nicht nur, er saß 42 Tage später wieder in einem Rennauto, das Gesicht entstellt. Angst vor einem Unfall hatte er keine: «Mir war das Risiko ja ohnehin immer bewusst gewesen, weil jedes Jahr zwei von uns starben», sagt Lauda trocken. «Also sagte ich: Natürlich kehre ich zurück.»

Verrückt. Wahnsinnig. Getrieben, obwohl der Tod immer und überall lauerte.

Er lernte schnell, mit den Spuren des Unfalls umzugehen. «Wenn mich die Leute heute mit meinem Gesicht zu ärgern versuchen, sage ich nur: ‚Ich hatte einen Unfall. Aber Sie sind schon so geboren’.» Die Frage, die sich alle stellten («Wie kann der Depperte wieder fahren, wenn er gerade verbrannt ist?»), beantwortete er so: «Die schnelle Rückkehr gehörte zu meiner Strategie, nicht lange daheim zu sitzen und darüber nachzugrübeln, warum und wieso mir das Ganze widerfahren ist.» Markenzeichen wurde seine rote Kappe. Sein Physiotherapeut hatte sie ihm bei seinem Comeback verpasst, damit der Verband beim Abnehmen des Helms nicht verrutscht.

Neben seinem Unfall gehören auch 171 Rennen, 25 Siege und drei WM-Titel 1975, 1977 und 1984 zu seiner Rennfahrer-Karriere. Oder die Rivalität zu James Hunt, dem er 1976 den Titel quasi schenkte, weil ihm das finale Rennen im Regen von Fuji nach seinem Horrorunfall zu gefährlich war. «Ich wollte mich nicht ein zweites Mal umbringen», sagte er. Lauda war nie ein Schaumschläger, war keiner, der etwas schönredet. Eine ehrliche Haut, die auch nicht davor zurückschreckte, dem großen Enzo Ferrari die Meinung zu geigen. Mit seinen Sprüchen könnte man ein Buch füllen.

Keine Lust mehr, im Kreis zu fahren

Seine Karriere beendete er erstmals 1979 mit dem berühmten Satz, er habe keine Lust mehr, «sinnlos im Kreis zu fahren». Seine Rückkehr drei Jahre später krönte er 1984 bei McLaren mit seinem dritten Titel, als er Alain Prost um einen halben Punkt distanzierte.

Er nannte die ganzen Erfahrungen «erlebtes Selbstvertrauen». Durchbeißen, mal einen Gang rausnehmen, dann wieder Vollgas, um die Kurven des Lebens zu meistern. Gerne auf der Überholspur, auch mal in der Sackgasse, dann eben Rückwärtsgang, andere Richtung und weiter. Auch privat. Lauda: «Ich bin durchs Leben geschult worden für schwierige Situationen.» Heißt: Er hatte alles irgendwie schon mal erlebt, die schlimmen Dinge überlebt. Wie zum Beispiel zwei Nierentransplantationen. Nachwirkungen des Horrorunfalls. Spender waren 1997 Bruder Florian und 2005 seine heutige Frau Birgit.

Auch außerhalb der Formel 1 warteten Schicksalsschläge. Immer wieder versuchte er es mit seinen Fluggesellschaften, zu seinem Leben als Airline-Unternehmer gehörten aber nicht nur Konkurse. Der dunkelste Moment war der 26. Mai 1991, als eine Boeing 767 seiner Luftlinie nach dem Start in Bangkok abstürzte und 223 Menschen in den Tod riss. «Mein Unfall war nichts gegen das, was ich dort gesehen habe», sagte er.

Hauptverantwortlich für Mercedes-Erfolg

Die Formel 1 ließ ihn in all den Jahren nicht los, er war Teamchef, Experte, fädelte Michael Schumachers Wechsel zu Ferrari ein, verhinderte den Ausstieg von Mercedes aus der Formel 1, begründete so die einzigartige Erfolgsära, denn auch Lewis Hamiltons Wechsel zu den Silberpfeilen entstammte Laudas Überzeugungsarbeit. Für viele galt er als einer der Hauptverantwortlichen für den Erfolg der vergangenen Jahre. Bis 2018 war er als Aufsichtsratsvorsitzender immer dabei, ehe das Schicksal erneut zuschlug.

Denn im vergangenen Sommer musste ihm eine Lunge transplantiert werden. Er arbeitete verbissen am Comeback, bis zu sechs Stunden täglich. «Er kämpft wie ein Löwe», sagte Laudas Sohn Mathias damals: «Er will so schnell wie möglich ins normale Leben zurück.»

Die meisten Wegbegleiter wussten: Wenn das einer schaffen kann, dann das ewige Stehaufmännchen Lauda. Denn aufgeben war nie eine Option. Aber auch das stärkste Kämpferherz hört irgendwann auf zu schlagen.

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