Heike Teschner: «Waldi war ein verrückter Junge»

Kolumne von Günther Wiesinger
Ralf Waldmann mit Heike Teschner

Ralf Waldmann mit Heike Teschner

Heike Teschner spricht ein Jahr nach dem Tod von Ralf Waldmann über die Liebe ihres Lebens, ihre schöne und aufregende Zeit mit dem 20-fachen GP-Sieger und das Drama am Todestag.

Auch ein Jahr nach dem völlig überraschenden Tod von Ralf Waldmann zeigt sich seine Lebensgefährtin Heike Teschner geschockt. «Ich kann gar nicht glauben, dass es ein Jahr her ist. Seit dem 10. März 2018 fehlt mir ganz viel Erinnerung, aber ich kann mich an fast jeden Moment in den Monaten davor erinnern», schildert sie. «Ich weiß noch genau, was wir gemacht und worüber wir gesprochen haben. Am 7. März vor einem Jahr haben wir wieder unseren Urlaub in Mexiko gebucht, das wäre zwischen den Grand Prix in Argentinien und Austin gewesen, so wie im Jahr davor.»

Heike Teschner kommt immer wieder ins Schwärmen, wenn sie an die gemeinsame Zeit mit dem 20-fachen GP-Sieger zurückdenkt. «Waldi meinte, es gäbe keinen Menschen, der sich so freuen könne wie ich.»

«Alle sagen, ich müsse loslassen, aber das kann und will ich nicht. Ich will nicht eine Minute, nicht eine Geste, nicht einen Gesichtsausdruck von Waldi vergessen…», meint Heike.

Auch während des Katar-GP kamen Erinnerungen auf. «Vor zwei Jahren sind wir dort im Regen auf der Promenade spazieren gegangen.»

Vor einem Jahr am 6. März kurz vor Waldmanns Tod fand auch der Gerichtstermin mit der DKB (Deutsche Kredit Bank) wegen der Windkraftanlagen statt. Die DKB hatte einst mit Willi Balz zusammen die Windkraftanlagen an Raudies, Eckl und Waldmann verkauft, diese Investitionen entpuppten sich bald als finanzielles Desaster. Waldi sprach in diesem Zusammenhang gern von einem «abartigen Geflecht».

Die Experten der Bank haben sich sichtlich geschämt, als die Richter Waldi vor einem Jahr empfohlen haben, die Klage zurückzuziehen, weil keine Aussicht auf Erfolg bestand. «Immerhin hatten wir damit eine Entscheidung, auch das war eine Art von Erleichterung.»

Mit seinen geschäftlichen Transaktionen hatte der mit 51 Jahren verstorbene Waldi nie viel Glück. Auch seine Beteiligung beim Motorradwerk MZ blieb finanziell erfolglos.

«Ich trage mein Herz auf der Zunge», sagt Heike Teschner. «Das ist nicht immer von Vorteil, aber keiner kann aus seiner Haut... Waldi machte aus seiner Meinung auch nie ein Geheimnis. In dieser Hinsicht waren wir uns ähnlich.»

Heike Teschner würde gern ein Buch über Ralf Waldmann veröffentlichen. «Ein GP-Berichterstatter müsste seine aktive Karriere beleuchten, ich könnte den Part der letzten Jahre und den privaten Teil übernehmen. Das käme bestimmt gut an. Waldi hat mich mit seinen Geschichten immer gefesselt und begeistert. Ich möchte bald anfangen zu schreiben.»

Heike Teschner erinnert sich im Gespräch mit SPEEDWEEK.com detailreich an die letzten Stunden des zweifachen 250-ccm-Vizeweltmeisters. «Nachdem man mir Waldi nach seinem Tod am Samstagabends weggenommen und ihn abgeholt hatte, habe ich versucht, seinen Sohn Leo zu erreichen. Ich wollte nicht, dass Leo die Nachricht aus dem Internet oder von Fremden erfährt.»

«Beim letzten Frühstück an seinem Todestag hat Waldi mir erzählt, dass er in der Woche zuvor bei seinen Eltern am Grab gewesen sei», schilderte Heike Teschner. «Der Friedhofsgärtner habe das Grab immer schön gestaltet, es sei ein so schöner Platz dort unter dem Baum, da könnten wir auch mal hin, überlegte er. Ich habe ihn in den Arm genommen und gemeint, da würden wir uns aber bitte noch 30 Jahre Zeit damit lassen... Er erzählte auch, dass er am Tag zuvor den Pastor getroffen und lange mit ihm gesprochen habe. Der Pastor wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft des Elternhauses, in dem Waldi in den Tagen zuvor handwerkliche Arbeiten erledigt hatte.»

«Waldi meinte, der Pastor sei ein ganz netter, mit Familie, er wisse, was im Leben abläuft. Waldi hatte lange mit dem Pastor gesprochen und ihm berichtet, was ihm alles in den letzten Jahren widerfahren sei, dass er jetzt mit mir glücklich sei und wir viele Pläne hätten.»

Waldi wollte nicht verbrannt werden

Heike Teschner hatte nach dem Tod von Stefan Kiefer und Peter Rubatto manchmal mit Waldi über das Sterben geredet. Sie wusste, dass er zu den Eltern ins Grab wollte. Der Gedanke, verbrannt zu werden, habe Waldi nicht behagt.

Heike Teschner entschloss sich zu einer öffentlichen Beerdigung mit vielen Freunden und Bekannten, sogar Max Biaggi, Waldmanns alter Rivale, kam aus Monte Carlo angeflogen. «Natürlich! Waldi hat es genossen, von seinen Fans umjubelt zu werden, und er hatte mehr Freunde als jeder andere, den ich kenne», betont Heike. «Ich wollte meinem Waldi seinen letzten stillen Applaus und den Abschied von seinen Freunden nicht verwehren.»

«Erst am Freitagmittag, sechs Tage nach seinem Tod, durfte ich zu Waldi, nachdem sein Leichnam von der Staatsanwaltschaft nach der Obduktion freigegeben worden war. Der Bestatter gab mir einen Schlüssel, den ich bis zur Beerdigung behalten durfte, damit ich zu ihm konnte, wann immer ich wollte. Ich habe den ganzen Tag vor ihm gekniet in diesem kalten Keller, ich habe gebetet, obwohl ich nicht religiös bin. Ich habe Waldi versprochen, für seinen Leo da zu sein. Abends habe ich den Sarg verschließen lassen. Das war alles schwer zu ertragen.»

Die schwere Zeit nach der Scheidung

Ralf Waldmann hatte nach seiner Scheidung bei den Grand Prix oft erzählt, seine Ex-Frau mache ihm das Leben schwer. Er brach manchmal in Tränen aus, wenn er Details erzählte. Besonders bedauerte er, dass ihm der Zugang zu seinem geliebten Sohn Leo erschwert wurde. «Waldi ist an einem gebrochenen Herzen gestorben», ist einer seiner besten Freunde überzeugt.

Der gutmütige Ralf Waldmann hat sich immer um seinen Sohn Leo bemüht. Er blieb anfangs extra in Bayern in einem Appartement, um in seiner Nähe zu sein. Aber der Zugang zu Leo sei ihm nie leicht gemacht worden, schilderte der Ex-Rennfahrer während seiner Zeit bei Eurosport an den GP-Wochenenden immer wieder.

«Als ich Waldi kennenlernte, war er psychisch fertig», meint Heike Teschner. «Ich konnte aber damit umgehen, weil ich selbst eine Trennung hinter mir hatte. Als Waldi gestorben ist, war er wieder glücklich, voller Pläne. Wir waren beide mit unserer Vergangenheit versöhnt, weil uns alles dahin geführt hatte, wo wir jetzt miteinander waren. Ich habe Waldi deshalb immer getröstet und vertröstet. Und dann kam er an diesem 10. März einfach nicht nach Hause.»

10. März 2018: Waldis Herz hörte auf zu schlagen

«Ich war vorübergehend fast sauer, weil ich dachte, er hätte sich wieder verbastelt und die Zeit vergessen», erinnert sich Heike. «Das ist vorher schon mal passiert, und ich habe mir fürchterliche Sorgen gemacht, weil er nicht ans Handy gegangen ist. Ich bin damals in die Werkstatt gefahren, und er kam mir freudestrahlend entgegen gehüpft. Ich habe ihn damals fürchterlich geschimpft und gesagt, er müsse in Zukunft wenigstens eine Nachricht schicken, dass alles in Ordnung sei, egal wie lange es dauere.»

Waldmann war vor einem Jahr in seinem Elternhaus bei einer Heizungsreparatur an einem Herzversagen gestorben. Die Staatsanwaltschaft gab nie Auskunft über die genaue Todesursache. Der Bestatter bekam die Information, Waldis Herz habe einfach aufgehört zu schlagen.

Heike Teschner: «Ich habe an diesem 10. März vor einem Jahr noch auf dem Weg nach Ennepetal zu Thorstens Freundin am Telefon gesagt, dass es mir gerade leichter fiele, wütend zu sein als Angst zu haben. Bei ihr hatte ich nachgefragt, ob Waldi noch mit Thorsten in der Werkstatt sein könnte, weil die Jungs die Handys meistens auf ‚lautlos‘ auf dem Schreibtisch oder in der Hosentasche hatten. Und dann habe ich Waldi vor dieser Heizung in der Wohnung in der zweiten Etage gefunden. Ich dachte erst, er sei eingeschlafen. Ich habe ihn angeschrien, als er nicht reagierte. Er lag auf der Seite vor dem Heizkörper, die Zange hing noch am Thermostat-Ventil. Das Zimmer war dunkel, weil die Wohnung leer und ohne Lampen war. Ich habe Thorstens Freundin am Telefon angeschrien, dass sie einen Notarzt rufen solle, habe das Handy weggeschmissen und Waldi in Richtung Flurlicht gezogen. Der Mieter aus der unteren Wohnung hat das Licht von unten immer wieder angemacht und in der Haustür auf den Krankenwagen gewartet. Ich habe Waldi angefleht, dass er zu mir zurückkommen soll. Ich habe gepumpt und gepumpt und gebettelt und gefleht, bis ich dachte, dass ich es schaffe, weil es unter meinen Händen wieder wärmer wurde. Bis meine Knie blutig waren und irgendwann der Notarzt kam. Ilona und Thorsten waren irgendwann eingetroffen. Sie haben später erzählt, dass die Sanitäter noch eine Dreiviertelstunde lang alles versucht und Waldi dann für tot erklärt haben.»

Heike: «Ich weiß nicht mehr, wie lange ich mit Waldi im Arm auf diesem Fußboden gelegen habe. Ich habe ihn mit seinem und meinem Pullover zugedeckt und versucht, ihn warm zu halten. Er hat immer so schnell gefroren. Ich habe ihn auf die halb geöffneten Augen geküsst und gestreichelt. Ich ihm versprochen, ihn nicht loszulassen. Das werde ich auch nie tun, weil ich es weder will noch kann. Wie soll man damit fertig werden, dass er nie mehr nach Hause kommt?»

«Ich träume andauernd, dass sein Tod nur ein Traum sei. Waldi ist dann ganz real, er erzählt mir irgendeine seiner verrückten Storys, warum er weg war. Und dann fängt mit dem Aufwachen der Albtraum von Neuem an.»

«Wir haben uns innig geliebt. Mehr Liebe geht nicht», versichert Heike Teschner. «Normalerweise kommt irgendwann der Punkt, an dem man Eigenschaften am anderen feststellt, die nerven. Das gab's bei uns nicht. Wir waren nach drei Jahren noch verrückt nacheinander, haben uns angehimmelt, haben uns morgens nach dem Aufwachen schon angegrinst wie zwei Irre. Ich habe noch am Abend vorher zu ihm gesagt, dass das nicht normal sei, dass man sich immer noch mehr lieb hat. Ich habe Waldi oft gesagt, dass ich mit ihm gesegnet bin. Heute bin ich froh, dass ich ihm das immer gezeigt und oft mitgeteilt habe. Ich wollte immer auf ihn achten, ich hab' ihn auf liebevolle Art gezwungen, sich zwischendurch auch Ruhe zu gönnen. Diese Momente, Stunden oder Urlaubstage waren dann für uns beide das größte Glück.»

«Waldi war wirklich der tollste und intelligenteste Mann, der verrückteste Junge und der liebenswerteste Mensch, den ich jemals gekannt habe. Waldi kannte sich in Politik und Wirtschaft unglaublich gut aus, er war an allem interessiert. Nur als Geschäftsmann war er untauglich. Aber dafür hatte er zuletzt mich. Es ist schon verrückt. Ich glaube, es haben noch nie zwei Menschen so gut zusammen gepasst wie wir beide. Wir haben uns bis zum letzten Tag angehimmelt und immer noch mehr geliebt. Es ist nicht richtig, dass er gehen musste, nachdem endlich mal alles in den richtigen Bahnen lief für uns beide. Waldi war immer dankbar und ehrlich, fast immer fröhlich und leidenschaftlich in allem, was er tat. Am liebsten würde ich zu ihm. Aber damit würde ich alles verraten, was er und wir beide zusammen gelebt haben. Deshalb mach‘ ich weiter. Aber froh kann ich wohl nicht mehr werden. Drei Jahre für ein ganzes Leben.»

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