Lin Jarvis: «Lorenzo ist eine Sieg-Maschine»

Von Sharleena Wirsing
Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis

Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis

Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis weiß, dass Valentino Rossi nach dem Titel greifen will, doch Jorge Lorenzo hält er derzeit für den komplettesten Fahrer in der MotoGP-WM.

Valentino Rossi und Jorge Lorenzo werden 2013 gemeinsam für das Yamaha-Werksteam antreten. Beide Piloten streben nach dem WM-Titel, weiß Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis. Uneinigkeiten und Konflikte zwischen den Teamkollegen wie 2008 erwartet Jarvis in diesem Jahr jedoch nicht.



Nun teilen sich Valentino Rossi und Jorge Lorenzo erneut eine Box. Empfindest du diese Herausforderung ebenso spannend wie 2008?

«Dieses Jahr wird sicherlich sehr interessant sein. Doch die Situation hat sich seit 2008 stark verändert, denn damals war Valentino ein etablierter Star und Jorge war ein Neuling. Zwischen ihnen herrschte eine andere Dynamik, als heute, denn wir wussten nicht, wie sich Jorge schlagen würde. Nun sind die Rollen anders verteilt: Es ist fast umgekehrt. Jorge ist der aktuelle Weltmeister und Valentino kommt zurück, um seine Form wiederzuerlangen und sich neu zu beweisen. Ob ich aufgeregt bin? Absolut! Aber ich denke, dass es in diesem Jahr eine andere Situation ist.» 

Wie wirst du das Verhältnis der beiden diesmal steuern?

«Das wird interessant. Der Unterschied liegt darin, dass beide Fahrer nun älter und reifer sind. Ich denke, dass wir die Situation diesmal nicht steuern müssen. Sie sind beide professionell und absolut konkurrenzfähig. Es wird einen Schlagabtausch der beiden geben, aber ich denke sie werden dafür einen guten Weg finden.»

Wird 2013 aus technischer Perspektive ein Übergangsjahr?

«Für die Meisterschaft an sich erkenne ich keine großen Veränderungen, denn es wurde nur die Motorenzahl von sechs auf fünf reduziert. Der große Wandel wird 2014 eintreten, wenn sich hoffentlich mehr konkurrenzfähige Maschinen im Feld befinden. Es wird Regeländerungen geben, die jeden betreffen. Hinter den Kulissen wird sich in diesem Jahr einiges verändern, aber die Saison wird normal verlaufen.»

Jorge, den du empfohlen hast, hat bisher zwei Titel für Yamaha geholt. Wie wird er sich in Zukunft schlagen?

«Das hängt sehr stark von ihm selbst ab. Natürlich hat Jorge bisher großartige Leistungen erbracht. Er hat in fünf Jahren zwei WM-Titel gewonnen. Er steht im Moment an der Weltspitze. Wenn man Geld setzen will, ist er wahrscheinlich die erste Wahl des Buchmachers. Wie weit er in Zukunft noch kommen wird, hängt von seiner Motivation und seinen Zielen ab. Wenn man sein Alter betrachtet, könnte er noch fünf bis sieben Jahre in der MotoGP-WM bleiben. Es hängt von seinen privaten Zielen im Leben ab. Wir haben einen Vertrag über zwei Jahre mit ihm und wir erwarten sehr viel.»

Wessen Idee war es Valentino zu Yamaha zurückzuholen?

«Dafür ist eine Kombination unterschiedlicher Dinge verantwortlich. Valentino war an Yamaha interessiert und teilte das dem Top-Management von Yamaha mit. Er hat bei Ducati schwierige Jahre erlebt, doch er ist noch immer konkurrenzfähig und kann Rennen oder sogar die Weltmeisterschaft gewinnen. Valentino wollte sich wieder auf dem Bike wohlfühlen und konkurrenzfähig sein. Für Yamaha war es ebenfalls eine großartige Möglichkeit. Wir haben sieben Jahre lang sehr gut mit Valentino zusammengearbeitet und vier Titel gewonnen. Als er uns verließ, war das sehr schade. Die Beziehung war am Ende. Nun ist es eine sehr gute Möglichkeit für Yamaha die Verbindung wieder aufleben zu lassen.»

Valentino ist nun 34 Jahre alt. Was kann er leisten?

«Nachdem ich Valentino in Sepang gesehen habe, denke ich, dass er hochmotiviert ist und zeigen will, dass er noch in der Lage ist den Titel zu holen. Vielleicht sogar mehr als einen. Mich beeindruckt, dass er schon sehr lange diesen Sport betreibt und noch immer so leidenschaftlich gerne in der MotoGP-WM fährt. Er hatte vor einigen Jahren die Möglichkeit in die Formel 1 zu gehen, aber er hat sich für den Motorradsport entschieden. Auch nach den zwei schwierigen Jahren bei Ducati ist er fit und motiviert. Ich denke nicht, dass sein Alter eine Rolle spielt, die Motivation ist der kritische Faktor. Natürlich kann das Alter ein Nachteil sein, wenn es die Reaktionszeit verlangsamt, denn die jungen Fahrer sind extrem schnell, aber Valentino kann noch immer viel leisten.»

Jorge wirkt wie ein sehr starker und zielstrebiger Fahrer. Er ist in den letzten Jahren viel reifer geworden. Muss er sich in der kommenden Saison weiter steigern?

«Jorge befindet sich im Moment auf dem Höhepunkt. Er ist eine Sieg-Maschine. In der letzten Saison war er unbeschreiblich. Er hat über die gesamte Saison hinweg alles perfekt gemacht, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Er war unglaublich beständig. Ich denke es ist sehr schwierig sich noch weiter zu steigern. Jeder Fahrer kann an etwas wie der Vorbereitung oder der Konzentration arbeiten und der Lernprozess ist nie abgeschlossen. Es ist wichtig die Motivation und den Speed zu erhalten. Derzeit ist er sicherlich der kompletteste Fahrer.»

Stellt diese Saison die größte Herausforderung der letzten zehn Jahre dar?

«Ich denke, dass die Saison sehr, sehr aufregend wird. Im letzten Jahr gab es mit Casey Stoner, Dani Pedrosa und Jorge Lorenzo drei Spitzenfahrer. Valentino war nicht konkurrenzfähig. In diesem Jahr werden in jedem Fall Valentino, Jorge und Dani an der Spitze stehen. Dani konnte in der zweiten Saisonhälfte eine beeindruckende Leistung zeigen und Marc Márquez wird hinzustoßen. Allein aus den beiden Werksteams von Honda und Yamaha werden vier Fahrer in jedem Rennen um das Podium kämpfen. Dann kommen natürlich noch andere hinzu: Cal Crutchlow war bei den Testfahrten sehr schnell und auch Stefan Bradl auf der Honda kann mitmischen. Meiner Meinung nach können diese sechs Fahrer in jedem Rennen um das Podium kämpfen. Um den Titel werden nur Jorge, Dani und Valentino kämpfen.»

Was denkst du über die bevorstehenden Veränderungen in der MotoGP-WM und wie sehr werden sie Yamaha betreffen?

«Es stehen hauptsächlich technische Veränderungen bevor. Ich sehe keine großen Probleme für Yamaha, sondern eher Möglichkeiten. Vielleicht gibt es die Möglichkeit mehr Yamaha in der Startaufstellung zu sehen. Wir müssen abwarten, aber unsere Ingenieure können sich sehr gut an die neuen Regeln anpassen.»

Wie reagiert der Sport auf die Rezession?

«Die wirtschaftliche Talfahrt ist sehr hart. Es betrifft weltweit jeden, in jedem Sport und in jedem Geschäftszweig. Wir reagieren darauf mit Sparmaßnahmen. Testfahrten werden reduziert und nun werden auch weniger Motoren verwendet. Es wird eine Herausforderung sein diesen Sport mit verantwortungsvoller Kostenreduktion in die Zukunft zu führen. Doch wir dürfen uns nicht auf die Kosten versteifen, sondern müssen versuchen den Sport populärer zu machen und eine größere Zuschauerzahl anzusprechen. Dafür ist noch viel Arbeit notwendig.»

Das Honda-Team gilt es in diesem Jahr zu schlagen. Wer ist gefährlicher, Marc Márquez oder Dani Pedrosa?

«Dani sollte 2013 der größere Gegner sein. Er war in der zweiten Saisonhälfte 2012 sehr stark und er hat sieben Rennen gewonnen. In den letzten Jahren war er nicht beständig, aber nun hat er sehr viel Erfahrung und ist konstanter. Er wird unser Hauptkonkurrent sein. Márquez wird ohne Zweifel um Siege kämpfen, doch er ist ein Rookie und muss noch viel lernen. Die MotoGP ist eine andere Klasse, die Herausforderungen und der Speed sind anders. Doch ich denke auch Márquez kann 2013 eine Gefahr sein. Im Rennsport weiß man nie, was passiert.»

Yamaha hat noch einen Hauptsponsor. In wieweit beeinflusst das die kommende Saison?

«Wir sind froh, dass das Yamaha-Werksteam der Yamaha Motor Company gehört. Wir fahren, um die Marke zu promoten und unsere Technik und Ingenieursfähigkeiten weiterzuentwickeln. Natürlich erfüllen die finanziellen Mittel einen Zweck, doch wir haben seit Fiat vor zwei Jahren den Sport verließ keinen Hauptsponsor mehr. Doch wir haben gute Sponsoren und die meisten Unterstützer aus der letzten Saison sind uns treu geblieben. Monster Energy ist in diesem Jahr hinzugestoßen. Ein Hauptsponsor ist immer willkommen, aber wir sind für diese Saison gut aufgestellt.»

Die Tech3-Piloten zeigten während der Vorsaison gute Leistungen. Wie sind ihre Chancen in diesem Jahr zu bewerten?

«Das Tech3-Team hatte 2012 eine großartige Saison mit Cal Crutchlow und Andrea Dovizioso. In diesem Jahr bestreitet Cal Crutchlow seine dritte Saison mit Yamaha in der MotoGP-WM und ich denke er wird einen guten Job machen. Das Bike ist schnell und wenn er seine Erfahrung nutzt, wird er unter den ersten Sechs sein. Bradley Smith feiert sein Debüt in der Königsklasse und er muss viel lernen, doch er hat uns bei seinen ersten Tests beeindruckt.»

Was denkst du über die Möglichkeit Motoren anderen Teams zu Verfügung zu stellen und wie bewertest du das Ende der Claiming-Rule?

«Wir beraten uns derzeit mit der MSMA und der Dorna über die Veränderungen für 2014. Unser gemeinsames Ziel ist ein großes und konkurrenzfähiges Starterfeld. Die CR-Teams waren im letzten Jahr sicherlich eine Hilfe für den Sport, ob sie wirklich verschwinden weiß ich nicht. Honda arbeitet an Kundenbikes und sie werden vielleicht eine Replika der RCV verkaufen. Wir denken darüber nach Motoren zu verleihen und nicht über das Bereitstellen kompletter Motorräder wie für Tech3. Honda und Yamaha können also dazu beitragen ein konkurrenzfähigeres Starterfeld zu schaffen.»

Was wünscht sich Yamaha für die Zukunft der MotoGP-WM?

«Wir hoffen auf Stabilität und Wachstum. Der Sport sollte sich an wachsenden Märkten wie Südostasien orientieren. Die MotoGP-WM ist dort sehr wichtig und wir haben im Moment nur das Rennen in Sepang dort. Die MotoGP-WM sollte wirklich zu einer gänzlich internationalen Meisterschaft werden. Ich würde auch gerne Rennen in Südamerika und auch wieder in Afrika bestreiten. Ich denke die wirtschaftliche Lage ist dort entspannter und es gibt ein großes Interesse an der MotoGP-WM. Die Teams, Dorna und FIM müssen zusammenarbeiten, um Wachstum zu erzeugen und die Meisterschaft zu promoten.»

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