MV Agusta-Comeback: Wieder nur ein Märchen?

Von Günther Wiesinger
In Misano fuhr Forward bereits im MV-Design: Baldassarri, Cuzari und Marini

In Misano fuhr Forward bereits im MV-Design: Baldassarri, Cuzari und Marini

Forward-Teamchef Giovanni Cuzari kündigte die Rückkehr von MV Agusta in den GP-Sport an. Aber wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Spätestens seit der vierwöchigen Untersuchungshaft im Anschluss an den Sachsenring-GP 2015 hat Forward-Racing-Chef Giovanni Cuzari alle Mühe, seinen Moto2-Rennstall am Leben zu erhalten.

Die meisten Sponsoren haben das Team seither im Stich gelassen. Seine ins Visier der Justiz geratene Firma Media Action srl. hat Cuzari schon vor mehr als zwei Jahren stillgelegt.

Zuletzt hat sich Cuzari auch mit Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta angelegt und sich beklagt, dass die Moto2-Teams nicht genügend finanzielle Zuschüsse erhalten.

Dabei übernimmt die Dorna zum Beispiel den Großteil der Motorenkosten, die Teams zahlen für die 600-ccm-Honda-Motoren für die IRTA-Tests und 18 Rennen nur 20.000 Euro pro Saison und Fahrer.

Auch die Bande zur VR46 Riders Academy von Valentino Rossi sind nicht mehr so eng wie früher. Rossis Mannschaft hat für 2018 sowohl Luca Marini (er kommt ins SKY VR46-Team) als auch Lorenzo Baldassarri (Misano-Sieger 2016) aus dem Forward-Team abgezogen; «Balda» wechselt ins Team von Sito Pons.

Cuzari wurde in diesem Jahr vom «Tribunale il Milano» in erster Instanz zu zwei Jahren Gefängnis bedingt verurteilt. Es ging um den Verdacht auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung mit Hilfe eines Kreislaufs von Scheinrechnungen für italienische Sponsoren.

Es sollen rund 3 Millionen Euro an italienischer Mehrwertsteuer (IVA) hinterzogen worden sein.

Im Schweizer Tessin droht eine weitere Anklage wegen dieser Delikte.

Forward Racing hat für 2018 bei der Teamvereinigung IRTA bisher zwei Plätze für Luca Marini und den Brasilianer Eric Granado reserviert.

Teambesitzer Cuzari kündigte jetzt den Einstieg von MV Agusta an. Er berichtet von der Rückkehr der ruhmreichen italienischen Marke in den GP-Sport nach mehr als 40 Jahren.

Aber diese Behauptungen sind mit Vorsicht zu genießen.

Denn von MV Agusta ist dazu bisher keine Silbe verlautbart worden.

Cuzari hat gegenüber SPEEDWEEK.com schon im Oktober 2015 behauptet, er werde 2016 als Teamprinzipal von MV Agusta die Einsätze in der Supersport- und Superbike-WM leiten. 2017 oder 2018 werde MV Agusta werksseitig in die MotoGP-WM zurückkehren und für 2019 habe man sich als Lieferant für die Moto2-Einheitsmotoren beworben.

Kein Wort davon ist jemals wahr geworden.

Denn MV Agusta hat in den letzten 25 Jahren mehrmals den Eigentümer gewechselt und trotz attraktiver Motorräder mit glanzvollem Namen nie die Gewinnzone erreicht.

Vor eineinhalb Jahren war von Schulden in der Höhe von 70 Millionen die Rede. Ein Insider berichtete damals, der deutsche 25-Prozent-Teilhaber AMG Mercedes könne die restlichen 75 Prozent der Firmenanteile übernehmen, falls er die Verbindlichkeiten tilgen würde. Doch MV Agusta verkaufte 2015 nur rund 9000 Motorräder, ein Break-even war nicht in Sicht, AMG Mercedes erhöhte die Anteile nicht, MV-Agusta-Firmenchef Giovanni Castiglioni musste eine Umschuldungsplan vorlegen.

Inzwischen ist der russische Investor «ComSar Invest» eingestiegen. Er hat im Sommer 2017 angekündigt, man werde die 25 Prozent von AMG zurückkaufen.

Der MV-Agusta-Superbike-WM-Rennstall ist längst an den Privatmann Andrea Quadranti verkauft werden, Forward hatte damit nie etwas zu tun. Das von Cuzari ins Spiel gebrachte Joint Venture zwischen dem MV Agusta-Team und Forward Racing kam nie zustande. Dabei lag bei Forward für 2016 viel Infrastruktur brach.

Denn nach der Untersuchungshaft von Cuzari verlor das in Agno/Tessin beheimatete Forward-Team den Anspruch auf die beiden MotoGP-Plätze für 2016.

Wie der Moto2-WM-Einstieg von MV Agusta gestaltet werden soll, dazu wurden nie Einzelheiten verraten.

Eines ist klar: Ein eigenes Rolling Chassis kann MV Agusta bis zum Saisonstart 2018 unmöglich designen, konstruieren, testen und entwickeln.

Forward müsste mit Kalex weiterfahren und die Namensrechte für die deutschen Motorräder an MV Agusta verkaufen.

So eine Vorgangsweise gab es schon einmal in der Moto2: Japan-Italy-Racing-Teambesitzer Luca Montiron setzte seine japanischen TSR-Fahrgestelle drei Jahre lang unter der Bezeichnung «Motobi» ein.

Und Kalex erlaubte Sito Pons in den Jahren 2010 und 2011 die Motorradbezeichnung «Pons Kalex» mit einer eigenen Konstrukteurslizenz. Auch der Schweizer Hersteller machte einmal ähnliche Zugständnisse – 2014 existierte ein Fabrikat namens Caterham-Suter – das Bike hatte technisch mit dem malaysischen Hersteller Caterham nichts zu tun.

Mit dem glorreichen MV Agusta-Zeitalter unter dem Grafen Corrado Agusta mit Stars wie Agostini, Read & Co. hätte die neue MV-Ära ohnedies nur den Namen gemeinsam.

Mit 275 GP-Siegen und 75 Weltmeistertiteln war MV Agusta im GP-Sport die erfolgreichste Motorradmarke der ersten 30 Jahre.

Für den letzten MV-Agusta-GP-Sieg sorgte Giacomo Agostini 1976 in der 500-ccm-Klasse auf dem Nürburgring. Er fuhr damals 52,10 Sekunden vor Marco Lucchinelli (Suzuki) ins Ziel.

Forward hat schon für 2014 ein exklusives Motorrad-Projekt für die Moto2-WM angekündigt. Der namhafte britische Hersteller FTR sollte damals für Simone Corsi und Mattia Pasini nach einem Jahr GP-Pause wieder konkurrenzfähige Motorräder bauen. Corsi und Pasini testeten mit FTR im November 2013 in Almeria und hofften auf siegfähiges Material.

Aber dann fehlte das Forward-Team beim ersten Moto2-IRTA-Test 2014 in Valencia.

Aus England wurde damals gemeldet, Forward sei den Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen, deshalb seien die Motorräder nicht ausgeliefert worden. Die Forward-Verantwortlichen widersprachen dieser Darstellung.

Beim nächsten IRTA-Test in Jerez kreuzte Forward mit Motorrädern auf, die unter der Bezeichnung «Forward KLX» eingesetzt wurden.

Sie stammten aus den Kalex-Beständen des Blusens-BQR-Teams, das sich 2014 ganz auf die MotoGP-WM konzentrierte und die betagten Motorräder von Toni Elias und Kyle Smith verhökerte.

Von Kalex war damals zu hören, es sei ein ehemaliges Max-Neukirchner-Chassis aus dem Kiefer-Team von 2012 dabei, das nach den Berechnungen der Kalex-Techniker schon 23 Stürze erlebt hatte.

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