LCR-Crew-Chief Bourguignon erklärt das Schlamassel

Von Günther Wiesinger
Der Poker von Stefan Bradl beim Sachsenring-GP ging gründlich schief. LCR-Honda-Crew-Chief Beefy Bourguignon erzählte, was am Startplatz schiefgelaufen ist.

Fünf Runden lang führte Stefan Bradl im MotoGP-Rennen auf dem Sachsenring, eine weniger als 2013, dann war es mit der Herrlichkeit vorbei. Marc Márquez und Dani Pedrosa verdrängten den deutschen LCR-Fahrer, der schliesslich auf Platz 16 zurückfiel.

Bradl war der Ansicht, wenn er als einziger Topfahrer vom Startplatz losfährt statt aus der Boxengasse, wäre er nach der ersten Runde über alle Berge. Aber das erwies sich als Irrtum.

Bradl fuhr übrigens mit einem Hinweis auf das Fussball-WM-Finale in Rio auf der Rückseite des Sturzhelms: «FIFA World Cup Final 2014. # aufgehts. # packmas» war darauf zu lesen.

SPEEDWEEK.com traf LCR-Honda-Crew-Chief Christophe «Beefy» Bourguignon kurz vor 19.30 Uhr in der inzwischen weitgehend entrümpelten Box; die Frachtkisten wurden bereits für den Indy-GP vom 10. August startklar gemacht.
Wir fragten den Belgier zum misslungenen Poker auf dem Startplatz. Denn Stefan Bradl brauste als einziger Werksfahrer vom Grid los, während die restlichen Asse aus der Boxengasse losfuhren.

Beefy, wie ist das vor dem Start genau abgelaufen? Was habt ihr vor den zwei Besichtigungsrunden vereinbart?

Wir haben uns auf dem Grid etwas Zeit genommen, um zu überlegen, was wir tun sollen. Wir haben dann entschieden, dass wir auf trockene Fahrbahn setzen, also mit einem Trocken-Bike starten und auf dem Startplatz umbauen. Ich wusste, das war mit etwas Risiko verbunden, aber wenn es nicht geklappt hätte, hätte Stefan auf das Ersatzbike umsteigen können, es stand bereit in der Box und war für trocken abgestimmt. Es bestand also kein Risiko.
Wir hatten aber dann ein kleines Problem, als wir das hintere Federbein auf dem Startplatz austauschten, es fiel eine Distanzscheibe zu Boden. Das hat uns eine Minute gekostet. Dadurch konnten wir die Gabelfedern nicht mehr wechseln; dazu hätten wir unter normalen Umständen 45 Sekunden gebraucht.
dadurch ist es uns nicht gelungen, Stefan mit einem «full dry set up» ins Rennen zu schicken; die Gabel war für Regen abgestimmt. Wenn wir den Umbau rechtzeitig geschafft hätten, hätten wir Stefan mit einem «winning bike» losfahren lassen. Das war zu diesem Zeitpunkt eine gute Idee.
Wir sprachen mit Stefan und sagten ihm, dass er im Rennen den zu weichen Vorderreifen und eine zu weich abgestimmte Gabel haben wird. Wir konnten uns von Anfang an ausmalen, dass er in Schwierigkeiten geraten würde, wenn es ganz trocken wird. Und leider war die Piste nach zwei Runden völlig trocken.
Stefan hat mir gleich nach dem Rennen erzählt, dass er noch einmal überlegt hat, nach der Aufwärmrunde noch einmal an die Box zu fahren und auf das Trocken-Bike umzusteigen und dann wie alle andern aus der Boxengasse zu starten. Aber er hatte nicht viel Zeit zum Überlegen – und ist auf den Grid gefahren.
Ehrlich gesagt, wenn die Piste ein bisschen länger feucht geblieben wäre, dann hätte Stefan kein Problem gehabt; dann wäre er auf und davon gefahren. Aber der Belag wurde blitzartig trocken. In diesem Augenblick war der weiche Vorderreifen und die weiche Gabel das falsche Mittel...
Als Stefan mit dem weichen Gabel-Set-up vom Grid losfuhr, hatte er keinen Fehler gemacht. Aber vielleicht hätte er dann mit dem Bike an die Box fahren und aus der Boxengasse starten sollen... Wir haben ihm nicht das richtige Bike hinstellen können. Und im Nachhinein ist man immer schlauer.

Lorenzos Teammanager Wilco Zeelenberg sagte mir, sie wollten das Gleiche wie Stefan machen, aber die Zeit zum Umbau erschien ihnen zu knapp. Man muss die Bremsen umbauen, die Räder wechseln, die Gabel umbauen und das Federbein wechseln. Wie viel Zeit hattet ihr dafür?

Ich schätze 5:50 Minuten. Ungefähr. Normalerweise machen wir das in 5:15. Uns war bewusst, es wird knapp. Wenn die Distanzscheibe nicht aus dem Chassis gefallen wäre, hätten wir die Gabel noch umbauen können. Das ist halt passiert... Wenn du in Eile bist und unter Druck... Dann geschieht so etwas.
In diesem Augenblick hatten wir uns für etwas anderes entschieden als die Gegner. Aber es war noch nichts verloren. Nur unsere Idee...

Stefan ist aber nicht mehr an die Box gefahren, weil er pokerte und meinte, er würde vom Grid weg in der ersten Runde 20 oder 30 Sekunden auf Márquez und Co. rausholen, die aus der Boxengasse losdonnerten. Aber nach einer Runde war Márquez nur noch 7,7 sec hinter ihm.

Ja, und dann hatte er noch diese grosse Schrecksekunde... Die hat zusätzlich eine oder zwei Sekunden gekostet. Wenn es noch einmal ein bisschen getröpfelt hätte, wäre alles ideal gewesen. Dann wäre der weiche Vorderreifen von Vorteil gewesen, die weiche Vorderraddämpfung auch.

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