Legende Phil Read: Strafpunkte oder Selbstjustiz?

Kolumne von Michael Scott
Früher wurde in der Motorrad-WM mit härteren Bandagen gekämpft. Dies war eher abseits der Strecke der Fall, berichtete Motorradsport-Legende Phil Read. Strafpunkte waren damals unnötig.

Vor 50 Jahren, genauer am Samstag des Misano-GP, gewann Phil Read den Italien-GP in Monza auf Yamaha. Sein Teamkollege Mike (später Michaela) Duff wurde, am 13. September 1964, Zweiter und schlug Jim Redman auf seiner Honda um drei Zehntel.

Das reichte im altmodischen Punktesystem dieser Zeit, das nur die besten sechs von elf Rennen wertete, um den ersten von sieben WM-Titeln von Phil Read zu sichern. Vier Punkte trennten Read und Redman. Zudem war es der erste von 37 Titeln für Hersteller Yamaha.

Unter heutigen Umständen hätte alles anders ausgesehen. Redman sammelte insgesamt 58 Punkte, Read nur 50. Doch das spielt keine große Rolle, denn die Teams und Fahrer konnten ihre Strategie auf das System zurechtschneiden. Read gewann fünf Rennen, Redman hingegen nur drei.

Auch auf Seiten der Hersteller war es ein klassisches Duell, eine klassische japanische Rivalität. Es war ein Meilenstein im Kampf zwischen Honda und Yamaha. Außerdem ist es eine Erinnerung daran, dass der Rennsport auch in der dunklen und fernen Vergangenheit nicht bedeutend anders war.

Der heute 75-jährige Read war beim Misano-GP 2014 als Gast von Yamaha geladen. Er nahm ein einer besonderen Präsentation zur Feier seines ersten WM-Titels teil. Dies war jedoch ein langer Weg, denn der Engländer machte seinem Spitznahmen «Rebel Read» alle Ehre und war für eine verdammt lange Zeit eine Persona non grata für Yamaha. Alles begann 1968 als er den 125-ccm-Titel einfuhr, der seinem Teamkollegen Bill Ivy schon nahezu sicher war. Danach kündigte er verärgert bei Yamaha und durchkreuzte somit ihre Pläne für die 500-ccm-Klasse. Read holte für MV Agusta ihre letzten beiden Titel in der Königsklasse: 1973 und 1974.

Márquez vs. Lorenzo: hart – aber fair

Doch dies soll keine Geschichtsstunde werden. Read hat eine klare Meinung zum modernen und klassischen Rennsport, vor allem in Bezug auf Yamahas derzeit größten Rivalen Marc Márquez.

Read ist derselben Meinung wie der zweifache MotoGP-Weltmeister Jorge Lorenzo, der schon oft Opfer von Márquez‘ Attacken auf der Strecke wurde. Der berühmteste Vorfall ereignete sich 2013 in Jerez, als sie in der letzten Kurve kollidierten und Lorenzo von der Strecke gedrängt wurde. Dies kostete ihn damals den zweiten Platz. Márquez wurde nicht bestraft, obwohl das Manöver umstritten war. Es war hart – aber fair.

Das sah Lorenzo jedoch anders, dessen Stolz so angekratzt war wie Verkleidung und Lenker seiner Yamaha. Er und viele andere waren verärgert, wozu es ein neues System von Strafpunkten gibt, wenn für dieses zu aggressive Manöver nicht einmal ein Strafpunkt vergeben wurde.

Die Rennleitung machte es später wieder gut, als sie Márquez zwei Punkte auferlegten, als er in Silverstone die gelben Flaggen ignorierte, und nochmal einen, als er in Aragón Teamkollege Dani Pedrosa rammte und ihn zu Sturz brachte. Vier Punkte hätten einen Start vom Ende des Feldes bedeutet.

Read bezog sich auf das Rennen in Silverstone, wo Márquez und Lorenzo Kopf an Kopf um den Sieg kämpften. Márquez gewann, nachdem er innen in eine Kurve slidete und Lorenzo dazu zwang, seine Maschine aufzurichten, um eine Kollision und den Sturz beider Fahrer zu vermeiden. Auch in den Kurven zuvor berührten sie sich mehrmals. Read sagte, dass Márquez zumindest eine Anhörung oder sogar einen Strafpunkt verdient hätte. Er kritisierte ihn für unfaire Fahrweise.

Strafpunkte oder Schlag ins Gesicht?

Fuhren die Piloten in den alten Zeiten nicht genauso? «Nein. Zunächst waren die Zeiten ohnehin gefährlicher. Viele Strecken führten über öffentliche Straßen und waren von Bäumen oder Steinwänden gesäumt. Die Schutzkleidung war im Vergleich zu heute noch sehr primitiv.»

Die Fahrer hatten damals ihre eigene Methode, um den harten Manövern Abhilfe zu schaffen. «Man suchte sich den Kerl nach dem Rennen und versetzte ihm einen Schlag ins Gesicht.» Hast du diese Methode jemals selbst angewandt? Ohne zu zögern antwortete Read: «Derek Minter.»

In der Vergangenheit hat die Renndirektion jeden Fall von gefährlicher Fahrweise einzeln betrachtet. Damit gab es eine große Bandbreite von Bestrafungen. Das Strafpunktesystem wurde eingeführt, um mehr Beständigkeit zu schaffen. Die Fahrer sehen es jedoch anders.

Moto3-WM-Leader Jack Miller hat derzeit zwei Strafpunkte auf dem seinem Konto, wie noch fünf weitere Fahrer. Er würde ohne Zweifel Phil Reads System bevorzugen, um seine Beschwerden über seine Rivalen auszudrücken.

«Erzfeinde auf der Strecke und abseits der Piste beste Freunde.» Das ist nicht nur ein Klischee, sondern in den meisten Fällen eine zum Himmel stinkende Lüge. Vielleicht sollten die Schöpfer der ganzen Regeln einfach die Fahrer entscheiden lassen.

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