Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Weshalb Big-Bang-Motoren wieder in Mode sind

Von Günther Wiesinger
Honda kehrte für 2017 zu einem «Big-Bang»-Motor zurück. Auch KTM bevorzugt seit dem Jerez-GP das Big-Bang-Konzept, also ein Triebwerk mit einer Zündfolge, die den Motor fast wie einen Einzylinder arbeiten lässt.

Nicht erst bei den heutigen PS-Zahlen von bis zu 285 PS spielt in der MotoGP-Klasse die Leistungsentfaltung eine wichtige Rolle – auch für den Reifenverschleiß.

Deshalb haben wir ähnliche Big-Bang-Versionen schon in den seligen 500-ccm-Zweitakt-Zeiten von Mick Doohan erlebt.

«Ideal wäre, wenn man alle vier Zylinder gleichzeitig zünden lassen könnte», sagt der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen. «Das würde eine Zündfolge von 0 bis 720 bedeuten, was aber konstruktiv, bei einer angemessen Motorvibration, sehr schwierig zu bewerkstelligen ist.»

Die Möglichkeiten für die Zündfolge gestalten sich abhängig vom Motor-Layout.

So kennen wir neben den Reihenvierzylindern von Yamaha (bei der M1 sprechen die Japaner von einem Crossplane-Konzept) und Suzuki in der MotoGP verschiedene V4-Motoren mit 65 Grad Zylinderwinkel, mit 70 Grad, 90 Grad oder 112 Grad, meist werden die Zylinderwinkel geheim gehalten. V4-Motoren haben Honda, Ducati, Aprilia und KTM. Diese V4-Motorversionen ergeben konstruktiv unterschiedliche Zündfolgen. «Wichtig ist, dass der größte Zündintervall größer ist als 360 Grad», betont Witteveen.

Als die neuen Honda-V4-Motoren im November 2016 in Valencia von Marc Márquez, Dani Pedrosa und Cal Crutchlow getestet wurden, hörten sie sich fast wie Long-Bang-Motoren an. Das würde bedeuten, dass die Zündfolge von zwei Zylindern jeweils gleichzeitig erfolgt. Zum Beispiel 0 bis 180 bis 0 bis 540 Grad, das ergibt einen Zündintervall von 360 Grad.

In der Saison 2016 trat Honda noch mit einem Screamer an. Dank der ausgereiften Elektronik hatten sich in den letzten Jahren bei den meisten Herstellern die Screamer durchgesetzt, deshalb entschied sich auch KTM anfangs für so ein Konzept.

Beim Screamer-Reihenvierzylinder setzt man üblicherweise auf eine reguläre Zündfolge und zündet jeweils bei 180-180-180-180-Grad.

Diese verschiedenen Motorenkonzepte (Reihenmotor, V4) mit unterschiedlichen Zündfolgen führen zu dynamischen Unterschieden, die sich beim Fahren bemerkbar machen und somit auch die Rundenzeiten beeinflussen.

Marc Márquez ist zwar 2016 mit einem Screamer Weltmeister geworden, trotzdem klagten er und die anderen Honda-Fahrer über Nachteile bei der Beschleunigung. Die aggressive Kraftentfaltung verlangte den Honda-Piloten körperlich viel ab.

Beim Jerez-Test Ende November 2016 unterhielten wir uns mit KTM-Testfahrer Mika Kallio und Bradley Smith über die Screamer-Debatte.

Die Fahrer meinten, beim Screamer könne man nur heftig Gas geben beim Rausfahren aus den Kurven – und müsse dann auf das Beste hoffen.

Kallio ließ durchblicken, dass auch bei KTM an einen Big-Bang gedacht wird. «Natürlich denken wir darüber nach, welche Motorversion für uns am Besten wäre», verriet der Finne damals. «Es sieht so aus, als würden viele Hersteller jetzt in erster Linie auf die Leistung im unteren Drehzahlbereich achten, auf das Drehmoment und die Beschleunigung. Dadurch verlängert sich die Lebensdauer der Hinterreifen, außerdem hast du mehr Grip beim Rausfahren aus den Kurven, wenn du eine Big-Bang-Strategie hast. Aber es ist schwierig zu sagen, welche Strategie die beste ist. Mit dem Screamer hatten wir wirklich Mühe, den nötigen Grip zu finden. Aber ich glaube, es lag nicht nur am Motor. Es war eher die Kombination von Chassis, Schwinge und Aufhängung.»

Bradley Smith meinte im November in Jerez noch, er mache sich keine Sorgen, die Power lasse sich auch beim «Screamer» gut kontrollieren. «Jerez gehört zu den rutschigsten Pisten, auf denen wir fahren», meinte der Brite im Herbst 2016. «Dort ist der Wheelspin immer am schlimmsten. Wir versuchten, die Power zu zähmen und in den richtigen Drehzahlbereich zu bringen. Denn uns war klar: Die KTM hat ihr eigenes Leistungsband.»

Smith weiter damals: «Pol Espargaró und ich kommen von Yamaha, wir haben uns über Jahre hinweg an den super sanften Reihenmotor gewöhnt. Aber auch dieses Konzept hat neben seinen Stärken gewisse Schwächen.»

Im Februar 2017 waren sich Espargaró und Smith beim Australien-Test einig: KTM muss einen Big-Bang bringen, so rasch wie möglich. Beim Jerez-GP war er verfügbar, die Fortschritte waren sichtbar.

Wie gesagt: Die MotoGP-Hersteller Honda, Ducati, Aprilia und KTM haben sich für V4-Motoren entschieden, Suzuki und Yamaha vertrauen auf Reihen-Vierzylinder-Triebwerke. Dazu vertraut KTM als einziger Hersteller auf WP Suspension und einen Gitterrohrstahlrahmen.

«KTM will sich unterscheiden – und die DNA von KTM besteht aus WP und Stahlrahmen», gibt Smith zu bedenken. «Wenn sie damit in anderen Kategorien keine guten Erfahrungen gemacht hätten, würde ich mir Sorgen machen. Aber das ist nicht nötig. Es hat ja auch geheißen, man könnte mit WP in der Moto3 und Moto2 nicht gewinnen. In der Moto3-Klasse ist das Chassis sehr wichtig – und Brad Binder hat 2016 auf KTM dominiert. Ich weiß, die KTM-Jungs werden tadellose Arbeit leisten.»

Übrigens: In der Moto2-WM 2016 hat WP Suspension mit Johann Zarco, Tom Lüthi und Alex Rins die ersten drei WM-Ränge beschlagnahmt.

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