Johann Zarco (Yamaha): «Aufgeben war nie eine Option»

Von Günther Wiesinger
Johann Zarco musste unendlich viele Entbehrungen in Kauf nehmen, ehe er die Weltspitze durcheinanderwirbelte. Er startete holprig in die WM und musste sogar als Vizeweltmeister noch Geld abliefern.

Johann Zarco stand im Herbst 2007 nach dem Gewinn des Red Bull Rookies-Cups zuerst einmal auf der Strasse. Aber der Franzose kämpfte sich mit unerschütterlichem Ehrgeiz an die Weltspitze.

Der 27-jährige Johann Zarco stellte neben Jonas Folger die große Sensation der MotoGP-Weltmeisterschaft 2017 dar. Er führte gleich beim Saisonauftakt in Katar sieben Runden lang, legte sich dann in den späteren Rennen mit etlichen Stars an, zeigte wenig Respekt vor den Spitzenpiloten der Königsklasse und fuhr bereits beim fünften Rennen in Le Mans auf den ausgezeichneten zweiten Platz, er eroberte in Sepang und Valencia zwei weitere Podestplätze sowie insgesamt drei Pole-Positions – und wurde WM-Sechster, dazu überlegen Rookie des Jahres.

Und jetzt hat Zarco bei den Wintertests alle Prognosen auf den Kopf gestellt: Er sicherte sich in Buriram Platz 2 (weil er frühzeitig aufhörte) und reiste aus Katar mit der Bestzteit heim. Dabei fährt er eine 2016-Yamaha!

Aber Zarco musste auf dem Weg nach oben viele Rückschläge hinnehmen: Ein Sturz in der gefährlichen Kurve 11 im FP3 auf dem Sachsenring bremste den Tech3-Yamaha-Piloten zum Beispiel beim deutschen WM-Lauf 2017 sichtlich ein. Er landete auf Rang 9. In Misano ging ihm der Sprit aus, er schob die Yamaha über den Zielstrich – Platz 15.

Der Moto2-Weltmeister von 2015 und 2016 (insgesamt 15 Siege in zwei Jahren) hat als erster Fahrer den Sprung vom Red Bull Rookies-Cup in die MotoGP-Klasse geschafft. Aber es war ein steiniger Weg.

Zarco gewann den Rookies-Cup 2007 vor Lorenzo Savadori und Matthew Hoyle, aber er fand für das Jahr darauf keinen Platz in einem GP-Team.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Johann Zarco über den holprigen Einstieg in die Weltmeisterschaft und seinen unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

Johann, wie ist das damals gelaufen für die Saison 2008? Irgendwann hat sich der ehemalige 125-ccm-Weltmeister Gabor Talmacsi beim Training in Ungarn entdeckt und dir dann geholfen?

2007 war die erste Saison des Rookies-Cup. Das war eine fantastische Rennserie. Aber es existierte noch keine Grundlage für eine weitere Förderung in der WM, es existierte kein Plan für meine Zukunft. Die Option bestand aus der Teilnahme an der Spanischen CEV-125-ccm-Meisterschaft.

Das war eine gute Möglichkeit, Red Bull und KTM hätten mir dort eine 125-ccm-Saison ermöglicht.

Heute sieht es anders aus. In den letzten Jahren kamen die besten Rookies immer sofort in die Moto3-WM. Das ist ein schwieriger, aber ein interessanter Weg.

Heute kannst du dir nach dem Gewinn des Rookies-Cups berechtigte Hoffnungen auf einen Platz im Red Bull-Ajo-Team machen. Du bist dann direkt mit dem KTM-Werk verknüpft.

Du bist also nach dem Sieg bei den Rookies als Rennfahrer zuerst einmal arbeitslos gewesen. Wann hat dich Talmacsi beim Supermoto-Fahrer gesehen?

2008 wollte ich die Spanische Meisterschaft nicht fahren, ich wollte nicht mit diesem Team fahren, ich wollte mit meinem Coach Laurent Fellon weiter zusammenarbeiten.

Also haben wir auf die CEV verzichtet.

Ich habe also dann mit meinem Coach in Ungarn trainiert, weil seine Frau Ungarin ist. Dort haben wir Gabor Talmacsi getroffen, richtig.

Wir haben einen Test gemacht, der Test ist zufriedenstellend verlaufen. Gabor hat gesagt: «Du verdienst einen Platz in der Weltmeisterschaft.» Er fand ein Team, wir mussten dort bezahlen.

Aber immerhin hat er zu diesem italienischen Team gesagt: «Nehmt Zarco, er ist ein guter Rennfahrer.»

Wie habt ihr das Geld aufgetrieben? Ohne Ergebnisse muss das schwierig gewesen sein?

Ja, es war schwierig. In dieser Phase ist aus meinem Coach mein Manager geworden... Wir haben Sponsoren gefunden und den vereinbarten Betrag Schritt für Schritt bezahlt.

Aber die Weltmeisterschaft war am Anfang schwierig für mich. Sie hat uns viel Geld gekostet.

Du bist die 125-vvm-GP-Saison 2009 auf einer Aprilia RSW im WTR-Team gefahren, 2010 wieder. Du hast vor dieser Saison gesagt: «2009 bin ich oft gestürzt; ich war zu ungestüm. 2010 hoffe ich auf einen Top-5-Platz in der Gesamtwertung.» Du bist WM-Elfter geworden und hast deine Fähigkeiten bewiesen. Hast du vorher nie ans Aufhören gedacht?

Ich habe nie ans Aufhören gedacht. Denn mein Coach war immer bei mir. Und er hat Vertrauen in mich gehabt.

Ich kann mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern. Aber ich wollte einfach auf einer Rennmaschine sitzen. Ich wollte meinen Traum von der Weltmeisterschaft verwirklichen. Ich wollte mit der WM in Berührung bleiben. Nein, aufgeben war keine Option. Nie.

Teamchef Aki Ajo hat dich für 2011 auf Derbi engagiert. Er gewann die 125er-WM 2008 mit Mike di Meglio und 2010 mit Marc Márquez. Du hast 2011 um den Titel gekämpft, sechs zweite und vier dritte Plätze erreicht, aber nur einen Sieg – in Motegi. Den Titel hast du 262 zu 302 gegen Nico Terol aus dem Martinez-Team verloren.

Ja, ich war drei Jahre lang in der 125er-WM. Die ersten zwei Jahre habe ich gebraucht, um diese Kategorie gut kennenzulernen. Im dritten Jahr sind wir zu Aki Ajo gegangen, wir haben dort ein besseres Motorrad vorgefunden, aber dieser Deal war noch teurer für uns.

Das haben wir in Kauf genommen, denn erstmals hatte ich ein konkurrenzfähiges Motorrad von Derbi.

Du hast 2011 für das Rennfahren immer noch bezahlen müssen? Als Titelkandidat?

Ja. Ich bin WM-Zweiter geworden. Ich habe damals einen Penalty bekommen, ich wurde vom ersten auf den sechsten Platz versetzt.

Das war beim Catalunya-GP. Du hast Terol beim Sprint zur Ziellinie durch ein «illegal overtake» bezwungen. Nach einem 20-Sekunden-Penalty bist du von Platz 1 auf Platz 6 verwiesen worden.

Ja, ich habe in der Saison 2011 viele Punkte verloren. Auch auf dem Sachsenring. Ich bin zeitgleich mit Faubel über den Zielstrich gefahren. Aber ich wurde auf den zweiten Platz versetzt. So habe ich wieder 5 Punkte verloren.

Aber 2011 war eine lehrreiche Saison. Ich konnte um den Weltmeistertitel kämpfen, das war sehr hilfreich für die Zukunft. Ich habe viel über mich selbst gelernt und bin dann mit dem JiR-Team in die Moto2-Klasse gesprungen.

In der Moto2 hast du drei Jahre gebraucht, bis du ein Titelkandidat geworden bist. Lag es an den Teams? Du warst bei JiR, dann 2103 bei Ioda, 2014 bei Caterham. Du bist 2012 MotoBi gefahren, also TSR, dann zwei Jahre Suter. Erst 2015 und 2016 hast du bei Ajo eine Kalex bekommen.

Das waren alles gute Teams, glaub’ mir. Aber ich musste in dieser Kategorie wieder viel lernen, es ging von vorne los. Kein Meister fällt vom Himmel. Du musst arbeiten und dich steigern, du musst dein Können aufbauen.

Das Jahr mit Montiron bei JiR war interessant, sogar die Saison mit Ioda war hat mir wertvolle Erfahrungen gebracht.

Am Ende des dritten Moto2-Jahres 2014 hat man bei dir klare Fortschritte gesehen. Du warst bei Caterham viermal Dritter und viermal Vierter. Nach den Moto2-WM-Rängen 10 und 9 bist du noch WM-Sechster geworden.

Ja, am Ende der dritten Saison, das war 2014, sind mir gute Ergebnisse gelungen. Ich fuhr aufs Podest, ich stand in der ersten Startreihe. Nachher bin ich zu Ajo gekommen und auf Kalex umgestiegen.

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