Sachsenring-GP: Die Uhr für die SRM ist abgelaufen

Von Günther Wiesinger
Sachsenring: Die Zukunft ist unscharf

Sachsenring: Die Zukunft ist unscharf

Es ist unbeschreiblich, wie rasch beim Thema Sachsenring-GP die Emotionen hochgehen. Veranstalter SRM wurde vom ADAC ausgebootet. Jetzt wird ein neuer GP-Promoter gesucht.

Weil SPEEDWEEK.com am gestrigen Mittwoch, 24. Mai, um 18.15 Uhr exklusiv berichtete, dass der ADAC e.V. in München den Fünf-Jahres-Vertrag mit der Sachsenring Rennstrecken Management GmbH am 24. Mai nach zwei von fünf Jahren gekündigt hat, wird diese Website und der Berichterstatter von einzelnen bedingungslosen SaRi-Befürwortern als Nürburgring-Freund und als der ADAC-Clique zugehörig betitelt.

Naja, das sind ja köstliche Vorwürfe. Denn ich habe auf dem Nürburgring seit 1997 kein Rennen mehr gesehen und war zuletzt einmal 2008 für zwei Stunden dort, weil es auf dem Weg in eine Druckerei in Monschau lag und ich Bekannte beim SBK-Event besuchte. Ich habe seit 20 Jahren mit keinem Ring-Manager Kontakt gehabt und den Niedergang der Rennstrecke aus der Ferne mitbekommen wie jenen auf dem Lausitzring und mich über diese politischen Verstrickungen und diese unfassbare Geldvernichtung grenzenlos gewundert.

Und der ADAC? Wie oft habe ich ihm vorgeworfen, ein Autoverband zu sein, die Motorräder links liegen zu lassen, die IDM zu ruinieren, den sinnlosen Northern Europe Cup in die Welt getragen und nach zwei Jahren wegen Erfolglosigkeit wieder eingeschläfert zu haben. Als bedeutender Trägerverband des DMSB spielt der ADAC seit Jahren eine unrühmliche Rolle.

Aber immerhin hat der ADAC nach 1997 das Risiko gewagt und den Grand Prix nach Sachsen befördert, weil in Hockenheim und auf dem Nürburgring in den 1990er-Jahren Millionenverluste erwirtschaftet wurden.

Auch die Dorna leistete ihren Beitrag zum Aufbau des Sachsenring-GP. Es wurde eine für den GP-Sport nicht mehr akzeptable Infrastruktur geduldet, die Austragungsgebühr wurde von 1998 quasi als «Aufbau Ost» mit bescheidenen 1,5 Millionen Euro angesetzt – bis 2011.

Dorna, IRTA und FIM sahen sogar darüber hinweg, dass der Sachsenring anfangs nicht einmal die vorgeschriebene Mindestlänge von 3,5 km aufwies und die 500-ccm-Raketen mit Ach und Krach mehr als 200 km/h erreichten.

Mick Doohan, fünfmal hintereinander 500-ccm-Weltmeister, bezeichnete den Sachsenring damals als Micky-Mouse-Piste, die höchstens für Clubrennen tauge.

Der SaRi verfügt auch heute noch über einige Merkmale, die einen gewinnträchtigen Grand Prix schwer möglich machen.

Die Tribünen müssen jedes Jahr für 600.000 oder 700.000 Euro temporär errichtet werden. Dieser Standortnachteil hat in 20 Jahren unerträgliche Kosten von rund 14 Millionen Euro verschlungen.

Dass die Sachsenring Rennstrecken Management GmbH (SRM) im Vorjahr 900.000 Euro Verlust erwirtschaftet hat, darf auch nicht allein dem ADAC und schon gar nicht den kritischen Medien angelastet werden.

Denn niemand hat die SRM GmbH gezwungen, nach 2016 einen neuen GP-Vertrag zu verschlechterten Bedingungen zu unterschreiben: Die GP-Austragungsgebühr stieg von 3 auf 4 Millionen Euro.

Nach der einfallslosen Erhöhung der Ticketpreise um bis zu 50 Prozent für 2017 kam das drittschlechteste Besucherergebnis seit 1998 zustande. Es erschienen an drei Tagen gleich 65.332 Zuschauer weniger als zum Beispiel 2011.

Dieses Desaster kann gewiss nicht allein dem um zwei Wochen verschobenen Termin angelastet werden.

Außerdem: Die SRM ließ immer noch fröhlich gleich viele Tribünenplätze errichten wie für 2016, als sich das Zuschauerdebakel längst anbahnte.

Die SRM GmbH ist ein Zusammenschluss der Kommunen, die an den Sachsenring angrenzen. SRM-Geschäftsführer war bis zum Herbst 2017 der Gersdorfer Bürgermeister Wolfgang Streubel.

Dass sich die Politik von Millionengeschäften am besten fernhält, ist längst erwiesen. Denn die SRM hatte schon nach zwei GP-Jahren Verbindlichkeiten von 1,2 Millionen angehäuft und ertrinkt gewiss auch jetzt nicht vor lauter Liquidät.

Für 2017 versiegte auch die Quelle durch die Staatskanzlei, die über die Kampagne «So geht sächsisch» Geld in den Grand Prix pumpte. Für 2017 fehlten dadurch Subventionen in der Höhe von 351.500 Euro.

Jetzt sollen die Sparkasse Chemnitz und das Verkehrssicherheitszentrum Sachsenring (VSZ) mit Zuschüssen von 400.000 und 500.000 Euro in die Bresche springen. Das ist genau jene Summe, die im Vorjahr als Verlust ausgewiesen wurde.

Wie wird das den Eigentümern dieser Firmen auf die Dauer schmackhaft gemacht? Sind das wieder Subventionen, die dem EU-Recht widersprechen?

Wolfgang Streubel hat sich mit seinem Gebaren jedenfalls keine Freunde gemacht.

Viele MotoGP-Fahrer fordern einen Umbau der Kurve 11, auch Safety Officer Franco Uncini, 500-ccm-Weltmeister 1982.

Die SRM rechnete die geringe Anzahl von Rennstürzen in der Kurve 11 vor und teilte dann mit, die Zeit reiche für einen Umbau für 2018 sowieso nicht mehr.

Wenn sich zwei streiten wie der ADAC und die SRM, freut sich womöglich der Dritte.

Der ADAC e.V. kann jetzt einen neuen Vertragspartner für den Sachsenring-GP für die Jahre 2019, 2020 und 2021 suchen. Oder sich nach einem anderen Schauplatz umsehen.

Nein, es ist kein Frevel, wenn der ADAC auch in den Westen Deutschlands schaut, obwohl dort die Voraussetzungen ebenfalls nicht ideal sind.

Wenn schon von den SaRi-Fans dauernd diese Ost-West-Diskussion ins Gespräch gebracht wird: Warum soll nach 21 Jahren in Sachsen kein anderer GP-Standort geprüft werden?

Klar, 1997 erschienen am Renntag in der Eifel nur 17.000 Zuschauer. Aber das war damals auch beim GP von Österreich in Spielberg so. In diesem Jahr wird er zum dritten Mal in Serie mit 200.000 Besuchern an drei Tagen ausverkauft sein.

Meine Vermutung: Das Produkt MotoGP ist in den 20 Jahren seit damals um ein Vielfaches attraktiver geworden.

Ein paar vereinzelte Sachsenring-Hardliner fordern sogar ein Hausverbot für Günther Wiesinger. Sicher eine lobenswerte und zielführende Idee, die man harttnäckig weiterverfolgen sollte.

Wenn so ein Quasi-Arbeitsverbot (in welchem Zeitalter und unter welchem Regime leben wir?) zur Lösung des Problems beiträgt, bleibe ich gerne zu Hause und ziehe meinen Urlaub vor, obwohl ich die Atmosphäre in Hohenstein-Ernstthal und die Begeisterung dort genieße.

Aber ich bin nicht sicher, ob sich dadurch oder durch eine ehrfürchtige Hofberichterstattung ein neuerliches Riesendefizit wegzaubern lässt.

Habe ich schon einmal der weit verbreiteten Meinung widersprochen, der Sachsenring sei der beste MotoGP-Schauplatz für Deutschland? Nein, mit keiner Silbe.

Ich schlage eine De-Eskalation und eine Beruhigung der Gemüter vor. Es sollte nicht auf alle eingeprügelt werden, die sich auch einen anderen Standort des GP von Deutschland vorstellen können. In einer Demokratie nährt sich die Wirtschaft durch Angebot und Nachfrage und nicht durch Subventionen und jahrelange Defizite.

Wer hat sich im Westen beschwert, als der Grand Prix 1998 in den Osten ging? Niemand.

Übrigens: Der Sachsenring hat nach 1972 zu DDR-Zeiten schon einmal den Grand Prix verloren – und das Leben ist weitergegangen. Wer wurde eigentlich damals zum Sündenbock gemacht?

Der GP von Deutschland kann dauerhaft nur in Sachsen oder sonst wo stattfinden, wenn zumindest kostendeckend gewirtschaftet werden kann.

Mit welchem Veranstalter das zu bewältigen und auf welcher Rennstrecke das möglich ist, muss der ADAC als Dorna-Vertragspartner jetzt bis 30. Mai klären und entscheiden.

Die SRM braucht sich offenbar keine Hoffnungen mehr zu machen.
Anscheinend hat sie ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem ADAC nicht erfüllt und sich damit aus dem Rennen genommen.

Merke: Wenn man sich mit Politikern ins Bett legt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn man mit Flöhen aufwacht.

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