MotoGP-Lauf in Malaysia: Wann ist schlechter besser?

Kolumne von Michael Scott
Der Sepang International Circuit

Der Sepang International Circuit

Die Umbaumassnahmen am Sepang International Circuit überraschen manch MotoGP-Experten – und laden ein, sich über Verbesserungen, die eigentlich gar keine sind, Gedanken zu machen.

Wir alle wissen, was Grand-Prix-Racing bedeutet: Wir haben es hier in jeder Hinsicht mit Spitzenleistungen zu tun – beim Fahren, natürlich, aber auch was die Bikes, Reifen, Treib- und Schmierstoffe und auch die Strecken angeht. Es ist immer ein Streben nach Exzellenz, das die Weiterentwicklungen in jedem Bereich vorantreibt.

Deshalb waren die Änderungen, die am Sepang International Circuit vorgenommen wurden, etwas überraschend. Die umfangreiche Umgestaltung umfasste eine neue, glatte Asphaltoberfläche, asphaltierte Auslaufzonen und verbesserte Kiesbetten sowie ein besseres Entwässerungssystem, damit man auch im Falle eines typisch tropischen Regengusses schnell wieder auf die Strecke kommt.

So weit, so gut, doch an der Streckenführung wurde auch gearbeitet und die letzte Haarnadel-Kurve weist nun eine Wölbung in die falsche Richtung auf. Denn der höchste Punkt folgt gleich nach dem Scheitelpunkt – und das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was man als Verbesserung bezeichnen würde.

Die Änderungen gehen auf das Schaffen der Architekten von «Dromo» zurück, und diese führen zwei Gründe für diese Änderung auf. Einerseits wollte man dafür sorgen, dass die Bikes nicht zu viel Tempo auf der Geraden und in die erste Kurve mitnehmen, denn dort steht den Piloten nur begrenzt Raum für die Auslaufzone zur Verfügung.

Sieht man sich aber an, wie ein MotoGP-Bike – besonders eine Ducati – beschleunigt, dann greift diese Argumentation etwas zu kurz. Diese Meinung teilt auch der künftige Ducati-Werksfahrer Jorge Lorenzo. Den Beweis lieferte in diesem Jahr das Rennen in Barcelona. Nach Luis Saloms tödlichem Crash wurden Massnahmen ergriffen, um die Kurve zu verlangsamen. Tatsächlich führte dies aber zu schnelleren Tempi auf der Geraden, denn die MotoGP-Profis konnte dank der neuen Streckenführung besser beschleunigen.

Der zweite Grund für die Umbaumassnahmen war die Absicht, den Piloten mehrere Möglichkeiten zur Linienwahl und damit auch theoretisch mehr Überholchancen zu geben. Sie müssen an die Formel 1 gedacht haben, als sie diese Entscheidung trafen, denn für die Bikes war die letzte Haarnadel-Kurve in dieser Hinsicht nie ein Problem, und viele Rennen wurden in der Vergangenheit dort entschieden – wenn auch nicht in diesem Jahr.

Dieses Beispiel macht nachdenklich, und lässt einen über Neuerungen sinnieren, die keinen Fortschritt, sondern eher das Gegenteil darstellen. Wie zum Beispiel schlechtere Reifen, deren Einsatz über die Jahre immer wieder vorgeschlagen wurde, um die Rennen unterhaltsamer zu gestalten. Denn damit habe der Fahrer etwas mehr zu tun. Der Hintergedanke war, dass wenn die Reifen schnell Grip verlieren, alle Fahrer rumrutschen, was einen spektakulären Fahrstil nach sich zieht.

Wie die Superbike-WM zeigt, könnte der Einsatz von schnell an Haftung verlierenden Reifen seine Vorzüge gegenüber jenen perfekten Reifen haben, die in einem Entwicklungskrieg der Hersteller praktisch von Rennen zu Rennen weiterentwickelt werden. Ein grosser Befürworter von weniger Grip ist Cal Crutchlow, der unlängst von der Superbike-WM zur MotoGP wechselte und der seine liebe Mühe mit den Reifen hat, die zu viel Haftung aufbauen und schnell in einen Highsider führen können.

Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz eines relativ einfachen Einheitsmotors, der allen Kontrahenten gleiche Voraussetzungen garantiert und der weder über komplizierte Racing-Komponenten verfügt noch den Einsatz eines hochkomplexes Renngetriebes nötig macht. Das macht das Ganze fairer und nimmt sowohl den Fahrern als auch den Mechanikern viel Last von den Schultern.

Letzteres ist in der Moto2-WM geschehen, dort werden die Rennchassis mit dicken CBR600-Motoren ausgestattet, die den Aggregaten, die in der Supersport-600-Meisterschaft eingesetzt werden, unterlegen sind. Eine gute Idee? Ich habe immer das Gegenteil gedacht, nämlich dass die Bikes zu viel Reifen und zu wenig Power haben – das ist kein Rezept für Spektakuläres. Doch die Moto2 hat ihre Fans – vor allem unter den Teammanagern, die nicht mehr Unsummen für exotische Konstruktionen ausgeben müssen.

Auch im Bereich der Elektronik wurden schon Einschränkungen durchgesetzt. Die MotoGP-Teams setzen nicht nur dieselbe Magneti-Marelli-Hardware ein, seit diesem Jahr ist auch die Software vereinheitlicht. Das hat zu grossen Teilen dazu beigetragen, dass wir nun wieder engere Zweikämpfe erleben dürfen. Allerdings nimmt das Racing damit auch keine führende Rolle bei der Entwicklung in diesem Bereich mehr ein.

Was noch nicht unternommen wurde, obwohl es schon oft diskutiert wurde, ist der Einsatz von Zusatzballast, um jene Fahrer einzubremsen, die zu oft gewinnen. Das müsste entweder von Rennen zu Rennen passieren – oder was noch fairer wäre – mit Blick auf die Anzahl WM-Punkte, die ein Fahrer gesammelt hat: Je mehr Zähler man hat, desto mehr Ballast muss mit. Marc Márquez würde einen grossen Beton-Block mit sich rumschleppen.

Sollte das wirklich funktionieren, dann haben am Ende alle Fahrer den gleichen WM-Stand. Wäre das nicht wunderbar fair? Es ist, als würde man den besten Tänzern des Bolshoi-Balletts Gewichte an die Beine hängen, um das Ganze etwas fairer für die weniger Begabten zu machen. Zum Glück ist das noch nicht passiert.

Und was hat es nun mit dieser verrückten Haarnadel-Kurve in Sepang auf sich: Tatsächlich hat sie sich als ganz okay erwiesen. Letztlich passieren solche Dinge auf echten Strassen auch. Und alles, was den Strassensport näher an die echte Welt bringt, ist an sich eine gute Sache!

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