Malaysia-GP: Wie schlau sind wir nach zwei WM-Rennen?

Von Mathias Brunner
In der Formel 1 mag vieles neu sein, der Charme der Gastgeber ist geblieben

In der Formel 1 mag vieles neu sein, der Charme der Gastgeber ist geblieben

Die neue Formel 1 gab in Australien viel zu reden, teilweise aus den falschen Gründen – siehe Benzindurchfluss-Skandal um Ricciardo oder galoppierende Technik-Phobie. Die Frage ist: Wie schlau sind wir nun?

Die Twitter-Gemeinde ist gnadenlos. Die ersten hämischen Kommentare hagelte es, da war in Sepang die Zielflagge noch gar nicht gefallen. «Das Rennen ist zwar langweilig, aber dafür haben wir endlich grüne Motoren – und darum geht es ja letztlich, nicht wahr?» ätzte einer.

Ich gebe gerne zu: der Malaysia-GP ist jetzt kein Rennen gewesen, von dem wir noch in zehn Jahren schwärmen werden. Aber Ex-GP-Fahrer Martin Brundle gibt zu bedenken: «Hin und wieder finde ich, die Menschen haben etwas wenig Geduld. Gebt dieser neuen Formel 1 doch etwas Zeit. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.»

Vielleicht liegt es an unseren Initialen, aber ich teile mit Martin die grundsätzliche Einstellung, wenn er weiter sagt: «Kritik in Ehren, aber auf ständiges Schlechtreden stehe ich gar nicht. Das beginnt bei der anhaltenden Diskussion um den Motorenlärm. Mir ist er inzwischen ans Herz gewachsen. Ich bin jetzt in Australien und in Malaysia um den Kurs spaziert und habe mit die Antriebseinheiten an verschiedenen Streckenteilen angehört. Mir gefällt dieses Raspelige, Vielschichtige, du hörst viel mehr Einzelheiten als früher. Ich bin aber mit den Fans völlig auf einer Linie, wenn sie monieren: im Fernsehen kommt dieser interessante Sound nicht gut genug herüber.»

Hier muss zweigleisig gearbeitet werden: an der Quelle, an den Autos selber also, und auch bei der Tonübermittlung der Fernsehsender.

Interessanterweise gehen die Meinungen der Motorentechniker im Fahrerlager auseinander, wenn ich ihnen die Frage stelle, ob der Sound für 2015 lauter geschraubt werden kann. Die einen murmeln etwas von anderen Turboladern und modifizierten Auspuffanlagen, andere sagen kategorisch: «Ohne mehr Drehzahl gibt es auch nicht mehr Lärm, basta.»

Immerhin musste aber sogar Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone an diesem Wochenende zugeben: «Ich habe mich getäuscht, so übel klingen die Motoren live gar nicht. Sie müssten einfach ein wenig lauter sein. Wir arbeiten daran.»

Bravo: Fans zu clever, um nur zu jammern

Interessant auch, was die Fans in verschiedenen Foren sagen. Bei den Kollegen von «auto motor und sport» etwa sagen nur 37% von rund 4500 Fans «Viel zu leise; ein Grund, nicht mehr Formel 1 zu schauen». 48% hingegen finden: «Könnte lauter sein, ist aber nicht entscheidend.» 14% sagen: «Der neue Sound ist besser als der alte.»

Bei «http://thejudge13.com» antworten die Formel-1-Freunde auf die Frage, wie ihnen der neue Sound denn gefalle, so: 35% geben das Prädikat gut, 18% durchschnittlich, 17% schlecht, 16% sehr gut, 11% sehr schlecht, 3% können sich nicht entscheiden, was sie eigentlich finden.

Martin Brundle sagt: «Auch ich habe im Gespräch mit den Fans den Eindruck, dass sie sich langsam für den Sound zu erwärmen beginnen, und das ist gut so.»

Teams und TV lernen dazu

Auch in Sachen Kilometerleistung und Standfestigkeit darf sich die neue Formel 1 sehen lassen. Nach den argen Problemen bei den Wintertests war in Melbourn sogar bange davon die Rede, dass vielleicht überhaupt kein Wagen ins Ziel kommen würde. Dann aber waren es in Australien immerhin 14 Renner, hier in Malaysia sind es nun 15 gewesen. Das ist vor allem deshalb ein Fortschritt, weil wir bei hohen Temperaturen gefahren sind, normalerweise der natürliche Feind unerprobter Technik. Kein Zweifel: Die Teams machen rasant Fortschritte.

Nochmals Martin Brundle: «Die Fans sollen es auch geniessen, wie die Fahrer derzeit mit ihren Autos kämpfen müssen. Die Aerodynamiker holen nämlich die durchs neue Reglement verlorene Saugnapfwirkung Schritt um Schritt zurück, dann werden die Autos weniger spektakulär wirken.»

Was wir schon angedeutet hatten, bewahrheitete sich in Sepang: Alles redete vom Sound und den angeblich so fragilen Antriebseinheiten sowie vom Spritverbrauch (auf den kommen wir gleich), dabei wurde etwas vergessen – das Reifen-Management ist so wichtig wie in den Jahren zuvor.

In Sachen Spritverbrauch lernt (ich staune) auch die Formel 1 dazu, nicht nur die Schar der Motorentechniker. Zur Freude der Fans wurde im Malaysia-GP oft eingeblendet, welcher Fahrer wieviel Sprit verbrannt hat, ob er in Sachen Kraftstoff also zum Schluss noch Reserven hat und angreifen kann oder ob er mit dem Rücken zur Wand steht.

Martin Brundle weiss: «Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben eine neue, faszinierende Formel 1, aber sie muss den Fans auch nahegebracht werden. Solche Einblendungen sind ein guter Schritt dazu.»

Fussnote in Sachen Sprit: Malaysia ist kein kritischer Kurs, Bahrain hingegen schon – machen Sie sich darauf gefasst, dass dieses Thema in wenigen Tagen in Arabien mehr Raum einnehmen wird.

Wer bleibt stark, wer schwächelt weiter?

Einige Eindrücke aus Australien und zuvor aus den Wintertests haben sich verfestigt: Mercedes ist Klassenbester. Red Bull Racing ist schnell, wenn der Wagen standfest läuft. Mercedes hat die beste Antriebseinheit gebaut. Nico Hülkenberg ist im Force India saustark – und würde längst in ein Top-Auto gehören. Die jungen Kevin Magnussen und Daniil Kvyat machen uns viel Freude.

Die Formel 1 lebt aber auch nach dem Motto «Im Wechsel allein liegt das Beständige»: Das Kräfteverhältnis ist im freien Fluss. Das warme Wetter hat beispielsweise den McLaren nicht geschmeckt, die flüssigen Kurven scheinen dem Williams weniger zu bekommen als der Stop-and-go-Charakter des Strassenkurses im Albert-Park.

Ferrari ist gut, aber nicht gut genug. Lotus liegt mit der Arbeit um Wochen zurück, Rang 11 für Grosjean ist aber ein positives Zeichen. Sauber hat noch viel Arbeit vor sich. Vielleicht wird Adrian Sutil erst beim Spanien-GP zeigen können, was er wirklich kann – wenn die Schweizer ein neues, leichteres Chassis bringen.

Kontroversen begleiten uns – zum Glück

Die Formel 1 lebt auch von Reibereien, grösseren und kleineren, und davon haben wir nicht nur den Ausschluss von Daniel Ricciardo serviert bekommen. Nach dem Bahrain-GP kommt der Berufungsfall in Paris auf uns zu, dem es an Brisanz nicht mangelt. Die Fahrer jammern schon wieder über die Reifen, einige Piloten schimpfen über ihre Berufskollegen (andere über den Stallgefärhten), die FIA greift mit Strafen durch, die Technik ist noch immer fragil, bald werden wir erste Strafen haben, weil die Fahrer mit neuen Bauteilen ausrücken müssen.

Die neue Formel 1 bietet so viel mehr Themen als den Motoren-Sound.

Gut so.

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