Tom Lüthi: Der Traum von der MotoGP lebt weiter

Von Günther Wiesinger
Tom Lüthi nach Platz 3 in Le Mans

Tom Lüthi nach Platz 3 in Le Mans

Der Schweizer Tom Lüthi war 2016 Moto2-Vizeweltmeister, aber vier andere Fahrer stiegen in die MotoGP auf. Ist mit 30 Jahren der Zug abgefahren?

Tom Lüthi ist der Evergreen in der mittleren Hubraumklasse, er hat die 125er-WM nach der Saison 2006 verlassen, bestritt dann der Jahre lang die 250er-WM auf einer Aprilia RSA 250 und fährt schon seit 2010 in der Moto2-Klasse, zuerst auf Moriwaki (2010), dann auf Suter, seit 2015 auf Kalex.

Den Wechsel in die MotoGP-WM hat der Schweizer nie bewältigt, obwohl er einst bei Honda als Lohn für den 125-WM-Titelgewinn 2005 eine 990ccm-V5-Maschine testen durfte und nachher auch immer wieder mit der Königsklasse in Verbindung gebracht wurde – bei BMW, Ilmor, Suzuki, Forward, Pramac, Aspar und so weiter.

Zuletzt stand der Berner im August 2014 in Brünn in Kontakt mit einem MotoGP-Team, das war mit Jorge Martinez, aber es ergaben sich nie konkrete Verhandlungen.

Für 2016 unterschrieb Lüthi als MotoGP-Testfahrer bei KTM, er spulte zwei Tests ab und musste für den dritten wegen einer Verletzung absagen. Für 2017 reduzierte KTM das Testfahrer-Aufgebot, neben ihm wurden auch Abraham und de Puniet nicht mehr benötigt. Es blieb nur Mika Kallio übrig.

Tom Lüthi hatte vom Red Bull KTM-Ajo-Team ein Angebot für die Moto2-WM 2017, aber er entschied sich nach reiflicher Überlegung für den Verbleib beim Garage Plus Interwetten-Team von Unternehmer Olivier Métraux. «Denn ich dachte, wenn ich die Verbindung zu Métraux abbreche, verliere ich auch die Chance, bei ihm einmal eine finanzielle Mitgift auszuhandeln, wenn ich für die MotoGP-WM eine brauche», sagt der aktuelle WM-Zweite aus der Schweiz.

Tom wollte außerdem mit seinem genialen Crew-Chief Gilles Bigot im bewährten Umfeld 2017 und mit der siegreichen noch einmal auf den Moto2-WM-Titel lossteuern, nachdem er 2016 immerhin vier WM-Rennen gewonnen hat. Dass KTM im ersten Jahr nicht für den Moto2-WM-Titel in Frage kommen würde, war klar.

KTM überlegte damals auch, Tom Lüthi 2018 mit einem Satelliten-Team in die MotoGP-WM zu holen.

Aber KTM hat die Pläne für ein Kundenteam ohnedies inzwischen auf 2018 verschoben.

Viele Experten sind überzeugt, Tom Lüthi wäre als Pilot wegen seiner sauberen Fahrweise für die MotoGP-WM sehr gut geeignet.
Aber ob sein Können jemals in der «premier class» unter Beweis stellen kann, ist fraglich.

Denn für 2018 werden nicht viele Plätze frei, den Marc VDS-Honda-Platz (von Rabat) hat sich schon Moto2-WM-Leader Franco Morbidelli geschnappt.

Und Tom Lüthi will nur aufsteigen, wenn er Chancen auf Top-Ten-Plätze hat. «Die renommierten Werksteams sind alle besetzt. An Aprilia habe ich wenig Interesse, ich glaube nicht, dass Sam Lowes dort momentan Spaß hat... Tech3-Yamaha wäre sicher interessant, aber die werden nächstes Jahr mit Zarco und Folger weiterfahren. LCR-Honda wäre sicher auch eine interessante Möglichkeit.»
Aber dort wird wohl Cal Crutchlow bleiben und Nakagami oder Bagnaia den zweiten Platz übernehmen.

Tom Lüthi ist sich bewusst, dass er einmal eine überzeugende Moto2-Saison wie Johann Zarco 2015 und 2016 oder jetzt Franco Morbidelli (4 Siege in 5 Rennen) vorführen müsste, um bei den MotoGP-Teams nachhaltig Aufmerksamkeit zu erregen. 2016 gewann er zwar den Auftakt in Katar, aber dann erst wieder nach zehn sieglosen Rennen im September in Silverstone. Deshalb bekamen schliesslich Zarco, Rins, Folger und Lowes einen MotoGP-Vertrag, Lüthi ging leer aus. Als er seine Siegesserie im Herbst vorlegte, waren die Verträge alle schon gemacht.

«Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mit 30 Jahren zu alt bin für die MotoGP-WM. Aber ich habe bisher noch nie ein konkretes Angebot gehabt», hält Tom Lüthi fest. «Dass der Schweizer Markt klein und unbedeutend ist, spielt sicher eine Rolle. Diese Situation ist nicht hilfreich.»

Lüthi will aber nicht genau festlegen, bei welchem Angebot er in der MotoGP-Klasse «Ja» sagen würde.

Aber bevor er ein Vorjahres-Motorrad in einem chancenlosen Kundenteam fährt, kämpft er lieber weiter in der Moto2-Klasse um den Titel.

«Früher sind die Fahrer auch viele Jahre lang in der 125er-WM und 250er-WM gefahren, manche sind nie in die 500er-WM aufgestiegen», weiß der 14-fache GP-Sieger. «Außerdem ist der extreme Jugendwahn in der MotoGP vorbei. Diese war 2014 auf dem Höhepunkt, als Jack Miller direkt aus der Moto3-WM mit 18 Jahren ein Honda-Angebot bekam.»

Das ist richtig: Denn im Sommer 2016 bekam der 26-jährige Zarco ein Angebot für die MotoGP-WM – und zeigte mit Platz 2 beim GP de France sein Können.

«Valentino Rossi zeigt ja jede Woche, dass man mit 38 Jahren auch noch MotoGP-Weltklasse sein kann», tröstet sich Tom, der sich auch vorstellen kann, eines Tages in die Superbike-WM umzusteigen.

Tom Lüthi räumt im Rückblick auch ein, dass er in seine Laufbahn nicht immer alles richtig gemacht hat. «Wenn ich nach der 125er-WM mit Honda die 250er-WM bestritten hätte, wäre der Aufstieg in die MotoGP-Klasse vielleicht leichter gefallen», grübelt er.

Ja, da könnte etwas Wahres dran sein. Fahrer wie Andrea Dovizioso und Hiroshi Aoyama kamen nach ihren Honda-250-Jahren recht unkompliziert in die MotoGP-Klasse – und Stefan Bradl nach dem Moto2-Titelgewinn mit den Honda-Einheitsmotoren auch.

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