12h Sebring: Analyse des zweiten IMSA-Klassikers 2017

Kolumne von Martina Müller
Sieger in Sebring und Daytona: Der Cadillac DPi von Wayne Taylor Racing

Sieger in Sebring und Daytona: Der Cadillac DPi von Wayne Taylor Racing

Action, Drama, Spannung und Racing für Puristen. Die diesjährige Ausgabe der legendären 12 Stunden von Sebring bot Spitzen-Motorsport. Aber was lässt sich aus dem Ganzen lernen? SPEEDWEEK.com interpretiert das Event.

Bei der 65. Ausgabe der 12 Stunden von Sebring wurde zunächst einmal eines ganz klar: Cadillac wird in der IMSA-Saison 2017 die Marke sein, die es zu schlagen gilt. Und das hat erschreckend viele Gründe: Zunächst sind die Cadillac einfach die ausgereiftesten Boliden im für 2017 neu aufgestellten Prototypen-Feld. Während es so manchem Kontrahenten im letzten Herbst noch gar nicht komplett bewusst war, wie er in diesem Jahr überhaupt aufgestellt sein würde, absolvierten die Cadillac schon 24h-Testläufe. Das hängt aber logischerweise auch damit zusammen, dass der GM-Konzern für IMSA-Verhältnisse haufenweise Human-Power und natürlich auch Dollar ins Programm gepumpt hat. Und dass sich Chassis-Hersteller Dallara zunächst um den DPi-Auftrag kümmerte, bevor der eigene LMP2 fertig gestellt wurde, war selbstverständlich ebenfalls nicht hinderlich.

In Sebring kam den Cadillac zusätzlich auch noch das Motorenkonzept zugute. Das 6.2L-V8-Drehmomentmonster konnte nicht nur beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven brillieren, sondern hatte auch im dichten Überrundungsverkehr immer genügend Druck auf der Kette. Dies ließ sich insbesondere während des zweiten Renndrittels beobachten, als die drei Caddys immer viel leichter ihre Rundenzeiten reproduzieren konnten als die versammelte Konkurrenz.

Ein interessanter Aspekt war auch die unterschiedliche Herangehensweise der beiden Cadillac-Teams an sich. Action Express Racing wirkte immer einen minimalen Tick schneller, als Wayne Taylor Racing. Die Mannschaft des Ex-Rennfahrers kam dagegen mit der Sprit-Ladung jeweils ein kleines Stückchen weiter. Pilot Ricky Taylor deutete dies bereits nach der Qualifikation verbal an, als er zwar nur Rang sechs belegte, aber auf die Longrun-Fähigkeit für das 12-Stunden-Rennen verwies. Letztendlich brachte das bessere 'Mileage' dann auch tatsächlich den Ausschlag zugunsten von WTR.

Es wäre jedoch falsch, es nur Cadillac zuzuschreiben, dass nach 12 Stunden alle Edel-DPi auf den Top-3-Plätzen lagen. Denn die Konkurrenz trug ihr Übriges dazu bei. Beispielsweise Rebellion Racing: Der Oreca 07 der anglo-Schweizer Equipe war insbesondere in den Händen von Porsche-LMP1-Mann Neel Jani eine Rakete. Doch im Langstreckensport benötigt es eben etwas mehr, als nur Sprint-Qualitäten. Dilettantische Fehler beim Boxenstopp und murrige Technik brachte Rebellion um einen Spitzenplatz. Es fiel auf, dass sich das sonst in der FIA WEC im Wettbewerb befindliche Team mit den teilweise etwas anderen sportlichen IMSA-Regeln schwer tat. So gewinnt man halt keine Rennen – und schon gar nicht gegen die perfekt aussortierten Cadillac.

Über die beiden DPi-Programme von Mazda und Nissan bleiben an dieser Stelle kaum Worte zu verlieren. Vielleicht höchstens so viel: Mit der dargebotenen technischen Fragilität wird es auch in hundert Rennen noch nichts werden, die Cadillac nur annähernd herauszufordern.

Auch der im Regen von Daytona noch glücklich rollende Riley hatte in Sebring nichts zu bestellen: Dass es dem Wagen an ultimativer Pace fehlte, war schon vorher klar. Wenn dann die Technik noch Zicken macht, bringen auch die besten taktischen Rennstrategien von Bill Riley nichts.

In der GTLM-Klasse bestätigte sich der Eindruck der vergangenen Rennen: Der Ford GT ist das Modell, welches es zu schlagen gilt. Vor allem zu Rennbeginn wurde dies mehr als deutlich. Bis zum Einbruch der Dunkelheit waren die flachen Turbo-Flundern eine Macht. Dass nach 12 Stunden aber die Konkurrenz aus Detroit jubelte, kann ganz klar der besseren Rennerfahrung der Corvette-Truppe zugeordnet werden. Die Pratt&Miller-Ingenieure stimmten die C7.R nämlich so ab, dass sie bei kühleren Nachttemperaturen am besten funktionieren würde. Mit diesem Schachzug konnten die übermächtigen Ford besiegt werden. Wer so clever agiert, hat den Triumph dann auch verdient.

Porsche ging einen sehr ähnlichen Weg und hätte am Ende gegen die Corvette beinahe den Klassensieg geschafft. Dass ein Plattfuß kurz vor Rennende die Strategie zunichte machte, ist dann halt einfach Pech. All dies beweist jedoch, dass Ford vom Grundsatz her schlagbar ist – zumindest aktuell noch. Doch mit jedem weiteren Rennkilometer werden auch die Herren am Kommandostand mit dem großen blauen Oval immer mehr Erfahrungswerte sammeln.

Bei BMW ging auch im zweiten IMSA-Saisonlauf nicht viel zusammen. Der eine M6 GTLM war schon früh mit Problemen am Antriebsstrang aus der Entscheidung, der andere Wagen cruiste auf Klassen-Platz sechs. Eines wurde in Sebring aber erneut ganz offensichtlich: Den bayrischen Wagen fehlt es an Performance. Allein die BoP dafür verantwortlich zu machen, ist jedoch zu einfach. Viel mehr spielt hier auch die Tatsache eine Rolle, dass der M6 GTLM kein vollständiger GTE-Bolide ist, sondern lediglich ein adaptierter GT3. Und dieser Zwitter darf nur aufgrund einer IMSA-Sonderregelung gegen die Konkurrenz von Corvette, Ferrari, Ford und Porsche mitfahren. Hier wird wohl erst das echte GTE-Auto, das im Jahr 2018 kommen wird, einen adäquaten Opponenten darstellen.

Wie dem auch sei: Für Insider, Zuschauer, Involvierte und Außenstehende boten die 12 Stunden von Sebring wieder einmal ein authentisches Motorsport-Spektakel. Der so spezielle und gleichzeitig so traditionsreiche Kurs in Zentralflorida trug sein Übriges dazu bei.
Unabhängig von allem ist der Rennsport in den USA auch in heutiger Zeit noch von echter Fan-Nähe geprägt. Hiervon könnten sich so einige europäische und internationale Serien eine dicke Scheibe abschneiden. Denn bevor große Marketing-Kampagnen initiiert werden, die der Frage nachgehen, wie die früher so zahlreich erschienenen Zuschauer wieder zurückgewonnen werden könnten, wäre es doch viel einfacher, sie erst gar nicht zu vergraulen.

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