Marc Márquez: Eine Lektion in Sachen Respekt

Kolumne von Michael Scott
Andrea Dovizioso gegen Marc Márquez

Andrea Dovizioso gegen Marc Márquez

Die drei «Rs»: Racing, Respekt und Rammstöße. Eine besondere Pub-Runde aus GP-Fahrern diskutiert, ob Marc Márquez eine Lektion in Sachen Respekt gegenüber seinen Gegnern benötigt.

Kerle, die du im Pub triffst, sind immer sehr verlässliche Quellen für Informationen und Meinungen. Wie es die Legende besagt. Dies war jedoch ein etwas anderer Fall. Diese besondere Gruppe bestand aus zwei GP-Siegern, einer von ihnen ein Weltmeister, mindestens ein Fahrer mit nationalem Meistertitel und einige Halter eines Rundenrekords. Und alle außer einem waren anderer Meinung als ich.

Sie alle waren der Überzeugung, dass Marc Márquez eine Lektion in Sachen Respekt erteilt werden muss. Eine grundlegende Darstellung der drei Rs: Real Respect for other Riders. Wir sprachen über die letzten MotoGP-Rennen, aber vor allem über den Österreich-GP und Márquez' verzweifelten Angriff in der letzten Kurve auf den führenden Andrea Dovizioso. Dieser Moment wird sicher noch jahrelang immer wieder gezeigt. Doch falls Ihr dieses Video noch nicht gesehen habt, gibt es nun einen kurzen Rückblick.

Die letzte Runde. Dovi ging als Führender in die zweite, engere Rechtskurve am Ende einer Runde um den Red Bull Ring. Márquez wollte unbedingt siegen. So sehr, dass er sich innen an Dovi vorbeidrängte. Er lag ein paar Meter vorne, aber musste weit gehen und auf die farbige Markierung fahren. Dann nutzte er seine übermenschlichen Sideways-Künste, um einen Sturz zu verhindern.

Wenn der dreifache MotoGP-Weltmeister ein schlechterer Fahrer wäre, hätte er sich wohl im Kies wiedergefunden. Vielleicht sogar beide Piloten. Oder vielleicht hätte Márquez die Ducati zur Seite geschoben und das Rennen gewonnen. Ohne Zweifel seine bevorzugte Option.

Nach dem Rennen war ich dabei, als er mit einem Leuchten in seinem nicht mehr so chorknabenartigem Gesicht betonte: «Das ist MotoGP. Ich musste es versuchen. Oder ich hätte heute Nacht nicht ruhig schlafen können. Und beim nächsten Mal werde ich es wieder versuchen.» Dovi blickte ihn deshalb wie ein missbilligender Schulleiter an. Aber durch die Genugtuung des Sieges konnte er nicht zu verärgert sein.

Und ich stimmte Marc zu. Er musste es versuchen. So ist er nunmal. Und so ist der Rennsport. Niemand wurde verletzt. Es war natürlich ziemlich eng. Er hätte beide zu Boden reißen können. Dass das nicht passiert ist, lag zum Großteil daran, dass Dovi sehr, sehr clever war und alles perfekt voraussah. Wie auch immer. Das ist die MotoGP-Klasse, die Abstände sind sehr gering – zwischen Sicherheit und Desaster genauso wie zwischen den Rundenzeiten.

Ich war der Meinung, das war von beiden Piloten ein großartiges Rennen und Márquez hat richtig gehandelt.

Die GP-Sieger an meinem Tisch waren der unterschätzte Alan North, dessen Karriere durch eine Verletzung verkürzt wurde, und Jon Ekerold, der 350-ccm-Weltmeister von 1980, der als letzter Privatfahrer die Werksteams schlug. [Wie er das schaffte, ist in einem Klassiker der Rennsport-Literatur niedergeschrieben: The Privateer.]

Beide kommen aus einer Ära des harten Rennsports, als Fahrer zwischen den GPs noch Rennen fuhren, um Geld für die GP-Einsätze aufzutreiben. Und das auf oftmals sehr gefährlichen Straßenkursen mit Zwei-Taktern, die oft unvermittelt einem Kolbenklemmer zum Opfer fielen. Und Ekerold hatte den Ruf als einer der härtesten der harten Kerle.

Er fuhr die private Bimota-Yamaha wie ein Dämon und schnappte Toni Mang auf der Werks-Kawasaki den Titel weg – in der letzten Runde auf dem Nürburgring mit nur 1,25 sec Vorsprung. Vor dem Rennen erklärte er gegenüber «Motocourse»: «Ein Sturz hat nur geringe Auswirkungen. Ich muss nur Toni schlagen.»

Doch diese zwei Veteranen führten den Chor des schockierten Erstauens an. Márquez’ Manöver – diese Worte hallten am Tisch wider – war unerhört. Dieser Kommentar kam von fast allen: «Du musst Respekt vor anderen Fahrern haben.»

Das warf mich aus der Bahn. Respekt? Aber das ist GP-Sport. Du trittst nicht an, um deine Gegner zu respektieren... Du trittst an, um sie gnadenlos zu besiegen, oder? Angefangen bei deinem Teamkollegen und dann die anderen. Das ist sicher, was die Fans dort sehen wollen. Es geht aber nicht um einen Blutrausch. Niemand bei klarem Verstand will, dass sich ein Fahrer verletzt. Doch wir wollen einen richtigen Kampf sehen.

Es gab noch ein anderes Echo: Rossi gegen Gibernau in der letzten Kurve von Jerez. Er ritt ein ähnliches Manöver und überraschte Gibernau. Er berührte ihn, rammte ihn zur Seite und gab später zu, dass er es sonst wohl nicht um die Kurve geschafft hätte. Gibernau zwang das neben die Strecke. Obwohl er nicht stürzte, war klar, dass er durch unfaire Mittel geschlagen wurde. Und wisst ihr was? Niemand machte sich darüber Gedanken. Rossi war der Held des Tages.

Dasselbe sahen wir ein paar Jahre später, als Márquez etwas Ähnliches mit Lorenzo in derselben Kurve machte. Lorenzo machte kein Geheimnis daraus, dass er dieses Manöver missbilligte und Márquez seiner Meinung nach bestraft werden muss. Und jeder machte sich deshalb über ihn lustig.

Da ich auf der Basis arbeite, der letzten Person, mit der ich gesprochen habe, zu glauben, muss ich meine Meinung nun wohl ändern. Böser Marc. Krieg das in den Griff, Junge! Bevor noch Blut fließt.

Und trotzdem...

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