MotoGP-Klasse: Immer schlechtere Ersatzfahrer

Von Günther Wiesinger
«Es ist sehr schwierig, einen brauchbaren Ersatz für unsere Stammfahrer zu finden», räumt Livio Suppo ein. Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis ist überzeugt, dass Testfahrern der nötige Biss für GP-Rennen fehlt.

In der MotoGP-Weltmeisterschaft wird es immer schwieriger, verletzte Fahrer durch einigermaßen aussichtsreiche Kollegen zu ersetzen. Das zeigte sich zum Beispiel 2015, als Honda-Testfahrer Hiroshi Aoyama ab Texas drei Rennen statt Dani Pedrosa bestritt und neben zwei Rennstürzen und nur einen zwölften Platz einfuhr.

Aoyama agierte auch 2016 nicht viel glücklicher, wenn er statt Pedrosa oder Miller fuhr.? Oder als Héctor Barbera auf der Werks-Ducati von Andrea Iannone null Punkte holte, als er den Italiener in Japan und Australien ersetzte. ?Auch die Qualität der Testfahrer lässt zu wünschen übrig; Suzuki hat nur noch Takuya Tsuda, Aprilia mühte sich mit Mike di Meglio ab. Auch Aoyama wird teamintern als Vorgabe betrachtet. «Er wird nur geholt, damit das Motorrad bewegt wird», seufzte ein Repsol-Honda-Teammitglied im Herbst.? Auch Yamaha hat mitunter Probleme, geeignete Testfahrer zu finden: 2015 wurde einmal Broc Parkes in Aragón auf die Movistar-Werksmaschine gesetzt.

Nicky Hayden machte jedenfalls in Aragón und Phillip Island bei Repsol eine bessere Figur.

Anderseits hat sich Alex Lowes bei vier Einsätzen bei Tech3-Yamaha statt Bradley Smith auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert – und für viel Schrott gesorgt.

«Ducati hat manchmal Testfahrer Michele Pirro aufgeboten, der sich gut aus der Affäre gezogen hat, auch als Wildcard-Fahrer», sagt Repsol-Honda-Teamprinzipal Livio Suppo. «Es ist für Honda im Moment wesentlich schwieriger, einen brauchbaren Ersatz für unsere Stammfahrer zu finden. Hiroshi ist seit Jahren kein echter Rennfahrer mehr, er hat dadurch etwas an Speed verloren. Als Testfahrer macht er einen guten Job. Aber in der MotoGP findest du keinen schnellen, jungen Fahrer, der sich mit einem Testfahrer-Job begnügt und mit ein paar Wildcard-Rennen. Wenn sie jung sind, wollen sie Rennen fahren. In der Formel 1 ist das offenbar anders. Es ist auch unmöglich, ein Moto2-Projekt zu gründen und dann den Fahrer bei Bedarf als Ersatzfahrer in die MotoGP-WM zu holen. Wenn dieser Pilot richtig schnell ist, kämpft er vielleicht um die Meisterschaft... Dann wäre es schade, ihn aus der Moto2 abzuziehen. Mit Nicky Hayden in Phillip Island war es perfekt, er hat großartige Arbeit geleistet. Aber eine Woche später gab es eine Terminkollision mit der Superbike-WM in Katar, also konnte er in Sepang nicht für Repsol fahren. Momentan haben wir keine Vorstellung, wie wir unsere Ersatzfahrer-Situation verbessern können.» ?

Naja, KTM hat mit Kallio, Abraham, Lüthi und de Puniet einige Testfahrer gefunden, von denen jeder einzelne schneller war als Aoyama.

?Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Factory Racing, will Suppo nicht widersprechen. «Es ist ziemlch aussichtlos, einen Ersatzfahrer bei der Hand zu haben, der auf einem ähnlichen Niveau fahren und abschneiden kann wie ein MotoGP-Stammfahrer», weiß der Engländer. «Wir haben künftig in der MotoGP zwölf Fahrer mit Werksverträgen und dann noch etliche Könner in den Kundenteams. Du kannst eventuell einen Fahrer aus einem Satellitenteam ins Werksvertrag verschieben, wenn das vertraglich so vereinbart und geregelt ist. Das hängt natürlich von den jeweiligen vertraglichen Verpflichtungen ab. Wir haben zum Beispiel 2012 unseren Testfahrer Nakasuga nach Valencia gebracht, er ist als Wildcard-Fahrer Zweiter geworden... Das war eine außergewöhnliche Leistung. Könnte das heute auch noch passieren? Vielleicht bei verrückten Verhältnissen im Regen, wie wir sie 2016 mehrmals erlebt haben. Aber es ist sehr schwierig, strategisch so für die Zukunft zu planen, dass du einen super schnellen, talentierten Fahrer in der Hinterhand hast, wenn ein Werksfahrer ausfällt. Das ist unmöglich. Du musst heute jedes Wochenende ein Rennen bestreiten, wenn du in der MotoGP-WM konkurrenzfähig sein willst. Dieser Biss fehlt den Testpiloten.»?

«Wir sind gar nicht organisiert, was einen Testfahrer betrifft, wir machen uns da nicht viele Gedanken darüber», stimmt Suzuki-Teamchef Davide Brivio zu. «In unserem Sport wollen die guten Fahrer Rennen bestreiten. Du kannst sie nicht auf die Folter spannen und verlangen, dass sie warten, bis jemand verletzt ist und daneben noch zwei, drei Wildcard-Rennen organisierst. Als japanisches Werk haben wir mit Tsuda einen Testfahrer. Er kann sich mit den Ingenieuren in der Landessprache unterhalten und jederzeit in Motegi oder sonstwo in Japan testen. Hauptberuflich bestreitet er die Japanische Meisterschaft. Yamaha macht es ähnlich. Ein guter Testfahrer ist wichtig. Aber mit Ersatzfahrern befassen wir uns nicht.»?

Das trifft auch auf Aprilia zu. «Wir haben für 2017 Eugene Laverty bei uns in einem werksunterstützten Team in der Superbike-WM», sagt Aprilia-Rennchef Romano Albesiano. «Wir haben mit ihm einen MotoGP-Testplan vereinbart. Und eventuell würde er in gewissen Situationen auch als MotoGP-Ersatzfahrer in Frage kommen. Eugene wäre 2017 unsere erste Wahl, wenn wir im MotoGP-Werksteam einen verletzten Fahrer ersetzen müssten.»

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