Franco Morbidelli: «Kenne Rossi seit ich 13 bin!»

Von Nereo Balanzin
Bereits 2014 blitze als Rookie in der Moto2-Klasse mehrmals das große Talent von Franco Morbidelli auf. Derzeit belegt er WM-Rang 5. SPEEDWEEK.com traf den Italiener zum großen Interview.

Franco Morbidelli ist 20 Jahre alt. Die Startnummer seiner Kalex ist die 21, denn : «Ich wollte die 12, aber Lüthi hatte sie bereits.» Doch die Zahl, die ihn derzeit am besten beschreibt, ist keine andere als die 5.

Der Italtrans-Pilot überquerte die Ziellinie in fünf Rennen viermal als Fünfter und belegt Rang 5 der Gesamtwertung – punktgleich mit Sam Lowes. «Fünf, ja. Aber ich denke, ich kann noch etwas drauflegen. Mein Ziel ist das Podest, ich kann zumindest um die niedrigeren Stufen kämpfen.»

Franco, was hat sich bei dir im Vergleich zum letzten Jahr verändert?

Mein Chefmechaniker, das Bike und meine Herangehensweise an die Rennen. Ich habe nun auch mehr Erfahrung, denn ich verstehe die Moto2-Klasse besser. Ich will nicht sagen, dass ich alles wie ein Meister beherrschte, aber ich arbeite nun besser. Und, last but not least, habe ich nun mehr Ruhe.

Die 2015er-Kalex scheint das richtige Bike für dich zu sein, was nicht bei allen Fahrern der Fall ist.

Wir arbeiten an der Maschine, ohne unsere Denkweise von außen beeinflussen zu lassen.

Unterscheidet sie sich stark vom 2014er-Modell?

Der Unterschied zwischen der Kalex 2014 und 2015 ist größer als wir es nach dem Unterschied von 2013 zu 2014 hätten vorausehen können. Die Front ist ganz anders. Doch beide Modelle – 2014 und 2015 – haben Vor- und Nachteile.

Wärst du überrascht, wenn du bald in jedem Rennen um einen Podestplatz kämpfen könntest?

Nein, ich wäre nicht überrascht. Sehr zufrieden, aber nicht überrascht. Ich würde auf diese Weise eines meiner Ziele erreichen. Dort will ich hin. Wir sind noch nicht dort, aber auch nicht weit weg. Wir müssen noch einen kleinen Schritt nach vorne machen.

Also wäre es nicht zufriedenstellend, auch am Ende der Saison WM-Fünfter zu sein, nehme ich an?

Das ist eine andere Sache. Die ersten fünf Fahrer in der Weltmeisterschaft sind großartige Piloten. Das wäre also ein sehr gutes Resultat. Mal sehen, ob wir das erreichen können.

Einige Menschen, vor allem außerhalb Italiens, sind davon überzeugt, dass du zur berühmten Morbidelli-Familie gehörst, weil du diesen Nachnamen trägst und in der Nähe der Stadt Pesaro wohnst. Giancarlo Morbidelli besaß die Firma «woodworking machinery» und finanzierte GP-Bikes für die Klassen 125, 250, 350 und 500 ccm. Morbidelli war beispielsweise 125-ccm-Weltmeister mit Mario Lega in den Jahren 1973 und 1977. Sein Sohn Gianni fuhr in der Formel 1. Doch mit ihnen bist du nicht verwandt. Du kommst ursprünglich nicht aus Pesaro, sondern aus Rom, das einst «caput mundi», also die Hauptstadt der Welt war. Nun scheint sie Tavullia abgelöst zu haben – zumindest in der Welt des Motorradsports.

Wir zogen nicht nach Tavullia, sondern in ein kleines Dorf in der Nähe, wegen Valentino Rossi. Ein weiterer Grund war die Tatsache, dass nirgendwo anders in Italien die Leidenschaft für den Motorradsport so groß ist. Daher sind mehr Menschen an der Karriere eines Fahrers interessiert, so ergeben sich mehr Möglichkeiten. Meine Familie hatte Freunde, die dort lebten, deshalb zogen wir dorthin. Das war die richtige Entscheidung, da ich später auf Valentino traf, der mir sehr, sehr viel geholfen hat.

Wann kamst du in die VR46 Racing Academy?

Das ist so viele Jahre her, bevor sie eigentlich gegründet wurde. Ich kenne die Menschen, die in der VR46-Academy involviert sind, seit ich 13 Jahre alt bin. Wir wuchsen in Sachen Motorradsport zusammen auf. Später wurde dieser Beziehung ein Name gegeben, davor waren es einfach ein paar Jungs. Der Erste, dem Valentino seine Tür öffnete, war Marco Simoncelli. Später kamen andere dazu und die Academy war geboren. Meine Verbindung zu Valentino, Uccio, Albi und Trainer Carlo bestand schon zuvor.

Du bist 20 Jahre alt. Nicolò Bulega, der jüngste der VR46-Academy, ist 16. Der Unterschied beträgt nur vier Jahre, aber in diesem Alter macht das viel aus. Mit 20 ist man ein Mann, aber mit 16 ist man nur etwas mehr als ein Kind. Es ist wie in einer Schulklasse mit sehr unterschiedlichen Altersstufen. Wie verstehst du dich mit den anderen?

Wir sind alle Fahrer. Wenn beispielweise Nicolò kein Fahrer wäre, dann wäre unsere Beziehung ?nur schwer möglich. Doch er ist ein Pilot und sein ganzes Leben lang im Motorsport unterwegs und von Bikes umgeben. Wir sprechen dieselbe Sprache und haben dieselbe Mentalität, so verschwindet der Altersunterschied. Natürlich rufe ich ihn abseits der Strecke nicht an, um ein Bier zu trinken, weil er nicht das Alter dafür hat. Doch an der Strecke macht es keinen Unterschied.

Moto2: Es gibt so viele unterschiedliche Meinungen über die mittlere Klasse. Wie würdest du sie beschreiben?

«Es ist sicherlich die selektivste. Ich sage nicht anspruchsvoll oder hart, aber sie zeigt das Können der Fahrer. Das Paket ist für alle gleich, also ist es perfekt, um die Fahrer zu bewerten. Man kann das rohe Potenzial genau einschätzen. Als Fahrer darf man kein Element vernachlässigen – nicht einmal eine Kleinigkeit. Man muss sehr akurat und fokussiert sein. Zudem braucht man eine exzellente körperliche Verfassung.»

Aligi Deganello ist dein neuer Chefmechaniker, er hat bereits mit Marco Simoncelli und Max Biaggi gearbeitet und gewonnen, um nur zwei Namen zu nennen. Hat seine Anwesenheit deine Wahrnehmung von dir selbst als Rennfahrer verändert?

Absolut. Es war eine Überraschung. Ich war sehr geschmeichelt, dass Aligi wusste, wer ich bin und wie meine Karriere verlief. Wir gingen etwas schüchern auf ihn zu, wie ein Kind, das seinen Vater um einen Gefallen bittet, als wir ihn fragten, ob er mit mir arbeiten würde. Als er zustimmte und sagte, dass er mir vertraut, war das ein großartiger Schub für mein Selbstvertrauen.

In den Trainings beginnst du sehr vorsichtig, dann klopfst du einmal an der Spitze an und erst im letzten Teil versuchst du, konstant zu sein. Liegt das an deinem Charakter oder der Arbeitsweise?

Um ehrlich zu sein, beides. Ich wäre gerne sofort schnell, aber wir – das Team und ich – sind noch in einer Phase, in der wir noch nicht alles Besonderheiten meistern. Also brauchen wir etwas Zeit. Zudem bin ich auch eine Person, die sich geradlinig bewegt.

Was würdest du gerne von Valentino stehlen?

Nicht mehr als ich bereits über die Einstellung, den Charakter und das Verhalten gestohlen habe. Das reicht, würde ich sagen.

Wie bewertest du deine Karriere?

Ich bin mir nie sicher, was in der Zukunft passieren kann. Ich bin jetzt hier. Morgen, wer weiß? Ich versuche, nicht zu viel in Zukunftsgedanken zu schwelgen. Ich bin auf den Moment fokussiert. Daher versuche ich, das zu genießen, was ich habe. Wenn ich ein Guter bin, dann werde ich Erfolg haben. Wenn nicht, dann werde ich beiseite geschoben.

Also träumst du nie von etwas?

Doch das tue ich. Selten, aber manchmal mache ich Filme über mich selbst.

Was wäre dein Beruf, wenn du kein Rennfahrer wärst?

Ich wäre ein Barkeeper.

Das ist Danilo Petruccis Traum. Wusstest du das?

Nein, das wusste ich nicht.

Wo sollte deine Bar sein?

Naja, darüber habe ich einen Film gemacht, muss ich zugeben. Es ist ein Strand mit weißem Sand auf einer Insel…

Wieder genau wie bei Petrucci. Vielleicht ist es sogar dieselbe Insel. Ihr solltet Geschäftspartner werden.

Wieso nicht? Aber er muss die Vormittagsschicht übernehmen. Ich kümmere mich um die Nachtschicht.

Und wie würde die Bar heißen?

Das ist einfach: ‹The Riders›.

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