Rémi Taffin: «Mercedes weiterhin 1 Sekunde schneller»

Von Agnes Carlier
Rémi Taffin: «Renault hat auch schon Titel gewonnen, ohne das schnellste oder leistungsstärkste Aggregat im Feld zu sein»

Rémi Taffin: «Renault hat auch schon Titel gewonnen, ohne das schnellste oder leistungsstärkste Aggregat im Feld zu sein»

Der leitende Renault-Techniker Rémi Taffin erklärt im Interview, warum er noch nicht zufrieden ist und verrät, wie er das Kräfteverhältnis im Formel-1-Feld 2015 einschätzt.
Rémi Taffin, sind Sie zufrieden mit den Fortschritten, die Renault während der Testfahrten machen konnte?

Nein. Die Testfahrten verliefen nicht wie erhofft. Es gibt zwei Aspekte: Es geht darum, die Autos erst einmal fahren zu lassen und in zweiter Linie steht die Zuverlässigkeit im Fokus. Was Letzteres angeht, sind wir nicht weit von unseren Zielen entfernt, auch wenn wir noch keine 4000 bis 5000 Kilometer mit einem Motor geschafft haben.

Ich habe es noch nicht berechnet, aber selbst im Red Bull sollten wir mindestens 3000 km geschafft haben. Alles, was wir erledigen mussten, haben wir mit Red Bull Racing in den letzten zwei Wochen geschafft. In diesem Punkt sind wir also nicht schlecht unterwegs. Red Bull und Toro Rosso können sich nun auf die Melbourne-Vorbereitung konzentrieren. Auf dieser Seite gibt es also wenig Probleme.

Aber wir haben noch nicht das ganze Potenzial der neuen Motoren in den Autos ausgeschöpft. Auf den Prüfständen konnten wir einen guten Fortschritt erzielen. Aber auf dem Prüfstand ist es immer etwas einfacher. Die Krux liegt im Motorenmapping. Die neuen Antriebseinheiten sind etwas schwieriger einzustellen als im vergangenen Jahr. In einigen Bereichen ist es schwieriger geworden, eine gute Leistung herauszukitzeln. Wir wissen aber, dass wir ?einen Schritt nach vorne gemacht haben, was die Performance angeht – vor allem mit Blick auf die Leistung vom vergangenen Jahr.

Und wie sieht es mit den sogenannten Tokens aus?

Wir haben noch 20. Bevor wir festgelegt haben, dass wir die Tokens auch während der Saison einsetzen und damit den Motor auch nach Februar weiterentwickeln dürfen, haben wir 32 Tokens bis zum ersten Grand Prix brauchen müssen. Wir setzten also während zwei, drei Monaten alles daran, diese 32 Tokens auch zu nutzen. Jetzt ist das Gegenteil der Fall.

Und was machen die anderen Motorenhersteller?

Ferrari und Mercedes werden wahrscheinlich den gleichen Ansatz wie wir verfolgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie den Motor in den letzten zwei, drei Monaten nicht weiterentwickelt haben. Honda ist ein grosses Fragezeichen.

?Musste Renault viel am Motor ändern?

Der Motor von 2014 ist nicht komplett verändert worden, er kommt auch 2015 weitestgehend zum Einsatz. Wir mussten weder die Kurbelwelle noch die Kolben neu konstruieren, um die Laufleistung um 1000 km zu erweitern. Wir mussten kein Teil neu entwerfen.

Wie läuft die Arbeit mit nur zwei Teams?

Nun, am Ende haben wir vor allem einen Gesprächspartner. Wir haben zwei Kunden aber wir arbeiten vor allem mit dem einen Team zusammen. Der andere Rennstall ist sozusagen die kleine Schwester oder der kleine Bruder.

Renault hatte im vergangenen Jahr vier Kunden gleichzeitig zu beliefern. Das muss die Hölle gewesen sein…

Ja und nein. Es kommt ganz auf die Situation an. Wenn ich Renault heisse und verhalten in die Saison starte, dann muss ich alle Neuerungen für vier bis fünf Teams umsetzen, wenn ich etwas ändern will. Logistisch ist das sehr kompliziert.

Wenn ich aber zum Beispiel Mercedes in diesem Jahr bin und weiss, dass mein Motor in der vergangenen Saison super funktioniert hat, dann profitiere ich, wenn ich mehr Kunden an Bord hole. Denn so packe ich im Winter mehr Kilometer auf meine Aggregate. Aber gleichzeitig braucht man auch etwas Energie, um alle Bedürfnisse zu befriedigen. Renault musste im vergangenen Jahr den Motor für vier verschiedene Chassis' bauen. Das erfordert eine gewisse Flexibilität. Natürlich ist es da einfacher, einen einzigen Kunden zu bedienen.

Einer der grossen Schwachpunkte der Renault-Antriebseinheit von 2014 war die fehlende Leistung. Konnten Sie auf diesem Gebiet Fortschritte erzielen?

Schwer zu sagen. Wir können nicht sagen, dass wir fünf oder zehn Prozent mehr Leistung herausgeholt haben. Zwei oder drei Prozent würden einen Zeitgewinn von etwa zwei, drei Zehnteln ausmachen. Grundsätzlich sollte ein guter Pilot in einem guten Team damit ein Rennen gewinnen können. Ehrlich gesagt besteht aber immer noch eine Lücke, sowohl was die Zuverlässigkeit als auch das Tempo angeht. Aber Renault hat auch schon Titel gewonnen, ohne das schnellste oder leistungsstärkste Aggregat im Feld zu sein.

Was sagen Sie zum starken Mercedes-Auftritt bei den Vorsaison-Tests? Nico Rosberg hat eine Hammer-Zeit in den Asphalt gebrannt…

Das stimmt. Es ist schon sehr schnell, die Zeit ist sehr gut. Und ich bin sicher, dass sie noch Spielraum haben. Man darf aber nicht vergessen, dass Mercedes die vergangene Saison mit einer Sekunde Vorsprung auf alle anderen abgeschlossen hat. Man sagt, Rosberg war auf seiner schnellen Runde mit viel Sprit im Tank unterwegs gewesen. Er hat zehn Runden gedreht, also einen Longrun absolviert. Aber wer weiss schon, was die Anderen bei den Tests machen? Mercedes scheint immer noch eine Sekunde Vorsprung auf alle anderen zu haben. Aber wir wissen nichts genau. Wir sind in Barcelona und es ist kalt. Die Konkurrenz hat vielleicht die Reifen nicht richtig zum Arbeiten gebracht. Es gibt so viele Faktoren, die da mitspielen.

Wie schätzen Sie das Kräfteverhältnis ein?

Es wird wohl dem Kräfteverhältnis gleichen, das wir zum Ende der Saison 2014 hatten: Mercedes ist klar vorn, dann kommen Williams, Ferrari und Red Bull. Dahinter folgen Honda, Toro Rosso, Force India, Lotus und Sauber. Es sind drei Leistungsgruppen. Melbourne wird zeigen, ob ich richtig liege. Wenn wir den GP morgen hier austragen würden, wäre das aber mein Tipp für den Rennausgang.

Was bringt die Zusammenarbeit mit Mario Illien?

Er hat uns geholfen, viele verschiedene Motorenkonzepte während der Winterpause auszuwerten. Das war wichtig, denn wir befinden uns im Hintertreffen. Wir hatten im ersten Jahr der neuen Antriebseinheiten sehr viel Arbeit auf der Konzept-Ebene zu erledigen, da war die Hilfe natürlich willkommen. Die Idee entstand zwischen Renault und Red Bull Racing. Illmor arbeitet als Subunternehmen mit uns zusammen. Davon profitieren wir alle, weil wir damit unser Wissen erweitern können.

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