Nach Brexit: Viel Verunsicherung in der Formel 1

Von Mathias Brunner
Wo geht es nach dem Brexit hin? Auch Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff weiss es nicht genau

Wo geht es nach dem Brexit hin? Auch Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff weiss es nicht genau

​Die Briten haben – für viele überraschend – entschieden, mit der EU zu brechen. Auch im Fahrerlager der Formel 1 ist der so genannte Brexit ein Riesenthema. Die Fachleute im Grand-Prix-Sport sind verunsichert.

Unterhalb des Stiers von Salzburg am Red Bull Ring gab es in den Tagen rund um den Grossen Preis von Österreichring drei dominierende Themen: Die Fussball-EM, die Randsteine – und Brexit. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Der Exit der Briten aus der EU, der so genannte Brexit, hat auch die meisten Mitglieder des Grand-Prix-Zirkus verblüfft: Mit einem Plus von rund einer Million Stimmen hat das Volk gesprochen – die EU-Gegner haben sich durchgesetzt, die Briten brechen mit der EU. Was nun passiert, weiss keiner.

Die Börsen reagierten nervös, das britische Pfund knickte ein. Experten warnen, dass sich Grossbritannien auf einen Rückgang der Wirtschaftskraft um sechs Prozent gefasst machen müsse. Der EU wiederum entgehen Milliardenzuschüsse aus Grossbritannien.

Der Austritt von Grossbritannien (der gemäss Politexperten auf 2018 umgesetzt wird) ist das erste Erdbeben von vielleicht vielen: Klar wird spekuliert, dass andere EU-Mitglieder ähnliche Wahlen durchführen werden und der Staatenbund kollabieren werde.

Ebenfalls denkbar ist, dass Grossbritannien zerbricht – denn Schottland und Nordirland wollten in der EU bleiben. Ein englischer Renningenieur sagt mir im Fahrerlager des Red Bull Ring: «Im Grunde können wir schon heute nicht mehr von Grossbritannien sprechen – England isoliert sich von den anderen Ländern.»

Was bedeutet der Austritt für die Formel 1?

Acht von elf Rennställen haben ihren Sitz in Grossbritannien – nur Ferrari, Toro Rosso und Ferrari haben ihren Hauptsitz ausserhalb der Insel. Toro Rosso betreibt allerdings in England sein Windkanalprogramm.

Was sich mit dem Ausstieg sicher verringert: Freiheiten bei Personen- und Warenverkehr zwischen Grossbritannien und dem Rest von Europa. Transport, Arbeitsbewilligungen, Visa – einfacher wird das alles bestimmt nicht. Rund drei Millionen Ausländer leben in Grossbritannien, das sind mehr als zehn Prozent der Arbeitskräfte.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sagt: «Da stellen sich uns zahlreiche Fragen – was passiert mit unseren Fachkräften in den Werken von Brackley und Brixworth, die aus dem EU-Raum kommen? Und das geht bei der DTM weiter. Da haben wir bei HWA zum Beispiel zahlriche britische Spezialisten am Werk. Bekommen wir für die künftig Arbeitsbewilligungen? Ist der Standort Grossbritannien für uns noch attraktiv genug? Oder müssen wir uns nach einer anderen Basis umschauen? Für mich ist das leider politischer Aktionismus, der ein ganzes Land in eine unmögliche Situation gestossen hat.»

Der Schweizer Sauber-Teammanager Beat Zehnder sagt: «Ich kann ein Liedchen davon singen, was in Sachen Zollerklärungen alles auf die Briten zukommt.»

Rob Smedley, leitender Ingenieur bei Williams: «Im Detail wissen wir alle selber nicht, wie es nun weitergeht. Fest steht nur, dass das britische Volk eine Entscheidung gefällt hat, aber wir haben nun die führenden beiden Parteien, die ein wenig in Aufruhr sind. Wenn ich davon ausgehe, dass wir als Demokratie bei Brexit bleiben, also dass der Volksentscheid respektiert wird, dann liegt es nun an den Politikern umzusetzen, wie das alles passieren soll.»

«Kurzfristig, so glaube ich, ändert kaum etwas. Ich kann mir vorstellen, dass es Jahre dauern wird, um alle Details auf die Reihe zu bekommen. Ich würde gerne behaupten, dass die Auswirkungen auf die Formel 1 nicht so gross sein werden. Aber sicher bin ich mir dessen nicht. Hürden sehe ich bei der Art und Weise, wie wir reisen und wen wir einstellen dürfen.»

Paul Monaghan, Chefingenieur beim vierfachen Formel-1-Weltmeister Red Bull Racing: «Niemand kann uns heute erklären, wie sich das alles auswirken wird. Innerhalb der kommenden Monate erwarte ich überhaupt keine Änderungen. Auf lange Sicht jedoch herrscht Verunsicherung.»

Berechnungen von Wirtschaftsexperten mehr als 20 Milliarden Euro zum Wirtschaftsvolumen bei, mehr als 750.000 Fachkräfte sind in dieser Branche tätig.

Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone sagte schon vor der Abstimmung gegenüber der Daily Mail: «Ich habe wiederholt festgehalten, dass ich von Demokratie nicht viel halte. Nichts wird getan. Ich mag David Cameron. Er hat bei den Verhandlungen mit der EU immer das getan, was er für das Beste für Grossbritannien hielt, und das respektiere ich. Aber ich will, dass wir die EU verlassen. Und das beeinträchtig mein Geschäft nicht im Mindesten. Es macht keinen Unterschied hier. Wir wissen, was wir der EU geben, wir wissen aber nicht, was wir zurückerhalten.» Gegenüber «Advertising Week» hatte Ecclestone gemeint: «Europa ist weniger wichtig geworden.»

Der Brexit soll gemäss Bernie Ecclestone keine Auswirkungen haben? Toto Wolff und weitere Experten aus dem Formel-1-Fahrerlager können diese Meinung nicht teilen. Mercedes-Chef Dieter Zetsche hat gewiss vielen aus dem Herzen gesprochen, als er nach dem Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses festhielt: « Das ist kein guter Tag für Europa – und aus meiner Sicht erst recht nicht für Grossbritannien.»

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