Stefan Pierer (KTM): Gründe für den Moto2-Rückzieher

Von Günther Wiesinger
Brad Binder im Rennen vor Bastianini (33) und Alex Márquez

Brad Binder im Rennen vor Bastianini (33) und Alex Márquez

KTM schaffte 2019 bei manchem Moto2-Rennen keinen Top-Ten-Platz, aber gestern gelang Brad Binder der erste Saisonsieg. Warum steigt KTM ausgerechnet jetzt aus?

Stefan Pierer, Vorstandsvorsitzender von KTM, sprach schon beim Jerez-GP im Mai zum Thema Moto2-Klasse Klartext. «Die Situation zipft mich an.» Denn es gab bis dahin 2019 in Doha und Austin zwei Rennen, in denen keine KTM in die Top-Ten brauste. In Texas blieb KTM in der Moto2-Klasse sogar komplett punktelos!

«In der Moto2 geht bei uns jetzt der Rauch auf, das schwöre ich», betonte der impulsive Firmenchef Stefan Pierer damals beim GP von Spanien. «Das ist jetzt ein Chef-Projekt. Wenn ich sage, ich habe einen Einheitsmotor, ich habe Einheits-Reifen und eine Einheits-ECU, und wenn ein werk wie KTM das Motorrad trotzdem nicht hinkriegt, dann muss ich sagen – nicht genügend.»

Nachher wurden etliche neue Chassis-Versionen gebaut, aber erst gestern beim GP von Österreich schaffte Brad Binder auf der KTM 2019 den ersten Saisonsieg.

Wie es 2020 bei Red Bull und KTM in der Moto2-Klasse weitergehen soll, darüber wurde wochenlang heftig diskutiert.

KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer erklärte beim Brünn-GP, KTM beabsichtige für die Saison 2020 eine Reduktion des Moto2-WM-Aufgebots von neun auf sechs Fahrer, man werde nur noch Red Bull Ajo (Martin, Lecuona), Red Bull Tech3 (Fahrer ungewiss, Bezzecchi war ein Thema) und das SAMA Qatar Team von Jorge Martinez (Jake Dixon fix) ausrüsten. Kiefer Racing hat den Startplatz verloren, das American Team sollte wegen der nicht gerade vorbildlichen Zahlungsmoral nicht mehr beliefert werden. Außerdem ist das Klima mit Teambesitzer Eithan Butpul vergiftet, weil ihm Ajo-KTM den Spanier Lecuona abspenstig gemacht hat.

Jetzt steht fest: KTM zieht sich nach dieser Saison nach drei Jahren als Hersteller aus der Moto2-WM zurück.

Am Freitagfrüh sah noch alles etwas anders aus. Stefan Pierer sprach sich für «maximal vier Moto2-Fahrer» aus. Von einem totalen Rückzug aus der Mittelgewichtsklasse war nicht die Rede.

Aber dann überstürzten sich die Ereignisse. Aki Ajo und Hervé Poncharal wurden am Freitagabend um 20.30 Uhr zu einem Arbeitsessen eingeladen.

Dort verkündete Stefan Pierer die revolutionäre Entscheidung: KTM baut keine Moto2-Chassis mehr. «Ready to Retire», hieß plötzlich die Devise.

«Wir haben in den ersten zweieinhalb Jahren in der Moto2-WM schon viel Nachwuchs für die MotoGP produziert», freut sich KTM-Firmenchef Stefan Pierer. «Wir wissen gar nicht mehr, wo wir diese Fahrer unterbringen sollen. 2019 haben wir bereits Miguel Oliveira in die MotoGP geholt, er macht gute Fortschritte. 2020 folgt ihm im Tech3-Team Brad Binder nach.»

KTM und Red Bull werden 2020 das Ajo-Team in der Moto2-Klasse weiter unterstützen. «Der ehemalige Moto3-Weltmeister Jorge Martin wird im zweiten Jahr im Ajo-Team sicher weit nach vorne kommen», ist Pierer überzeugt. «Er ist ein Supertalent. Keine Frage.»

Wenige Stunden nach dem Announcement, dass KTM nächstes Jahr kein Moto2-Motorrad mehr bauen wird, gewann Brad Binder den GP von Österreich auf der Red Bull-KTM.

Wir trafen Stefan Pierer in Spielberg bei der Moto2-Siegerehrung. Spürte er keine Wehmut?

«So gehört sich das, wenn man sich zurückzieht», stellte der Konzernchef fest. «Zuerst gewinnen wir, dann sagen wir ‚danke‘. Und jetzt haben wir eine große Aufgabe. Denn ich möchte eigentlich auch in der MotoGP gewinnen.»

Aber für die KTM-Fans- und Teams komm die Entscheidung doch überraschend, denn jahrelang wurde «The Road to MotoGP» propagiert, vom Red Bull Rookies-Cup über die Moto3, Moto2 bis in die MotoGP. Jetzt entsteht quasi eine Lücke.

«Die Moto2 war am Anfang für uns ein wichtiges Element, weil wir vom Stand weg mit Miguel Oliveira und Brad Binder im ersten Jahr 2017 Siege eingefahren sind, wir waren zweimal hintereinander Vizeweltmeister», gibt Pierer zu bedenken. «Das hat uns beim Aufbau des MotoGP-Projekts geholfen. Jetzt müssen wir in der MotoGP den letzten Schritt Richtung Podest tun, dafür brauchen wir unsere ganze Manpower. In der Moto2 können wir nur noch verlieren. Wenn wir siegen, heißt es: ‚Eh klar, das KTM-Werk gegen die kleine Firma Kalex.‘ Verlieren wir, sind wir die Idioten.»

Stefan Pierer weiter: «Wir arbeiten 2020 nur noch mit einem Moto2-Team zusammen, mit jenem von Aki Ajo. Er kann sich das beste Material suchen, er bekommt von uns die besten Fahrer, die wir unter Vertrag haben und die idealerweise aus einem unserer Moto3-Teams kommen sollten. Aki wird auch neue Sponsoren auf dem Motorrad haben. Ich schätze, er wird mit Kalex fahren. Klar.»

Und bei Ajo sollen in der Moto2-Klasse jene Fahrer Zwischenstation machen, die Red Bull-KTM über die Moto3 bis zur MotoGP aufbaut.

Moto2-Ergebnis, Spielberg:

1. Binder. 2. Márquez. 3. Navarro. 4. Baldassarri. 5. Fernandez. 6. Lüthi. 7. Martin. 8. Lecuona. 9. Schrötter. 10. Pasini. - Ferner: 17. Aegerter. 18. Folger. 22. Öttl. 27. Tulovic.

Moto2-WM-Stand nach 11 von 19 Rennen:

1. Alex Márquez 181. 2. Lüthi 138. 3. Navarro 126. 4. Fernandez 121. 5. Baldassarri 115. 6. Schrötter 114. 7. Binder 109. 8. Marini 101. 9. Bastianini 74. 10. Di Giannantonio. - Ferner: 20. Aegerter 12. 28. Tulovic 3. 30. Raffin 3.

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