Jorge Martin: Der steinige Weg zum WM-Triumph

Von Günther Wiesinger
Jubel in Sepang: Jorge Martin

Jubel in Sepang: Jorge Martin

Jorge Martin wollte schon aufhören, als er vor sechs Jahren nicht für den Red Bull Rookies-Cup ausgewählt wurde. Aber ein Jahr später klappte es. Jetzt ist er Moto3-Weltmeister – mit sieben Siegen und elf Pole-Positions!

Jorge Martin hat Motorradgeschichte geschrieben. Mit dem WM-Titelgewinn in der Moto3-Klasse bei seinem 66. GP-Einsatz in Sepang/Malaysia krönte sich der Honda-Pilot aus dem Gresini-Team zum 20. Spanier, der einen Motorrad-GP-WM-Titel gewonnen hat, er sorgte für den 600. GP-Sieg eines Spaniers und leistete seinen Beitrag zu den jetzt insgesamt 50 Motorrad-WM-Titeln, die Spanien seit 1949 für sich entschieden hat.

Der 20-jährige Martin kommt aus dem Red Bull Rookies-Cup. Er hat ihn 2014 mit 254 Punkten vor Joan Mir (197) und Stefano Manzi (193) gewonnen.

Der Madrilene hat in der Moto3-WM bereits 2017 auf sich aufmerksam gemacht, als er die WM als Vierter hinter Mir, Fenati und Canet beendete und für das Gresini-Honda-Team in Valencia seinen ersten GP-Sieg abräumte.

Martin dominierte in diesem Jahr vom Beginn weg, er gewann den ersten Grand Prix in Katar und den dritten in Argentinien, aber dann folgen zwei Nuller, ehe er mit Siegen in Mugello, Assen und Sachsen für klare Verhältnisse sorgte. Insgesamt hat er in dieser Saison sieben von 17 Rennen gewonnen und im WM-Duell gegen den Italiener Marco Bezzecchi verdient die Oberhand behalten.

Höhenflug begann in Katar

Der neue Moto3-World Champion Jorge Martin ist der Vierte aus Spanien nach Maverick Viñales 2013, Alex Márquez (2014) und Joan Mir (2017). Er setzte gleich beim Saisonstart in Katar zu einem Höhenflug an, seinen siebten Saisonsieg in Sepang eroberte er von seiner elften Pole-Position in dieser Saison. Er hat sich also elf hübsche Tissot-Uhren als Belohnung aushändigen lassen. 2010 hat Marc Márquez in seinem 125-ccm-Weltmeister-Jahr sogar zwölf Pole-Positions sichergestellt – bei nur 17 statt 19 Rennwochenenden.

Martin kommt aus Madrid und hat mit seinen 20 Jahren bereits 19 Podestplätze in der Moto3-Klasse errungen.

Jorge wird jetzt noch ein Rennen in der 250-ccm-Einzylinder-Viertaktklasse absolvieren, dann dockt er beim Red Bull-KTM-Ajo-Moto2-Team an, wo er den Platz des Portugiesen Miguel Oliveira übernimmt und Brad Binder als Teamkollegen bekommt.

«Es war ein schwieriges Jahr für mich. Ich habe auf dem Weg zu dieser Weltmeisterschaft viele Rückschläge erlebt. Aber meine Familie ist mir immer tapfer zur Seite gestanden. Seit dem ersten Moment, in dem ich Rennfahrer geworden bin, haben sie mich angespornt und alles geopfert, was sie hatten, damit meine Träume wahr werden. Jetzt haben wir es endlich geschafft.»

«Ich habe im Laufe dieser Saison ein paar schlimme Situationen erlebt. Das zieht sich durch meine ganze Karriere hin. Manchmal stand ich kurz davor mit dem Rennsport aufzuhören. Es ist erstaunlich, was wir 2018 geleistet haben. Mein Dank gilt meinen Eltern. Nur wegen ihnen bin ich hier. Ich fühle mich geehrt, mich jetzt Weltmeister nennen zu dürfen. Mein Team hat in diesem Jahr ausgezeichnete Arbeit geleistet. Das Bike hat fast immer perfekt funktioniert. Manchmal habe ich gedacht, wenn ich es nicht werde, ist das kein Drama. Aber wir haben immer Druck gemacht. Meine Freunde Maverick (Viñales), Jorge (Lorenzo) und Alberto (Puig) haben mich dauernd moralisch unterstützt. Sie haben mir Tricks verraten, wie man so eine Weltmeisterschaft gewinnt. Ihnen und allen Leuten, die an meiner Seite waren, möchte ich danken. Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich nach diesem Erfolg fühle. Mir fehlen die Worte.»

Kein Wunder: Jorge Martin kam bei Jorge Martinez als Mahindra-Pilot in die Moto3-WM, er fand also nicht gerade das beste Material vor.

«Die Saison ist oft mühsam verlaufen. In der Vorsaison habe ich mir bei einem Motocross-Crash die Bänder beschädigt, ich bin bei den ersten Tests mit Schmerzen in die GP-Saison gestartet. Aber ich habe mich sonst ausgezeichnet gefühlt, auch bei den ersten Rennen. Es hat gut begonnen, aber ich habe in Jerez und Le Mans zwei Stütze gehabt, dann ist die Verletzung in Brünn dazwischengekommen. Das war der Tiefpunkt des Jahres, glaube ich. Ich musste auf das Rennen verzichten. Eine Woche später bin ich in Spielberg aufs Podest gefahren, das war unglaublich. Ich habe damals gesehen, wie stark ich wirklich bin, als ich diese schwierige Situation gemeistert habe. Das ganze Jahr war mühselig, meine Hand, mein Fuß, immer wieder war ich lädiert.»

«Auch das Rennen am Sonntag in Sepang war schwierig. Eigentlich habe ich gehofft, ich könnte am Anfang mit Marco (Bezzecchi) wegfahren, aber es gab noch viel feuchte Stellen, deshalb war es in den ersten Runden sehr mühsam. Ich zwang mich zur Ruhe und wartete, bis die Piste trocken wurde. Dann ist Lorenzo Dalla Porta stark gefahren. Ich dachte, jetzt ist es Zeit für den Angriff, denn Marco machte viel Manöver, es gab viele Überholaktionen, man wollte mich am Wegfahren hindern. Aber dann war ich auf Platz 1, Dalla Porta war Zweiter, in diesem Augenblick habe ich die Flucht ergriffen. Ich habe dann drei unglaubliche Runden gedreht und das Rennen gewonnen.»

Rookies-Cup als Sprungbrett

Was ist damals passiert, als Jorge Martin mit dem Rennfahren aufhören wollte? «Meine Familie ist arm, ich komme aus bescheidenen Verhältnissen. Und im ersten Jahr wurde ich bei der Rookies-Cup-Selection nicht akzeptiert, man hat mir nichts zugetraut. Ich konnte trotzdem noch ein Jahr lang Rennen fahren, aber meine Familie hat die letzten Ersparnisse geopfert. Zum Glück wurde ich ein Jahr später für den Rookies-Cup genommen. Wenn das nicht geklappt wäre, hätte ich daheimbleiben und den Sturzhelm an den Nagel hängen müssen. So habe ich den Rookies-Cup gewonnen, dank Red Bull ist meine Laufbahn in Schwung gekommen. Danach war der WM-Titel mein Ziel, aber das lag in weiter Ferne. Und jetzt bin ich die Nr. 1. Das ist erstaunlich.»

«Die Woche vor dem Sepang-GP war stressig, ich habe vielleicht zu viel nachgedacht. Aber im freien Training am Freitag haben wir uns fokussiert, wir haben das perfekte Bike für den Sieg hingestellt. Am Sonntag hat Marco dann seine Spielchen gemacht, er wollte das Rennen langsam machen, aber sein Plan ist schiefgegangen, er ist hinten gelandet. Er wusste, er muss dicht hinter mir landen, wenn er in Valencia noch eine Chance haben will. Ich bin happy, das ich in Malaysia Punkte geholt habe. Und dass mir der Sieg gelungen ist, macht mich noch glücklicher.»

Hat es 2018 einen Zeitpunkt gegeben, als Jorge Martin um seinen Titelgewinn fürchtete? «Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Es war ein anstrengendes Jahr. Aber man sieht ja: Ich habe in Brünn am Freitag einen Handgelenksbruch erlitten, aber eine Woche später in Österreich bin ich am Freitag wieder auf meiner Rennmaschine gesessen. Das zeigt, dass ich um diesen Titel gekämpft habe. Manchmal ist es mir schwergefallen, dauernd zu kämpfen, mich immer wieder aufzurappeln und zu motivieren. Aber ich habe das Vertrauen in meine Fähigkeiten nie verloren, ich habe immer gepusht. Doch es gab immer wieder Probleme. In Buriram habe ich überlegt, ob ich in den Grand Prix einsteigen soll, denn am Freitag konnte ich meine Hand kaum bewegen. Aber dann haben wir diesen speziellen Handschuh angefertigt… Ich konnte das Rennen fahren, und Bezzecchi ist gestürzt. Mein Punktevorsprung ist dadurch angewachsen. Doch vor Australien waren wir nur durch einen Punkt getrennt… Es ist aufregend geblieben.»

Jorge Martin galt vor der Saison als seriöser Titelanwärter. Wen hat er als schärfsten Rivalen eingeschätzt?

«Ich habe eigentlich nicht Marco als großen Rivalen betrachtet, als die Saison losging, denn er kam von Mahindra. Aber er hast 2017 viel gelernt, und als er auf die KTM stieg, war er sofort viel schneller. Zu Beginn der Saison war er nicht so stark aber er kam oft aufs Podium, in kleinen Schritten hat er dazu gelernt und sich gesteigert. Wir waren dann fast auf demselben Level, glaube ich. Er hat eine starke Saison gezeigt, er ist ein guter Gegner geworden. Aber ich habe den Titel gewonnen…»

Was war für den Honda-Fahrer 2018 der Schlüssel zum Erfolg? «Das waren vielleicht die Rennen wie in Aragón, vielleicht auch wie in Assen und auf dem Sachsenring, wo ich allein wegfahren konnte. Bei diesen Gelegenheiten habe ich gespürt, das ich besser bin als meine Gegner. Das hat mir den nötigen Mumm gegeben.»

Was erwartet der Weltmeister von 2019 in der Moto2? «Ich erwarte nichts. Sicher möchte ich immer vorne sein. Ich freue mich jetzt auf den ersten Moto2-Test mit Red Bull-KTM und Aki Ajo in Jerez im November. Ich komme in ein Team, das sehr erfolgreich ist und in Sepang noch um den Titel gekämpft hat. Nach vier Moto3-Jahren freue ich mich auf die neue Herausforderung. Neues Motorrad, neuer Motor, mehr Hubraum, das wird ein klarer Schritt nach vorne. Aber zuerst möchte ich das letzte Rennen in Valencia noch gut über die Bühne bringen.»

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