Manor gibt Gas: Statt Formel 1 nun Langstrecken-WM

Von Mathias Brunner
​Ende Oktober 2015 war klar: Die Manor-Urgesteine John Booth und Graeme Lowdon gehen beim gleichnamigen Formel-1-Rennstall von Bord. Nun ist klar, wo sie 2016 antreten.

Mitte Oktober sah die Zukunft für die Formel-1-Hinterbänkler Manor-Marussia rosig aus: Für 2016 erhält das kleine Team den besten Motor der Branche, den bärenstarken Mercedes-V6, dazu gibt es eine technische Kooperation mit Williams. Und ausgerechnet dann haben Teamchef John Booth und Sportdirektor Graeme Lowdon die Kündigung eingereicht!

Wie aus britischen Kreisen durchsickerte, hatten sich die beiden Retter des 2014 in die Insolvenz gerutschten Rennstalls von Teambesitzer Stephen Fitzpatrick entfremdet und wollten nicht mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten.

John Booth (61), der Manor Motorsport vor 25 Jahren gegründet und in Nachwuchsklassen zu einem der weltweit führenden Rennställe gemacht hat, war ein früher Wegbegleiter von Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen.

Booth und Lowdon waren wesentlich daran beteiligt, dass Manor-Marussia nicht das gleiche Schicksal erlitten hat wie Caterham. Auch Caterham (das Team des AirAsia-Besitzers Tony Fernandes) war in die Zahlungsunfähigkeit geraten, konnte aber von den Insolvenzverwaltern letztlich nicht gerettet werden.

Manor geriet in finanzielle Schräglage, nachdem Marussia-Chef Andrei Cheglakov nicht mehr bereit war, noch mehr Geld in das Hinterbänklerteam zu stecken. Seine Versuche, den Rennstall zu verkaufen, waren gescheitert. Aus der Insolvenz gerettet wurde Manor-Marussia dann vom irischen Millionär Stephen Fitzpatrick, der angeblich rund 40 Mio Euro aus seinem eigenen Vermögen investierte, um den Rennstall wieder auf die Räder zu bringen. Auch Justin King, der frühere Chef der Sainsbury’s-Ladenkette, ist involviert.

Booth und Lowdon sind Racer durch und durch, die im Formel-1-Fahrerlager hohes Ansehen genossen haben. Allein schon durch die Rettung des Teams. Selbst nach der Trennung vom GP-Rennstall war klar: Diese beiden werden dem Motorsport verbunden bleiben.

Nun ist klar, in welcher Form: Manor Motorsport setzt einen LMP2-Oreca-Nissan in der Langstrecken-WM ein und bestreitet auch das berühmte 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Als Fahrer steht bislang erst 43jährige Thailänder Tor Graves fest.

Graeme Lowdon twittert: «Wie der grosse Steve McQueen festgehalten hat – Rennen ist Leben. Alles vorher oder nachher ist nur Warten. Also ist Warten sinnlos, gehen wir auf die Strecke!»

Dazu zeigte «Manor WEC» das neue Auto her.

Manor in der Formel 1: Ein Rennstall erfindet sich ständig neu

Obschon Manor-Chef John Booth von Bord gegangen ist, bleibt der Rennstall beim Namen: Aber es ist nicht das erste Mal, dass sich der englische Rennstall neu erfindet.

2010 traten drei neue Rennställe zur Formel-1-WM an: Das Hispania Racing Team (HRT, Ende 2012 pleite), Lotus (später Caterham, Ende 2014 pleite) und Virgin Racing (2014 insolvent, später Marussia und Manor). Bis heute hat nur Manor überlebt, und zum fünften Mal in sieben Jahren Formel 1 erfindet sich Manor neu. 2010 startete der Rennstall unter Leitung von Manor-Rennstallbesitzer John Booth als Virgin Racing – mit viel Tamtam wurde damals Virgin-Konzernchef Richard Branson als Heilsbringer präsentiert.

Aber nach nur einem Jahr hiess das Team «Marussia Virgin Racing», mit dem russischen Sportwagenhersteller Marussia Motors als Geldgeber. Das Team startete sogar mit russischer Lizenz. Von 2012 bis 2014 trat der Rennstall als «Marussia F1 Team» an, Jules Bianchi erreichte beim Grand Prix von Monaco mit Rang 9 die ersten Punkte. 2014 erlitt Bianchi dann beim Japan-GP vom 5. Oktober schwere Kopfverletzungen, von welchen der Südfranzose sich nicht mehr erholte. Er starb am 17. Juli 2015 im Krankenhaus von Nizza. Es war der zweite Schicksalsschlag für das kleine Team: Im Juli 2012 hatte die Spanierin María de Villota bei Tests in Duxford lebensbedrohliche Verletzungen erlitten. Sie verlor ihr rechtes Auge und starb im Oktober 2013, gemäss den Ärzten an Folgeerscheinungen des Unfalls.

Im Herbst 2014 hatte sich der Schuldenberg von Marussia auf 180 Millionen Euro angehäuft, die russischen Teilhaber hatten keine Lust mehr auf das finanzielle Fass ohne Boden, das Team war zahlungsunfähig und fehlte bei den letzten Rennen der Saison. Im Februar 2015 rettete der nordirische Unternehmer Stephen Fitzpatrick das Team, die Saison wurde als «Manor Marussia F1 Team» bestritten, mit modifizierten 2014er Autos und Vorjahresmotoren von Ferrari.

Manor wurde zum zweiten Mal in der WM-Historie Zehnter (wie 2013), bliebt aber chancen- und punktelos. Rang 9 von 2014 bleibt das Highlight. 2010 und 2011 wurde das Team Zwölfter der Markenwertung, 2012 Elfter.

Wieso eigentlich Manor? Schon als der Rennstall 2010 in der Formel-1-WM debütierte, erfolgte die Einschreibung nicht unter dem ersten Teamnamen «Virgin Racing», sondern als «Manor Grand Prix Racing Ltd.», die FIA hat lediglich auf den alten Namen von Teambesitzer John Booth zurückgegriffen.

Im Herbst 2015 gingen John Booth und der langjährige Teammanager Graeme Lowdon von Bord, aber der Name bleibt. Manor – 2016 mit einem neuen Auto samt Mercedes-Motor und Technikhilfe von Williams unterwegs – hat verkündet: «Wir treten 2016 als „Manor Racing“ an, denn letztlich geht es darum, nicht wahr?” Dazu gibt es ein neues Logo. Marussia verschwindet also endgültig aus der Formel 1.

Der Rennstall hat erklärt, dass es zum Beginn der Wintertests am 22. Februar auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya eine Präsentation geben wird. Manor hat den langjährigen Ferrari-Chefdesigner Nikolas Tombazis verpflichtet, neuer Renndirektor ist das frühere McLaren-Urgestein Dave Ryan.

Wer 2016 für Manor Racing Formel 1 fährt, ist noch nicht klar.

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