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Exklusiv: Jos Verstappen zum Extrem-Training von Max

Von Mathias Brunner
Max und Jos Verstappen

Max und Jos Verstappen

​In Spa-Francorchamps herrscht Ausnahmezustand: Zum Belgien-GP hin werden tausende niederländischer Rennfans erwartet – Verstappenmania greift um sich. Jos Verstappen über seinen Max.

Vor 25 Jahren begann in Spa-Francorchamps das Formel-1-Phänomen Michael Schumacher, in Form seines GP-Debüts bei Jordan. Ein Jahr später gewann Schumacher, nun im Benetton, in Belgien seinen ersten Grand Prix, das grösste Fan-Magnet der Formel 1 begann, seine Anziehungskraft zu entfalten. Zehn Jahre später waren die Ardennen fest in deutscher Hand. Nun, anno 2016, erkennen wir ähnliche Tendenzen. Statt der Rotkäppchen für Schumi shen wir nun die Oranje-Hemden für Max Verstappen. Der 18jährige Red Bull Racing-Pilot und Spanien-GP-Sieger lockt tausende niederländische Fans nach Spa-Francorchamps. Kurz vor dem dritten freien Training meldete die belgische Polizei: Neun Kilometer Stau bei der Autobahnausfahrt Francorchamps!

Die Schätzungen variieren ein wenig, aber Jos Verstappen (44) meint: «Wenn das so weitergeht, würde ich mich nicht wundern, wenn sich 50.000 Niederländer auf die Socken machen.» Jos hat von Brasilien 1994 bis Japan 2003 107 Grands Prix bestritten, vor seinem 18jährigen Max war Verstappen senior der erfolgreichste Formel-1-Fahrer seines Landes. Wir haben uns mit dem früheren Benetton-, Tyrrell- und Arrows-Fahrer über seinen Sohn unterhalten.

Sag Jos, wie kam es eigentlich zur Intitialzündung, die zu Max, dem Rennfahrer führte?

Es war Max selber, der die Initiative ergriff. Er war viereinhalb Jahre alt als er uns eröffnete, er wolle Kart fahren. Damals war ich noch in der Formel 1, bei Arrows. Klar hatte ich selber auch schon daran gedacht, ihn in ein Kart zu setzen, aber eigentlich wollte ich damit noch ein wenig warten. Ich dachte mir damals, wenn er sechs Jahre alt ist, dann versteht er alles etwas besser, aber nein, Max machte ziemlich unmissverständlich klar, dass er ein Go-Kart haben wollte und zwar jetzt.

Wann hast du angefangen, Max gezielt auf eine Rennkarriere vorzubereiten?

Da gab es eine Situation, da war Max sechs Jahre alt. Schnell war er im Kart schon vorher gewesen. Als Sechsjähriger war er Gleichaltrigen weit voraus. Aber in diesem Alter musste er gegen Fahrer antreten, die acht, neun oder zehn Jahre alt waren. Da war er ein wenig langsamer. Der grosse Schritt kam eines Tages, als unsere belgische Kartstrecke Genk, wo wir zumeist an der Arbeit waren, geschlossen war. Also fuhren wir weiter zu einer Bahn, die Max kaum vertraut war. Max war dort sofort konkurrenzfähig. Ich musste ihm gar nicht mehr viel über die Linien in den verschiedenen Kurven sagen. Da dachte ich – jetzt hat er es verstanden. Als wir dann zurück waren auf der Hausbahn Genk, war dieser markante Schritt nach vorne ebenfalls zu sehen.

Hast du dabei sofort ans Fernziel Formel 1 gedacht oder kam das erst später?

Nein, die Formel 1 war viel zu weit weg. Du musst bedenken, dass wir uns zu Beginn ja nur im Benelux-Raum aufgehalten haben. Du hast noch keine Ahnung, wie Max gegen Gegner aus Italien, England oder Frankreich abschneiden würde. Du musst also international fahren, und das war damals auf dieser Stufe erst mit zwölf möglich.

Hattest du eine Art Stufenplan im Sinn? Mit bestimmten Zielen zu gewissen Punkten?

Ja, ich hatte mir ziemlich genau festgelegt, nach wieviel Jahren Max ungefähr auf welchem Niveau fahren sollte – Junior-Kart, Senior-Kart, Go-Karts mit Schaltgetriebe. Wir sind teilweise auch in zwei Kategorien parallel angetreten, weil ich ihn so viel als möglich fahren lassen wollte. Mir war ganz wichtig, dass er Schalt-Karts fährt, um mehr Verständnis für sein Rennfahrzeug zu gewinnen.

Viele Leser werden sich fragen: Wie viel konntest du ihm von deiner Erfahrung mitgeben?

Alles. Ich versuchte schon auf Kart-Stufe, ihm so viel zu vermitteln wie es nur geht. Denn es gibt so viele Aspekte zu beachten – das Fahren an sich, wie du überholst, dann das Abstimmen deines Fahrzeugs. Ich glaube, Max relativ früh sehr viel mit auf den Weg zu geben, das hat sich ausbezahlt, denn heute zeigt sich, dass er für sein Alter sehr weit ist. Und das war schon im Kart so, als er sich mit Gleichaltrigen gemessen hat.

Wie bist du dabei vorgegangen? Habt ihr euch vor dem Einsatz abgesprochen oder wurde nachher über das Geschehen diskutiert?

Manchmal so, manchmal so, manchmal beides. Viel musste ich ihm nicht erklären. Überholen war für mich ein riesiges Thema, denn man kann meiner Meinung nach auch falsch überholen. Wenn er bei einem Überholmanöver Zeit verloren hat, dann versuchte ich, ihn zu erklären, wie er das besser machen kann. Wenn du Zeit auf der Bahn liegen lässt, dann hast du das nicht richtig gemacht. Max hat sich das verinnerlicht. Das ging so weit, dass ich ihm verboten habe, auf den Geraden anzugreifen oder an Stellen, die mir zu einfach vorkamen. Ich habe ihm gesagt: “Du darfst nur hier, hier und auch da attackieren, sonst nicht.” Und das waren eben Kurven, wo die anderen vielleicht nicht angreifen. Das ist einer der Gründe, wieso wir heute in der Formel 1 den Eindruck haben, Max könne überall überholen. Ein Überholmanöver ist kein Produkt des Zufalls. Ein Pilot muss den Gegner scharf beobachten, seine Schwächen ausspionieren und sich den Rivalen richtiggehend zurechtlegen. Max hat das im Kartsport jahrelang trainiert.

Wir sehen das heute in der Formel 1: Max attackiert an Stellen, wo wenig andere Piloten einen Angriff wagen. Daher hat sich dein Sohn in kurzer Zeit den Ruf erarbeitet, einer der besten Angreifer zu sein.

Das sind alles Früchte jener Arbeit, die vor mehr als zehn Jahren begonnen hat. Max hat sehr gründlich über solche Zusammenhänge nachgedacht und das geübt. Das ist einer der Gründe, wieso er für sein Alter so reif ist.

In welcher Weise konntest du Max helfen, was die mentale Seite des Rennfahrers angeht? Dein Sohn wirkt immer so ruhig und ausgeglichen.

Aber er war schon immer so. Klar kannst du ihn auf viele Zusammenhänge hinweisen, aber diese grundsätzliche Gelassenheit entspricht seinem Charakter, das kannst du nicht trainieren. Ich weiss, dass ich nicht der Einfachste bin, und ich habe von Max sehr viel gefordert. Aber er konnte das alles aushalten. Er war mental schon immer sehr stark. Mit vielen Siegen baute er natürlich auch Schritt um Schritt ein gewaltiges Selbstvertrauen auf. Und wenn du an dich glaubst, dann geht das auch nicht mehr weg.

An welchem Punkt war für dich klar, dass es Max in die Formel 1 schaffen würde?

Ich würde sagen: im Juni 2014. Da fuhr Max in der Formel 3, es gab reichlich Interesse aus der Formel 1, und es riefen die richtigen Leute an. Da war mir klar, dass mein Sohn früher oder später Grands Prix fahren würde. Aber ich will ehrlich sein: Ich hatte 2014 nicht das komplette Budget zusammen, ich stand finanziell für die Saison von Max gerade, niemand konnte sagen, wie das weitergeht. Ab Juni schlief ich ruhiger, denn ich ahnte, dass alles gut wird. Im Juni wusste ich aber noch nicht, dass Max in Australien 2015 als 17-Jähriger sein Formel-1-Debüt geben würde. In Hockenheim war dann schon alles klar, denn einem Dr. Helmut Marko muss man nicht zwei Mal zeigen, was Talent ist. So schnell geht das. Die Entwicklung von Max verblüfft selbst mich. Max in Belgien 2016 ist ein erheblich besserer Fahrer als Max in Melbourne 2015. Und er ist doch erst 18 Jahre alt. Da frage ich mich manchmal selber, wie er wohl in zwei oder vier Jahren sein wird.

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