Der ganz normale Macau-Wahnsinn

Kolumne von Yörn Pugmeister
Viel Schrott – das gewohnte Bild in Macau

Viel Schrott – das gewohnte Bild in Macau

Der Wahnsinnsritt durch die City der chinesischen Küstenstadt ist ein Spiel mit dem Feuer.

Nach 45 Minuten Fährfahrt vom Flughafen Hongkong in die chinesische «Sonderverwaltungszone» Macau setzt im dortigen Ferry Terminal mit Entladung des Gepäcks der ortstypische Irrsinn ein. Die Fracht kommt, von gelb Behosten auf Blechkarren geschoben, und wird in wirren Haufen an die Wand der Ankunftshalle geschüttet. Zettel an Säulen mahnen: «Achte darauf, dass du das richtige Zeug greifst und dass nicht ein anderer mit deinem Eigentum abhaut.»

Auf dem Weg zum Taxistand begegnet der aufmerksame Reisende gern Blinden ohne gelbe Armbinden. Der moderne Chinese sieht nichts mehr von seiner Umwelt: schleift Schuhe im Trippelschritt und starrt nach unten. Weder auf den Boden noch auf seine Füsse, auf die Schirme seiner mobilen Internetausrüstung stiert er. Kollisionen sind programmiert, Entschuldigung gehört nicht ins chinesische Vokabular. Taximänner bieten – besonders in der Grand-Prix-Zeit mit seinen vielen Umfahrungen der mitten durch die City verlaufenden, wahnsinnigen Rennstrecke – kostengünstige Stadtrundfahrten an.

Steigt der Fremde nur im bescheidenen Viersternehotel – statt eines Casinos vielleicht mit zwei einladenden Sauna-Etagen ausgestattet! – ab, lässt er besser jede Hoffnung auf Kommunikation fahren: Ausser in Chinesisch ist da nichts zu machen. Beim Frühstück sowieso nicht: Gedünsteter Kohl mit klebrigen Teig-taschen, trübe Suppe vom Trockenfisch, Toast schwarz, ölige Nudeln für Fernost-Gourmets. Dafür aber stehen jeden Abend frische Sauna-Schlappen am Bett!

Jedes Fünfsternehotel hat sein Casino. Macau macht mehr Spiel-Umsatz als Las Vegas und Monte Carlo zusammen. Deshalb glitzern auch alle Hotels so toll, Tag und Nacht, und nur morgens gegen sieben erlöschen ein paar ihrer Lauflichter. An menschlichen Handgelenken glitzert’s permanent: Man trägt Rolex, Omega, Franck Muller und Cartier, fett in Gold. Staunend vor einer Uhrenauslage stehend bekam ich ein Sonderangebot: Rolex Daytona, Gold, 50 Euro – plus 60 Prozent Rabatt. Ich versprach, mir’s zu überlegen, falls noch ein stattlicher Brillie für 15 Euro dazugelegt würde.

Mit richtig Geld kann man hier alles kaufen, sogar ganze Rennen während der vier Grand-Prix-Tage: Der Formel-3-Event und die WTCC-Rennen der FIA werden vom Dachverband der Casinos – dem SJM mit seinen 20 Spielhöllen – finanziert. Die Casino-Gruppe Suncity gibt sich eine Road Sport Challenge, die Telefonkompanie CTM hält einen Touring Car Cup am Leben, das Hotel Fortuna verschafft einer Horde von asiatischen Honda-Integra-Kutschern die Chance, sich an Planken zu verschrotten, die City-of-Dreams-Hotelgruppe lässt Hochkaräter wie Edoardo Mortara, Lucas di Grassi und andere in üppigen GT-Boliden à la Audi R8 LMS ultra, Ferrari 458 und Porsche 911 GT3 R für sich strahlen.

Die Reiter von Rennmotorrädern, die in aberwitzigen Schräglagen ebenfalls durch Macau schwärmen, den Lack ihrer Helme und die Farbe ihrer Kutten an Mauerecken abraspeln, glänzen weniger, riskieren alles, sind hart im Nehmen. Stefano Bonetti, 35, aus Italien, stürzte mit seiner Kawasaki, klagte über Schmerzen im linken Bein. In der Klinik wurde konstatiert: Brustkorb eingedrückt, vier Rippen rechts gebrochen, Rückgrat an drei Stellen angeknickt, linker Oberschenkel gebrochen. Luis Car-reira, 35, aus Portugal, stürzte mit seiner Suzuki auch, klagte über nichts: Er starb 20 Minuten nach Ein-lieferung ins Spital.

Für ihn gab’s eine Gedenkminute, und für Philipp Yau, 40, aus Hongkong, ebenfalls. Der hatte sich in seinem Chevrolet Cruze, einem ehemaligen WTCC-Werksauto, beim Qualifying für das CTM-Tourenwagen-Rennen ausgangs der superschnellen Mandarin-Rechtskurve totgefahren.

João Costa Antunes, Chef des «Macau Grand Prix Komitees», allgemein respektvoll mit «Engineer» angesprochen, kommentierte: «Nach 60 Jahren Grand Prix Macau ist der Sicherheitsstandard als akzeptabel zu betrachten. Alle, die hier Motorsport betreiben, wissen, dass er gefährlich ist.

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