Norton: Kleinserienhersteller mit grossen Plänen

Von Waldemar Da Rin
Die ruhmreiche englische Marke Norton ist zurück: Mit modernen Motorrädern im klassischen Design, mit Plänen für eine Supersport-Maschine und Expansionsplänen nach China und Indien

1898 wurde die traditionsreiche englische Firma von James Norton gegründet, 1902 wurde das erste Norton-Motorrad gebaut, wobei die ersten Modelle noch von Clement-Motoren aus Frankreich angetrieben wurden. Mit 21 Grand Prix Siegen - das erste Mal gleich ein Doppelsieg durch die beiden Briten Harold Daniell und Johnny Locket 1949 auf der Insel Man - ist Norton in den Geschichtsbüchern verewigt.

Insgesamt gewann Norton acht WM-Titel. Mit Eric Oliver und Cyril Smith dominierte Norton von 1949 bis 1953 die Seitenwagen-WM. Geoff Duke gewann 1951 die Halbliterklasse, 1951 und 1952 die 350er Klasse. Aber das ist schon ein Weilchen her… den letzten Grand Prix gewann Godrey Nash 1969 in Opatja (ex-Jugoslawien) für Norton. Die EM-Titel, die Norton vor 1949 gewann - von 1929 bis 1937 insgesamt deren 11 – liegen n9och weiter zurück in der Vergangenheit.

1969 brachte Norton die legendäre Commando auf den Markt - es war ein letztes Aufbäumen. Zehn Jahre lang schleppte sich Norton noch weiter, bis 1979 die endgültig letzte Commando gebaut wurde. Zuvor hatte man Ende der 70er Jahre weltweit noch ein paar Commandos verkauft, umgebaut als Polizeimaschinen, aber die verschwanden schon bald von den Strassen. Aber ganz aufgeben wollten die Briten doch nicht und versuchten mit einem Wankel-Modell eine Auferstehung. Immerhin gewannen sie mit Steve Spray 1989 die Britische F1 Meisterschaft, aber gegen die japanische Übermacht hatten sie auf dem Markt keine Chance mehr.

Der Amerikaner Kenny Dreer, er hatte sich auf die Commando der 70er Jahre spezialisiert, die er auf Wunsch der Kunden umbaute, stellte 2003 eine komplett neue Commando 952 vor. Ausgestattet mit einem modernen Triebwerk, Öhlins Federelementen und Brembo-Bremsanlage. Einzig der Look war der ursprünglichen Commando noch «ähnlich».

Dreer hatte Bestellungen, aber sein Geldgeber, der Investor Oliver «Ollie» Curme, verlor die Geduld, weil es mit dem Projekt nicht voran ging. Zudem machten sich technische Probleme bemerkbar. Deshalb zog er sich zurück. Vorerst war damit das Ende der Commando 952 besiegelt.

Bis 2008 der englische Motorradfan und Millionär Stuart Garner von Curme die Namensrechte erwarb. Garner wollte, dass die Marke Norton bestehen bleibt, modifizierte und verbesserte die Commando und brachte sie wieder auf den Markt.

Diesen Sommer sorgte Norton mit der sensationellen Vorstellung einer Supersportmaschine mit Alurahmen, Karbonfelgen, V4-Motor mit 200PS und 1200 Kubik für Aufsehen. Die Maschine wurde im Herbst an der Motorradausstellung in Birmingham (GB) der Öffentlichkeit vorgestellt. Die V4-SS wird 59’000 Euro kosten und ist auf 200 Stück limitiert Die V4RR hingegen ist für 37’000 Euro zu haben.

Im Sommer 2017 hat Norton die Lizenz eines 650er Triebwerkes an Zongshen verkauft. Die Chinesen produzieren dieses Triebwerk für den chinesischen Markt in einer technisch abgespeckten Version, die ca. 60 PS leistet. Norton wird exklusiv das 650er Norton Triebwerk mit 90 PS produzieren und entwickeln. In England steht bereits ein Prototyp auf den Rädern und die Produktion soll 2019 starten. Alles selbstverständlich «Made in England».

Ebenfalls besiegelt ist eine Expansion nach Indien, wie der ex-GP-Fahrer Andreas Leuthe, Business Development Manager von JV bestätigte. Norton hat 2018 mit dem indischen Hersteller Motoroyale ein Joint Venture unterzeichnet. Dort werden 2019 für den indischen Markt komplette Norton-Motorräder produziert.

Zurück zur Commando: Norton hat die ehemalige Liegenschaft von Midland Air/Donington Hall, inklusive das Schloss Donington Castle in Donington (in Hörweite der Rennstrecke) übernommen. Dort werden die Modelle Commando und Dominator mit viel Handarbeit hergestellt. So um 800 Stück pro Jahr, alle auf Bestellung und unter Berücksichtigung individueller Kundenwünsche.

In der Halle, wo die Maschinen zusammengebaut werden, stehen auch die ersten drei Modelle von Kenny Dreer und die allererste Norton von 1898 (noch mit dem französischen Clement Motor).

In den letzten zwei Jahren wurde einiges investiert, es wurde eine neue Schlosserei gebaut und geplant ist auch eine weitere Halle für die Lackiererei. Das Ziel ist klar: Möglichst viel selber herstellen, um nicht auf Zulieferer angewiesen zu sein. Schon jetzt werden 83 Prozent aller Bestandteile für die Commando und Dominator in England hergestellt. Bei den zugekauften Teilen handelt es sich vor allem um die schwedischen Öhlins-Federelemente und Brembo-Bremsen aus Italien.

Während der V4-Supersportler mit einem Aluchassis und vielen Karbonteilen auf die Strasse gehen wird, sind es bei den anderen Modellen Stahlrohre, die hier gebogen, verschweisst oder gelötet werden, vieles in Handarbeit. Ein Tank zum Beispiel braucht von den Blechteilen angefangen bis zum fertig polierten Endprodukt zwischen zwei und drei Tagen. Die Aluteile werden alle von Hand poliert, bis der Arbeiter sein Gesicht darin spiegeln kann.

Die Firma beschäftigt momentan 100 Mitarbeiter. Wenn man so durch die Produktionshallen geht, spürt man den Enthusiasmus der Mitarbeiter. Der Umgang untereinander scheint kollegial zu sein, man kennt sich und will am gleichen Strick ziehen, damit all diese Projekte zu Erfolgen werden.

Der Zugang zur Motorenabteilung, wo auch der V4 gebaut wird, wurde uns «leider» verwehrt. Dieser V4-Motor wird wohl früher oder später auch auf der Insel Man eingesetzt werden und so den Aprilia-MotoGP-Motor ersetzen, der nach wie vor in Nortors TT-Rennmaschine steckt. John McGuiness ist Werksfahrer von Norton. Er verletzte sich bei einem Trainingsturz an der Nordwest 200 im Mai 2017 so schwer, dass er 2107 und 2018 an der TT nicht starten konnte.

Immerhin fuhr er 2018 mit der Norton zwei Runden auf der TT, wobei ihm ein Schnitt von über 120 Meilen gelang. McGuiness hat inzwischen die Classic TT 2018 auf Paton gewonnen und beim Goodwood Revival auf einer Norton Manx einen Sieg eingefahren. Ans Aufhören denkt der 23-fache TT-Sieger sicher nicht, zu sehr reizt ihn die Herausforderung, mit einer englischen Maschine eine weitere TT zu gewinnen. Dass die Bolzen und Schrauben mittlerweile metrische Masse haben, stört ihn nicht…

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