Johann Zarco: Ritterschlag & Rat von Valentino Rossi

Kolumne von Michael Scott
Johann Zarco und Valentino Rossi

Johann Zarco und Valentino Rossi

Johann Zarco sorgt nicht nur mit seinen starken Ergebnissen für Aufsehen. Auch seine Fahrweise sorgt für Diskussionen – und Kritik, etwa von Altmeister Valentino Rossi, der den jungen Franzosen zu Recht ermahnt.

Von einem Fahrer als gefährlicher Irrer bezeichnet zu werden, der einst selbst so genannt worden war, sollte auf der To-Do-Liste jedes GP-Piloten, der etwas auf sich hält, ganz oben stehen. Genau genommen dürfte das nicht der exakte Wortlaut gewesen sein, den Rossi gewählt hatte, um den französischen Emporkömmling Johann Zarco zu beschreiben.

Aber das liegt wohl eher daran, dass Vale zu höflich für diese Wortwahl war – oder vielleicht lag es auch nur daran, dass er sich durchaus bewusst ist, wie vorsichtig er mit seinen Sprüchen umgehen muss, damit diese nicht verdreht und gleich gegen ihn verwendet werden. Gut möglich, dass er sich auch deshalb darauf beschränkte, Zarco zu ermahnen, nicht ganz so stürmisch vorzugehen und ihn daran zu erinnern, dass sich die MotoGP-Maschinen deutlich von ihren kleineren Moto2-Verwandten unterscheiden – und zwar in vielerlei Hinsicht.

In erster Linie sind sie schwerer und schneller, deshalb ist ein Crash mit diesen Bikes auch wesentlich gefährlicher. Ein zweiter, nicht ganz so offensichtlicher Punkt, in dem sich die Motorräder der Mittelgewichts- und der Königsklasse voneinander unterscheiden, ist die Tatsache, dass die unterschiedlichen MotoGP-Fabrikate auch ganz verschiedene Charaktereigenschaften an den Tag legen.

In der Moto2-Klasse sind hingegen alle Fahrer mit dem gleichen Motor und Getriebe sowie die meisten auch mit dem baugleichen Kalex-Chassis unterwegs. Es ist also sehr viel schwieriger, an einem Gegner vorbeizukommen, indem man einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz findet. Man muss eher mit der Brechstange zu Werke gehen, das zeigt auch die Statistik, die klar beweist, dass in der Moto2 viel weniger oft überholt wird.

In der MotoGP-Klasse weisen die unterschiedlichen Marken auch unterschiedliche Fahreigenschaften auf. Um es in wenigen Worten zu umschreiben: Die einen gewinnen am Kurveneingang, die anderen beim Herausbeschleunigen. Und weil die Abstimmungsmöglichkeiten sehr viel zahlreicher sind, variieren auch die Stärken und Schwächen der baugleichen Fabrikate stärker.

Fürs Überholen bedeutet das: Es ist sehr viel einfacher, durch Taktik vorbeizukommen – mit Köpfchen statt Muskeln. Und genau das wollte Valentino dem jungen Franzosen klarmachen. Allerdings mahnt da einer, der selbst nicht unbescholten ist. Als Rossi 2000 in die 500er-Klasse aufstieg, sorgte sein rüder Fahrstil für viele Diskussionen. Über die Jahre gab es eine ganze Zahl von Zwischenfällen, die darauf zurückzuführen sind, etwa das brüske Manöver an Sete Gibernau in Jerez anno 2005, oder der Zwischenfall mit SToner in Laguna Seca in der Saison 2008. Und selbst im vergangenen Jahr wurde Valentino eine gefährliche Fahrweise von Jorge Lorenzo vorgeworfen.

«Andere Fahrer überholen sauberer», meinte der Mallorquiner, der aber auch einräumte, dass er in seiner 250er-Zeit selbst einmal ein Rennen aussetzen musste, weil er einen anderen Piloten (De Angelis). Er habe seine Lektion daraus gelernt, betonte Lorenzo, der 2013 die gleiche Strafe für einen gewissen Marc Márquez forderte, als der Neuling ihn in der Jerez-Haarnadel geschnappt hatte.

Márquez dürfte sogar noch mehr Kritik als Rossi eingesteckt haben, und er hat sich interessanterweise sehr zurückgehalten, wenn es um die Kritik an Zarcos Fahrstil ging. Bisher zumindest, aber es ist anzunehmen, dass er auch in Zukunft nichts dazu sagen wird, weil er die harte Gangart selbst bevorzugt.

Lasst uns rekapitulieren: In Katar stürmte Zarco bei seinem ersten MotoGP-Rennen aus der zweiten Startreihe in Führung und davon, bevor er in der siebten Kurve stürzte. In Argentinien qualifizierte er sich für den 14. Startplatz und war bereits nach fünf Runden auf Position 6 unterwegs. Er fuhr zwischenzeitlich sogar bis zum vierten Platz vor, kreuzte die Ziellinie aber letztlich als Fünfter.

In Texas holte er im Qualifying und im Rennen jeweils den fünften Platz, dazwischen lieferte er sich einen echten Zweikampf mit Rossi, bei dem er den Altmeister auch mal von der Piste drückte, wobei Rossi nur mit Glück nicht stürzte. In Jerez kam er dann vom sechsten Startplatz gut weg, liess Rossi hinter sich und entledigte sich auch Iannone und Crutchlow, die beide als harte Kämpfer bekannt sind – und das bereits in der zweiten Runde.

Doch damit hatte es sich nicht, er schnappte sich auch noch den zweiten Platz von Márquez – wenn auch nur für eine Runde. Am Ende wurde er als Vierter stärkster Yamaha-Pilot. In Le Mans klappte es schliesslich mit dem ersten MotoGP-Podestplatz – und das in seinem erst fünften Rennen in der Königsklasse der WM. Auf einem Vorjahresmodell! In seiner ersten Saison!

Zarco ist ein interessanter Charakter, er geht sehr analytisch und intelligent vor. Redselig ist er auch – nur selten beschränkt sich seine Antwort auf weniger als eine ganze Reihe wohl überlegter Wortspenden. Er hat bereits seine beiden Moto2-Titel auf diese Art und Weise gewonnen. Nur einmal gingen die Nerven mit ihm durch, als er Sam Lowes in Silverstone abräumte. Für gewöhnlich bleibt er ruhig, schont seine Reifen und zieht am Ende dann davon.

So zeigte er nach dem Rennen in Texas etwa viel Respekt für Rossi, dem er den grössten Teil des Rennens gefolgt war. Fleissig schaute er sich nach seinem ersten misslungenen Angriff bei Rossi ab, wie dieser seine Reifen schonte und deshalb zum Rennende so schnell fahren konnte, wie schon in den ersten Runden.

Doch alles Erwägen scheint vergessen, sobald die Startampel aus ist. Das hat ihm auch den beneidenswerten Ruf des «gefährlichen Irren» eingebracht. Und er steht erst am Anfang seiner Karriere!

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