Gigi Dall'Igna (Ducati): «Wir sind gesprächsbereit»

Von Günther Wiesinger
Gigi Dall'Igna

Gigi Dall'Igna

Ducati-Renndirektor Gigi Dall'Igna beteuert, der umstrittene Flügel diene zur Reifenkühlung. Einen Downforce-Effekt bestreitet er nicht.

Die Verwendung des umstrittenen Hinterradspoilers an der Ducati GP19 von Dovizioso, Petrucci und Miller in Doha zieht immer weitere Kreise. Gigi Dall’Igna, General Manager von Ducati Corse, verteidigt seine Idee und erzählt, das «device» diene in erster Linie zur Reifenkühlung.

«Das Urteil des Berufungsgericht ist zugunsten von Ducati ausgefallen. Das bedeutet, das Ergebnis von Katar bleibt bestehen. Ausserdem haben wir bei den nächsten Rennen weiter die Möglichkeit diesen Flügel an der Ducati einzusetzen», fasste Grenzgänger Dall’Igna am Donnerstagabend in Argentinien zusammen. Er räumt aber ein, dass das aktuelle System der Technischen Abnahme und der Interpretation der Vorschiften verbesserungswürdig sei.

Gigi, du wirkst zufrieden. Aber Ducati hat in ein Wespennest gestochen. Vier gegnerische Werke sind aufgebracht. Das Klima ist vergiftet.

Ich möchte etwas klarstellen. Denn ich habe in den letzten Wochen einiges gelesen.

Erstens: Hätten die FIM MotoGP-Stewards dem Protest in Katar stattgegeben, wären Dovizioso und Petrucci auf jeden Fall disqualifiziert worden. Das ist die einzige Möglichkeit, wenn das Motorrad nicht reglementskonform ist.

Zweitens: Wir haben die Vorschriften aufmerksam gelesen und sie so interpretiert wie der Technical Director. Und so wie das Berufungsgericht der FIM, das unseren Standpunkt geteilt hat. Die Richter hatten die Möglichkeit, unsere Dokumente zu studieren und jene der vier anderen Werke.

Drittens: Wir mussten vor dem Berufungsgericht einiges von unserem Wissen und von unseren Nachforschungen offenlegen. Noch dazu vor den Augen der Konkurrenz. Ich halte das nicht für fair. Das ist nicht die richtige Herangehensweise im Motorsport.

KTM will den «Aero-Wahnsinn» eindämmen, aus Kostengründen.

Die Aerodynamik ist in den letzten Jahren in der MotoGP und in der Motorradwelt vernachlässigt worden. Das ist aber sicher ein wichtiges Thema. Nicht nur im Rennsport, auch in der Serienfertigung.

Wir arbeiten eng mit der Produktionsabteilung von Ducati zusammen, um nicht nur die Supersport-Maschinen weiterzuentwickeln, sondern auch die weniger sportlichen Ducati-Motorräder. Da geht es um Kühlung, thermalen Komfort für den Fahrer, der extrem wichtig ist.

Das ist ein Bereich, um den wir uns für die Zukunft vermehrt kümmern müssen.

Ducati Corse investiert nur ein Prozent der Kosten in die Aerodynamik. Wenn wir dort etwas einsparen, sind das lächerliche Beträge im Vergleich zu den anderen MotoGP-Kosten.

Wir haben für den Rechtsanwalt und den ganzen Aufwand für das Berufungsgericht so viel Geld ausgegeben, wie uns fünf Tage im Windkanal kosten.

Im ganzen Jahr 2018 haben wir für die Aerodynamik unserer MotoGP-Maschine zehn Windkanal-Tage investiert.

Wir haben also jetzt Ende März 2019 schon 50 Prozent unseres Aerodynamik-Budgets ausgegeben – nur für das Gericht.

Deshalb sind wir bei Ducati der Ansicht, wir sollten dieses Kapitel zuschlagen. Wir sollten nach vorne schauen und enger mit unseren Kontrahenten zusammenarbeiten, um diese Meisterschaft weiterzuentwickeln. Außerdem sollten wir alle Vorschriften, die nicht anständig abgefasst sind, ändern und verbessern. Es gibt Vorschriften, die besser und deutlicher geschrieben werden können.

Ducati ist immer zu Diskussionen mit den Mitbewerbern bereit, wenn es um dieses Thema geht.

Ducati behauptet, der Spoiler diene in erster Linie zur Kühlung des Hinterreifens. Wie funktioniert das?

Es funktioniert, indem Luft auf den Hinterreifen geleitet wird. Das Ergebnis unseres Tests in Katar: Wir können damit die Reifentemperatur im Schnitt um ca. 7 Grad senken. Das ist unserer Meinung nach ein wichtiges Resultat, wenn es um Performance und Rundenzeiten der Maschine geht.

Die Protestführer sind überzeugt, der Flügel habe auch einen aerodynamischen Effekt. Das ist für Ducati ein zweitrangiger Effekt?

Sicher. Jedes Teil, das du in den Luftstrom stellst, hat eine aerodynamische Auswirkung. Auch der Yamaha-Flügel, der in Valencia als Wasserabweiser diente, hatte sicher dieses zweitrangigen Effekt. Kein Zweifel.

Ducati hat bei uns für den Spoiler drei bis vier Newton-Gramm bei 180 km/h errechnet, das ist die Kraft, die auf den Hinterreifen wirkt.

Du hast kürzlich gesagt, du willst einen Gegen-Protest gegen Honda einbringen, weil ihre Flügel zu scharfkantig und zu gefährlich sind.

Das war in erster Linie eine Provokation...

Aber wenn das Berufungsgericht die Einsprache nicht abgelehnt hätte, wäre das eine Möglichkeit zur Reaktion gewesen.

Denn wir haben eine Technical Director. Er ist die einzige Instanz, was die Rechtmäßigkeit der GP-Maschinen betrifft.

Wenn wir seine Macht und seine Entscheidungsfähigkeit in Zweifel ziehen oder einschränken, stehen wir ohne Vorschriften da. Dann geht es zu wie im Wilden Westen, nachdem der Sheriff umgebracht worden ist. (Er lacht).

Warum wurde das «device» bei Dovizioso erst am Sonntag montiert?

Wir hatten wenig Erfahrung mit der Standfestigkeit dieses Systems. Denn wir haben es erst beim Katar-Test erstmals verwendet.

Wir wollten an den zwei Trainingstagen sicherstellen, dass wir bei Dovis Bike keine Probleme haben, bevor wir uns überlegt haben, ob wir den Flügel bei ihm fürs Rennen einbauen. Uns war klar, dass wir mit diesem Teil den Hinterreifen kühlen können.

Spätestens jetzt wird offenkundig, dass das System zur  Erstellung des Technik-Reglements verbessert werden muss. Aprilia hält den Technical Director Danny Aldrigde für überfordert.

Bisher hat es funktioniert. Aber jetzt sind wir mit einer neuen Situation konfrontiert.

Wenn uns bessere Lösungen einfallen – warum nicht. Wir sind gesprächsbereit. Wir können jederzeit mit den anderen Herstellern, mit der Dorna und der FIM reden. Wenn wir Ideen zur Verbesserung des Systems haben, sollten sie auf den Tisch kommen.

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