MotoGP-Motoren: Hat der Sieger das beste Konzept?

Von Günther Wiesinger
In der MotoGP-WM treten vier Werke mit V4-Motoren an, Yamaha und Suzuki mit Reihen-Vierzylindern. Ex-Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen nimmt die Konzepte unter die Lupe und erkennt Probleme bei Yamaha und Suzuki.

Ex-Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen erklärt die Vor- und Nachteile von Reihenmotoren (Yamaha, Suzuki) und V4-Motoren (Honda, Ducati, Aprilia, KTM).

In der MotoGP-Weltmeisterschaft 2019 treten verschiedene Motorenhersteller an: Honda, Ducati, Aprilia und KTM vertrauen auf V4-90-Grad-Motoren, Yamaha und Suzuki verwenden bei Ihren Werksteams Reihenvierzylinder-Motoren.

Es scheint in der MotoGP-Klasse kein allein seligmachendes Konzept zu geben. Reihenmotor oder V4 – diese Diskussion wird seit Jahrzehnten geführt. Was spricht für einen Reihenmotor, was für einen V4?

Suzuki hatte mit dem V4-Konzept wenig Erfolg. Beim recht erfolgreichen GSX-R1000-Superbike vertraute Suzuki lange Jahre auf einen Reihenvierzylinder. Dieses Superbike schaffte Zeiten, die 2010 beim Silverstone-GP für den sechsten MotoGP-Startplatz gut genug gewesen wären. Suzuki stieg dann Ende 2011 aus der MotoGP-WM aus und kehrte 2015 mit einem Reihenmotor zurück. Maverick Vinales gewann mit dieser neuen GSX-RR bereits 2016 in Silverstone.

Auch Kawasaki war und ist sehr erfolgreich mit den Reihenvierzylinder-Motoren in der Superbike-WM. Beim Rundenzeitenvergleich in Jerez 2016/2017 sind sie fast gleich schnell gefahren wie die MotoGP-Fahrer.

Wir haben mit dem ehemaligen Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen über die unterschiedliche Motoren-Konzepte und deren Vor- und Nachteile gesprochen.

Jan, V4 oder Reihenmotor – ist das mehr als nur eine Glaubensfrage?

Honda und Yamaha verfügen über zwei völlig unterschiedliche Motorenlösungen für die MotoGP-WM. Aber beide funktionieren.

Honda und Yamaha waren in den letzten Jahren in der MotoGP-WM erfolgreich. Honda wurde 2011 mit Stoner und 2013, 2014, 2016, 2017 und 2018 mit Marc Márquez Weltmeister, Yamaha zuletzt 2015 mit Lorenzo. Der Erfolg gibt also beiden Firmen Recht. Und Ducati mischte 2017 und 2018 auch im Titelfight mit – mit einem V4-Konzept.

Ein V-Motor hat leistungsmäßig Vorteile. Der Motor ist außerdem kompakter und um rund 20 Zentimeter schmaler, du hast also auch aerodynamische Vorteile.

Beim V4 hast du bei der Leistungsausbeute Vorteile, denn du kannst den Einlasskanal von oben gerade machen du hast mehr Platz für die Airbox und dadurch eine bessere Füllung.

Bei Yamaha und beim 1000-ccm-Reihenvierzylinder hatte man fahrwerksmäßig Vorteile, wenn die Kurbelwelle in umgedrehter Richtung läuft. Das heißt: Ich lasse die Kurbelwelle nach hinten statt nach vorne drehen. Dadurch kann ich einen Teil des gyroskopischen Effekts der Räder ausgleichen. Die Kreiselkräfte heben sich dann teilweise auf; so erzeuge ich ein neutraleres Fahrverhalten in den Kurven. Die Räder drehen sich nach vorne, die Kurbelwelle nach hinten, das ergibt in den Kurven einen deutlichen Vorteil. Das Motorrad verhält sich neutraler und stabiler; somit ist das Fahrwerk auch einfacher abzustimmen.

Yamaha hatte diesen Vorteil bis 2016, aber heute haben alle MotoGP-Motoren eine Kurbelwelle, die gegen die Fahrtrichtung läuft. Auch die V4-Motoren von Honda, Ducati, Aprilia und KTM. Ducati hat damit angefangen.

Somit ist dieser Vorteil von Yamaha und Suzuki nicht mehr vorhanden. Nur bei schnellen Kurven, weil die Reihenvierzylinder- Kurbelwelle etwas länger ist, dürfte es noch ein bisschen einfacher sein, höhere Kurvengeschwindigkeiten zu erreichen. Schon 2017 haben wir gesehen, dass die Vorteile in den Kurven bei Yamaha und Suzuki nicht mehr zur Geltung kommen.

Kurz gesagt: Vom Motor her eignet sich das V4-Konzept besser.

Für das Fahrwerk und das Fahrverhalten sind beide Motoren-Konzepte heute gleich zu bewerten. Hier müssten sich Yamaha und Suzuki etwas einfallen lassen, um den verlorenen Vorteil wieder herzustellen, was beim jetzigen Reglement meiner Meinung nach nicht einfach ist.

Auch in der Superbike-WM sind unterschiedliche Konzepte erfolgreich. Kawasaki ist momentan am erfolgreichsten mit dem Reihenmotor, Suzuki, Yamaha, Honda, MV Agusta und BMW haben auch einen. Aprilia hingegen war 2010, 2012 und 2014 mit dem V4-75-Grad-Motor Superbike-Weltmeister.

In der Superbike-WM kommt noch ein anderer Aspekt dazu. Ich brauche als Hersteller ein Serienmotorrad als Basis. Kawasaki hat momentan die Nase vorn, weil sie das beste Team und sehr gute Fahrer haben. Bei Kawasaki fließen die Rennsporterfahrungen sofort in die Serie mit ein. Und wenn es nötig ist, kann das Basismodell weiterentwickelt und neu homologiert werden.

Ducati hat früher bei den Superbikes auch eine Zeit lang vom V2-Konzept profitiert, weil sie mehr Hubraum als die Vierzylinder verwenden durften.

Ab diesem Jahr hat Ducati den neuen V4-Motor, bei dem die Kurbelwelle auch rückwärts dreht, wie in der MotoGP-WM. Dann könnte sich die Situation zum Vorteil von Ducati ändern.

Wie beurteilst du den V4-75-Grad-Superbike-WM-Motor von Aprilia?

Meiner Meinung nach ist dieser 75-Grad-Winkel nicht so optimal wie der 90-Grad-MotoGP-Motor. Weil ich bei 90 Grad die Ansaugkanäle gerader gestalten kann und ich mehr Platz für die Airbox habe. Aber sonst sind die Vorteile identisch wie beim V4 im Vergleich zum Reihenvierzylinder-Motor.

Was spricht dann für 75 Grad?

Bei 75 Grad wird das Triebwerk kompakter. Aprilia hat jetzt die Serien-RSV4 mit 1100 ccm, dann ist der Motor mit 75-Grad-V-Winkel kompakter.

Früher wurde viel über die unterschiedlichen Zündfolgen diskutiert – Screamer oder Big-Bang hieß die Devise. In der MotoGP gibt es momentan nur Big-Bang-Versionen.

Bei einem V4-Motor brauche ich keine Ausgleichswelle. Beim Reihenmotor auch nicht, wenn ich die Screamer-Zündfolge verwende. Andere Zündfolgen – wie sie heute üblich sind – brauchen eine Ausgleichswelle, die in Kombination mit der rückwärts drehenden Kurbelwelle einfach zu lösen ist.

Man kann natürlich auch behaupten: Wer gewinnt, hat die bessere Lösung.

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