Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Mahindra-Erfolge: Viel Argwohn bei der Konkurrenz

Von Günther Wiesinger
Ohne Zweifel: Mahindra ist neben KTM und Honda zu einer Macht in der Moto3-WM geworden. Aber geht das alles mit rechten Dingen zu?

Argwöhnisch betrachten die Konkurrenten von Honda und KTM die stark verbesserte Performance von Mahindra und Peugeot in der Moto3-Weltmeisterschaft. Mit der baugleichen MGP3O wurden zwei der letzten fünf WM-Rennen gewonnen.

Bei Honda und KTM wundern sich die verantwortlichen Manager, Teambesitzer und Techniker seit Monaten, warum Mahindra Racing seit den ersten Rennen so beträchtliche technische Fortschritte gemacht und von den letzten fünf Moto3-Rennen zwei gewonnen hat. In Assen mit Bagnaia auf Mahindra, in Brünn mit McPhee auf Peugeot. Aspar-Mahindra-Werkspilot Francesco «Pecco» Bagnaia hat neben seinem Assen-Sieg bereits vier weitere Podestplätze erbeutet – er ist WM-Dritter.

Gegenüber den spanischen Medien wurden zuletzt einige Details ausgeplaudert, die wohl vom Aspar-Mahindra-Werksteam kommen, genau gesagt von Werksfahrer Jorge Martin.

Auffällig: Jorge Martin wurde zuletzt in Österreich und Brünn Sechster und Zweiter, also 30 Punkte, bei den neun Rennen vorher hatte er insgesamt nur zehn Punkte erbeutet.

Plötzlich ist er teilweise schneller als Teamkollege Pecco Bagnaia, der in den drei Rennen vor England Rennen nur elf Punkte gesammelt hat und der 2017 beim SKY VR46-Team die Moto2-WM auf Kalex fährt.

Auf Verwunderung stösst auch, warum bei Mahindra die Kundenteams im Trockenen so extrem schwach sind, obwohl laut Reglement alle Bikes und Motoren identisch sein müssen.

Verdächtige Aussagen

In Spanien wurde kürzlich nach den Aussagen von Mahindra-Werkspilot Jorge Martin ganz offenherzig von «motociclismo» berichtet, dass der Mahindra-Motor ständig weiterentwickelt werde. In Brünn habe es ein Update mit neuer Kurbelwelle, neuem Pleuel und neunem Kolben gegeben, und in Silverstone sei eine weitere Entwicklungsstufe bei Wildcard-Pilot Stefano Manzi zum Einsatz gekommen, war da zu lesen.

Dieser neue Mahindra-Motor solle dann ab Aragón in der Moto3-WM eingesetzt werden; er solle laut «motociclismo» 4 km/h Top-Speed zusätzlich bringen, liess der Brünn-Zweite Jorge Martin anklingen.

Die teilweise der spanischen Sprache mächtigen KTM-Techniker bei Leopard, Red Bull Ajo und anderen KTM-Teams rieben sich verwundert die Augen.

Wie lassen sich diese Behauptungen mit den strengen Moto3-Technik-Vorschriften vereinbaren? Die Moto3-Motoren werden bekanntlich vor dem Saisonstart in Katar homologiert, die Entwicklung wird dann für die Saison eingefroren, die 250-ccm-Einzylinder-Viertakt-Motoren sind versiegelt und dürfen während der Saison nicht upgedated – geschweige denn überhaupt geöffnet werden!

Schon im Frühjahr hatte Peugeot-Saxoprint-Teammanager Terrell Thien regelmäßig gemeinsam mit den Kollegen der Mahindra-Kundenteams bemängelt, dass Mahindra dem Aspar-Werksteam dauernd neue Updates verabreiche, das Peugeot-Team mit den baugleichen MGP3O-Maschinen aber durch die Finger schaue und vernachlässigt werde. Thien berichtete auch, dass Mahindra in der Sommerpause in Misano das neue Triebwerk getestet habe.

Für Mahindra ging es um viel. Die Inder wussten: Wenn 2017 keine sechs Fahrer am Start stehen, können Mahindra und Peugeot nicht an der Moto3-WM 2017 teilnehmen, denn jeder Hersteller muss mindestens sechs Fahrer ausrüsten. Mahindra musste also Ergebnisse liefern.

Zum Glück hat sich jetzt CIP-Teamchef Alain Bronec wieder mit Mahindra geeinigt, die Gefahr ist gebannt.

Mahindra Racing bemüht sich auch, das Platinum Bay Real Estate-Team mit Darryn Binder und Marcos Ramirez bei der Stange zu halten. Denn das teure Kompetenzzentrum in Besozzo/Italien muss ausgelastet werden.

KTM-Moto3-Projektleiter Christian Korntner wundert sich. «Zu Beginn der Saison gab es ein Zugeständnis aller Hersteller, dass jeder Hersteller, der noch nie ein Moto3-WM-Rennen gewonnen hat, ein Motor-Update während der Saison bringen darf. Nachdem Bagnaia bereits im Juni in Assen gewonnen hat, zieht diese Klausel jetzt nicht mehr», hält Kortner fest.

Man sehe auf der Strecke die klaren Unterschiede zwischen Aspar und den restlichen privaten Mahindras, beschwert sich die Konkurrenz. Auch von mysteriösen Leistungssprüngen seit dem Saisonstart ist die Rede. Die Verantwortlichen von Honda und KTM sind hellhörig geworden.

Wie beurteilt Race Director Mike Webb diese Situation? «Es besteht absolut keine Möglichkeit für Mahindra oder Peugeot, während der Saison heimlich ein Update für die Moto3-WM-Spezifikation zu machen», betonte der Renndirektor gegenüber SPEEDWEEK.com.

Dass Moto3-Neueinsteiger (wie in der MotoGP-WM auch Suzuki und Aprilia) Zugeständnisse für die Motorenentwicklung erhalten, ergibt ja Sinn. Sonst kann niemals ein Werk neu einsteigen und sich dann stetig verbessern. Deshalb bekam Ducati in der MotoGP-WM 2014 und 2015 auch die Open-Class-Privilegien, jetzt geniessen die Neueinsteiger Suzuki und Aprilia die Vorzüge der «concession Teams» – neun statt sieben Motoren, keine Testbeschränkungen, Motorenentwicklung nicht eingefroren.

Aber die KTM-Verantwortlichen dem Frieden nicht.

Schwindelt Mahindra womöglich bei der Elektronik? Auch hier muss jeweils eine homologierte Version beim Technical Director hinterlegt werden. Als KTM in Jerez im Qualifying bei Binder irrtümlich eine andere Mapping-Version einsetzte, wurde der WM-Favorit aus Südafrika vor dem Rennen vom ersten auf den letzten Startplatz strafversetzt.

Inzwischen mutmassen einige Konkurrenten, Mahindra verwende eine elektronisch verstellbare Rutschkupplung, was nicht dem Reglement entsprechen würde. KTM hat deshalb bereits protestiert und Aufklärung gefordert.

Dass jedes Moto3-Werk zwei Motorspezifikationen pro Saison homologieren kann, wurde vereinbart, damit die Wildcard-Fahrer jeweils mit preiswerten Vorjahres-Material antreten können.

Honda und KTM ärgern sich, weil sich Mahindra wenig um den Geist dieses Reglements kümmert, sondern Wildcard-Pilot Stefano Manzi am Sonntag in England mit einer 2017-Version auf Platz 4 donnern liess.

«KTM ist irgendwie zu ehrlich für dieses Geschäft», grübelte Red-Bull-KTM-Teambesitzer Aki Ajo, dessen Schützling Brad Binder die WM mit 86 Punkten Vorsprung anführt.

Doch Danny Aldridge, der Technical Director im GP-Sport, hält alle Verschwörungstheorien für sinnlos und unberechtigt. «Es wurden vor dem Saisonstart je zwei Moto3-Motoren für alle Mahindra- und Peugeot-Piloten versiegelt, insgesamt 18, also zwei pro Fahrer und dazu ein Reservemotor als Sample, als Muster. Diese Motoren wurden also versiegelt, mit Draht und Plombe und einem Aufkleber. Im Laufe der Saison kam dann das nächste Paket mit 18 Motoren und irgendwann folgte ein drittes, denn jeder Moto3-Fahrer darf pro WM-Saison bis zu sechs Motoren verwenden», hält Aldridge fest. «Wir haben den Muster-Motor von Mahindra mit der vor dem Katar-GP homologierten Spezifikation, den wir jederzeit mit neuen Triebwerken vergleichen können.»

Es gäbe nur eine Möglichkeit, dass Mahindra/Peugeot bschwindeln könne, sagte Aldrige gegenüber SPEEDWEEK.com. «Sie müssten das Siegel und die Plombe entfernen und den Sticker ersetzen. Das halte ich für unmöglich. Ich habe in Silverstone mit Mahindra-Rennchef Mufadall Choonia und Jorge Martin gesprochen und ihnen mitgeteilt, dass uns diese Aussagen große Schwierigkeiten verursacht haben. Mir ist aber versichert worden, dass sich diese erwähnten Updates nur auf die CEV-Junioren-WM beziehen und nicht auf die Weltmeisterschaft.»

Jorge Martin sprach aber eindeutig Aragón an, dort würden die Updates erstmals eingesetzt. Und dort findet 2016 kein CEV-Repsol-Junioren-WM-Rennen mehr statt. Seltsam.

Danny Aldridge löste für SPEEDWEEK.com auch das Rätsel mit den Wildcard-Spezifikationen auf. «Ja, Mahindra hat zwei Motor-Spezifikationen für 2016 homologiert. Aber bis zum Silverstone-GP fuhren 2016 alle Wildcard-Fahrer mit denselben Spezifikationen wie die WM-Stammfahrer. Erst hier in England wurde eine neue Spezifikation homologiert, also ein neue Update für die Wildcards.»

Neues Getriebe von NOVA

Mahindra setzt seit dem GP von Deutschland ein neues Getriebe ein, das freilich nicht in Besozzo entwickelt wurde, sondern in Wirklichkeit bei Nova in England in Auftrag gegeben. In Silverstone huschten sogar Nova-Techniker in ihren eigenen Teamuniformen durch die Boxen.

Ein Getriebe-Update pro Saison ist ebenfalls gestattet, wenn es allen Piloten gleichzeitig zur Verfügung gestellt wird. «Es muss auch nicht das ganze Getriebe auf einmal getauscht werden. Das kann auch in zwei Portionen geschehen. Wenn wir beispielsweise sagen, ein Getriebe besteht aus 20 Teilen, dann wäre zum Beispiel erlaubt, bei einem Rennen fünf Teile zu ersetzen und beim nächsten die restlichen 15», schilderte Danny Aldridge.

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