Nur noch Sandbahn-GP?

Kolumne von Ivo Schützbach
St. Macaire: Indiskutables GP-Fahrerlager

St. Macaire: Indiskutables GP-Fahrerlager

Muss es erst einen Toten geben, bevor sich die FIM-Offiziellen an ihr eigenes Handbuch halten? St. Macaire war ein Skandal-Rennen – jedoch nicht das einzige in den letzten Jahren.

2006 schüttete es im südfranzösischen St. Macaire schon einmal aus Kübeln. Die Fahrer setzten sich damals sehr zum Murren des Veranstalters durch und fuhren nicht. Das Rennen wurde auf Sonntag verschoben, und es kamen sogar mehr Zuschauer als am Tag zuvor.

Rennen auf Grasbahnen sind bei schlechtem Wetter nicht durchführbar. Während die meisten Sandbahnen über eine Drainage verfügen oder zumindest sehr viel Wasser aufnehmen können, ist eine Grasbahn innerhalb kürzester Zeit unbefahrbar. Besonders in Südfrankreich, wo alle Bahnen einen harten Lehmboden haben, der gar kein Wasser aufnimmt.

Das sind bekannte Tatsachen, in die Überlegungen der FIM-Offiziellen werden sie aber nicht mit einbezogen – und das seit vielen Jahren. Als die Fahrer 2010 in St. Macaire zum ersten Lauf auf die Bahn geschickt wurden, waren die Verhältnisse lebensgefährlich. Dass es mit Stephan Katt nur einen Verletzen gab, nenne ich grosses Glück. Aus den Handlungen der Offiziellen, damit meine ich den Schiedsrichter, den Race-Koordinator und den Jury-Präsidenten, könnte man schliessen, dass ihnen die Gesundheit der Fahrer egal ist. Hauptsache, die Show geht über die Bühne.

Oder war der Druck von Seiten des Veranstalters so gross, dass die Offiziellen nachgaben, um ihre eigene Haut zu retten?

Wie sich der Veranstalter in St. Macaire verhielt, ist beispiellos. Der Vereins-Vorsitzende stellte sich vor die Tribüne und forderte die Fans auf, Radau zu machen, weil sich die GP-Fahrer weigerten zu fahren. Der Stadionsprecher hetzte tatkräftig mit. Als die Fahrer dem Rennleiter sagten, dass sie bei so schlechten Bedingungen nicht fahren würden, drohte dieser damit, die Fahrerlagertore zu öffnen und die Zuschauer hereinzulassen. Einige Mechaniker standen schon mit dem 48er-Schlüssel in der Hand parat.

Jörg Tebbe beschrieb, wie Fahrer Angst vor fliegenden Flaschen hatten und dass ihre Transporter beschädigt werden. Gerd Riss musste verwundert zur Kenntnis nehmen, wie er von den Franzosen gnadenlos ausgepfiffen wurden, weil sie in ihm den Anstifter zum Boykott sahen.

Wie kann sich die FIM ein solch beschämendes Verhalten von einem Veranstalter bieten lassen?
Schiedsrichter und Jury-Präsident haben nach dem Handbuch zu handeln.
Und in diesem fanden sich genügend Gründe, am Samstagabend um 21 Uhr in St. Macaire nicht zu fahren.
Bedenkt man dann noch die Reaktionen des Publikums, kann es nur eine Konsequenz geben: Kein Grand Prix mehr in St. Macaire!

In Anbetracht der Bedingungen auf Grasbahnen in den letzten Jahren, wir erinnern uns an den abgesagten Grand Prix in Bielefeld, den GP-Challenge in Aduard und an Regenrennen in Marmande, als die erbosten Fans Flaschen ins Fahrerlager warfen, weil die GP-Piloten nicht fahren wollten, muss darüber nachgedacht werden, Grands Prix generell nur noch auf Sand auszutragen.

So gescheit war die FIM schon einmal: Von 1971 bis 1996 fand die Langbahn-WM ausschliesslich auf Sandbahnen statt. Aus gutem Grund.

Es geht nicht um eine Verteufelung von Grasbahnen. Die Rennen darauf sind exzellent. Doch ein vernünftiger Bahndienst, die Bindung des Staubs sowie ein Notprogramm bei Regen sind ungleich schwieriger als auf einer Sandbahn zu bewerkstelligen.
Vereine in Holland oder etwa in Berghaupten haben beweisen, dass man eine Grasbahn nach Regen wieder befahrbar machen kann. Alles hängt von den Bodenverhältnissen und dem Maschinenpark vor Ort ab. Die FIM muss also von Fall zu Fall entscheiden, welche Grasbahn für einen Grand Prix geeignet ist. Diejenigen in Südfrankreich gehören nicht dazu.

Nach St. Macaire war von offizieller Seite zu hören, man werde etwas aus den Vorkommnissen lernen. Ich bin gespannt was. Ich wette, es war nicht das letzte Mal, dass in St. Macaire ein Grand Prix oder ein WM-Lauf war.
Warum? Weil mächtige Leute innerhalb der FIM-Bahnsport-Kommission CCP aus Frankreich stammen und weil es dort viele Zuschauer gibt.

Genau diese Leute sollten aber einmal darüber nachdenken, wer haftbar ist. Gibt es einen Todesfall, tritt der Staatsanwalt auf den Plan. Kann grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden, rollen Köpfe und drohen hohe Geld- sowie Gefängnisstrafen.

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