Jeremy McWilliams (50): «Keiner will Letzter werden»

Von Günther Wiesinger
Im Alter von 50 Jahren, vier Monaten und 27 Tagen bestreitet Jeremy McWilliams am 31. August den Moto2-WM-Lauf beim Silverstone-GP.

Die beiden Briten Paul Taylor und John Keogh, die in Kalifornien ansässig sind, wollen die britische Kultmarke Brough Superior zu neuem Leben erwecken.

Um auf dieses Projekt aufmerksam zu machen, wurde eine Moto2-Mascjine mit der Bezeichnung «Carbon 2» entwickelt, mit der 50-jährige Nordire Jeremy McWilliams beim Silverstone-GP mit einer Wildcard antreten wird.

«Ich bin 1993 mit einer Harris-Yamaha in die 500er-WM eingestiegen», rechnet Haudegen McWilliams vor. «Marc Márquez wurde im gleichen Jahr geboren.»

Doch der unverwüstliche Jeremy, der die Startnummer 99 salonfähig gemacht hat, hat mit dem Rennfahren eigentlich nie aufgehört.

Am Indianapolis-GP-Wochenende hat er in Indy das erste von zwei Rahmenrennen mit den Harley-Davidson XR1200 vor Ben Carlson und Kyle Wyman gewonnen. Er ist zu Ostern 2014 in Hockenheim beim 1000-km-Rennen mitgefahren – mit einer KTM RC8R, als Partner des über die Grenzen des Innviertels hinaus gefürchteten Schräglagenartisten Thomas Kuttruf.

Eigentlich sollte der junge Brite Luke Mossey mit der Carbon 2 in Silverstone antreten. Wir kam es zum Fahrerwechsel? Plant Jeremy McWilliams ein dauerhaftes GP-Comeback?

SPEEDWEEK.com hat sich mit dem populären Nordiren unterhalten, der kein Gramm Fett zugelegt hat und punkto Fitness mit jedem jüngeren Konkurrenten aufnehmen kann.

Jeremy, du hast bisher einen recht rüstigen Eindruck gemacht. Aber du spielst am heutigen Samstag eine Runde Golf. Ist das eine Alterserscheinung?

Of course. In einem gewissen Alter musst du auf Golf umsteigen... Nein, im Ernst: Ich habe schon während meiner ganzen Rennfahrerzeit Golf gespielt. Ich hatte damals so viel Freizeit. Ich musste mir also etwas suchen, mit dem ich mir die Zeit vertreiben konnte. Ich musste ja irgendetwas tun zwischen den Rennen.

Du bist vor einiger Zeit vom GP-Sport zurückgetreten. Das Comeback kommt überraschend?

Meine letzte komplette Saison habe ich 2004 bestritten. Dann bin ich beim Team Roberts eingesprungen, als dort 2005 der Deal mit den KTM-Motoren langsam auseinanderbrach. Ich habe damals Shane Byrne ersetzt. Dann hatte ich einen Vertrag mit Ilmor für die MotoGP-WM 2007, als Teamkollege von Andrew Pitt. Aber sie sind nach dem ersten 800-ccm-Rennen in Katar wieder ausgestiegen.

Dann liegt dein letzter Grand Prix praktisch siebeneinhalb Jahre zurück?

Ja, so ist es.

Du hast aber danach immer wieder irgendwelche Rennserien bestritten. Wir haben uns in Laguna Seca gesehen, du bist in Amerika für Buell die «Battle of Twins» gefahren, dazu 2008 und 2009 mit KTM die IDM Superbike?

Ja, exakt, das ist richtig. Und was haben wir noch gemacht? Ich habe 2013 das erste der zwei Harley-Rennen in Indy gewonnen, vor zwei Wochen war es genau so. Da fahre ich die Harley XR1200.

Und wie ist der Deal mit Brough Superior für die Moto2-WM zustande gekommen? Haben sie einfach ein junges, aufstrebendes und vielversprechendes Talent gesucht?

Ja, sie haben einen jungen, vielversprechenden Fahrer gesucht. Und da sind sie natürlich unweigerlich auf mich gestossen.

Viel Auswahl an britischem Moto2-Talent gibt es momentan nicht?

Sie hatten einen jungen Fahrer namens Luke Mossey. Aber er hat sich von diesem Projekt zurückgezogen. Vielleicht ist er als Supersport-Fahrer mit der GP-Maschine nicht so gut zurechtgekommen, wie er sich das vorgestellt hat. Das Team hatte Verständnis.
Sie sind dann an mich herangetreten und fragten, ob ich verfügbar sei und ihnen beim nächsten Schritt behilflich sein könnte. Ich dachte, der nächste Schritt würde sich aufs Testen beziehen. Das habe ich gemacht, in Mallory Park. Wir fanden ein Fenster, in dem das Bike gut funktioniert. Ich bin vier Sessions gefahren und war nur eine Sekunde über dem Supersport-Rundenrekord.
Dann haben wir besprochen, wie es weitergehen soll, ob ich mit diesem Projekt weitermachen soll. Ob ich weiter testen und irgendwann ein Rennen fahren soll. Schliesslich haben wir beschlossen, dass ich mit diesem Motorrad den Silverstone-GP bestreiten soll.
Das war eine riesige Überraschung.

Hast du jemals vorher eine Moto2-Maschine gesteuert?

Ja, vor einigen Jahren eine FTR in Almeria. Aber ich habe nie viel Zeit auf einer Moto2 verbracht. Ich habe nicht viel Erfahrung mit dieser 600-ccm-Kategorie.

50 Jahre, das hört sich verdammt alt an für einen GP-Fahrer. Hast du noch den alten Biss? Kannst du dich anständig aus der Affäre ziehen? Welche Ziele hast du? Du willst sicher nicht Letzter werden?

Du willst nie Letzter werden! Keiner will Letzter werden... In der Moto2-Klasse, wenn du dir die Rennen anschaust, dort wird um jede Position gefightet. Es gibt eine kleine Gruppe von Fahrern, die um den Sieg streitet. Dahinter ist ein sehr ausgeglichenes Feld.
Ich erwarte nicht, dass meine Aufgabe einfach wird. Natürlich kannst du nicht aufkreuzen und dann nicht mit 100 Prozent Einsatz fahren.
Wir dürfen keine Wunder erwarten von einem Motorrad, das noch nie ein Rennen erlebt hat. Es lässt sich schwer abschätzen, was wir erreichen können.
Du kennst mich aus der Vergangenheit. Ich habe mich nicht wesentlich verändert – ich werde also 100 Prozent geben!
Aber ich weiss nicht, ob Brough ein Motorrad entwickelt hat, das wir rund um die Silverstone-Piste in den drei kurzen freien Trainings zum Funktionieren bringen können.
Diese Frage können wir jetzt nicht beantworten. Wir haben mit diesem Motorrad keine Erfahrung, schon gar nicht auf WM-Niveau. Ich selber habe als Fahrer auch keine Erfahrung in der Moto2-Klasse. Alles ist komplett neu für uns.
Wir sind alle neugierig, gespannt und aufgeregt. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass wir vor einer schwierigen Aufgabe stehen. Deshalb will ich keine Prognosen wagen.
Wir dürfen uns nicht einbilden, dass wir mit einem nagelneuen Bike mitten in der Saison beim Silverstone-GP aufkreuzen und konkurrenzfähig sein können, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich alle anderen Moto3-Fahrer und -Teams auf dem Höhepunkt ihrer Performance und des Spiels befinden.

Wir werden Schritt für Schritt machen und schauen, wie es läuft.
Du kannst also nicht mit einem Qualifying-Ergebnis unter den ersten 20 oder 25 rechnen. Wird dir wenigstens die Streckenkenntnis helfen?

Wir werden sehen. Ich weiss es nicht wirklich. Ich bin schon manchmal bei Events aufgetaucht und habe dann im Quali oder im Rennen Plätze belegt, die man nicht erwartet hat...
In Silverstone kann sich das Wetter blitzartig ändern. Dazu kommt ein recht kompliziertes, technisch anspruchsvolles Strecken-Layout.
Wir wissen nicht, ob unser Chassis-Design und unsere Bike-Konfiguration auf dieser Piste ein paar starke Seiten haben werden.
Wir hoffen einfach, dass wir das Motorrad im Quali auf eine respektable Position stellen und auch im Rennen eine respektable Position rausfahren können.

Ich kann mich an eine Überraschung erinnern, als du ein unterlegenes Motorrad auf die Pole-Position gestellt hast. 2002 beim Phillip-Island-GP bist du mit der 500-ccm-Dreizylinder-Modenas Bestzeit gefahren gegen die ganzem 990-ccm-Viertakter. Dabei fehlten dir 30 km/h an Top-Speed.

Ja, ich erinnere mich, sicher.

Was verstehst unter einer respektablen Qualifying-Position? Es kann auch die vorletzte oder letzte Startreihe werden?

Gut... Natürlich will ich weiter vorne stehen. Kann uns das gelingen? Ich weiss es wirklich nicht, Günther.
Das wird die grosse Herausforderung. Wir haben keine konkrete Vorstellung davon, wozu wir fähig oder nicht fähig sein könnten.
Wir kommen mitten in der Saison mit einem neuen Motorrad und einem neuen Fahrer in diese Meisterschaft.
Es wird schwierig werden, im Quali besser abzuschneiden als in den letzten zwei oder drei Reihen.
Ich kann dir aber versichern, ich werde mich mächtig ins Zeug legen. Wenn das nicht gut genug sein sollte, haben wir es immerhin probiert.
Ich habe wirklich keine Ahnung, was in Silverstone herauskommen wird.
Immerhin unterscheide ich mich in einem Punkt von manchen jüngeren Fahrern. Ich bin nicht auf kurzfristige Erfolge aus. Für mich ist wichtig, dass wir dieses Projekt weiter vorantreiben können. Nach Silverstone sollten wir den nächsten Schritt machen, ein Test- und Entwicklungsprogramm auf die Beine stellen und einen jungen Fahrer suchen, der die Maschine nächstes Jahr auf den Moto2-Grid stellen kann.

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