MotoGP: Wer braucht schon die Fahrer?

Kolumne von Michael Scott
Sind Piloten auf Motorrädern nur noch eine altbackene Marotte aus dem letzten Jahrhundert? Wie viel sind Fahrer, Technik und individuelle Ingenieurleistung noch wert?

Kürzlich sah ich das erste Auto, das ich je gefahren habe. Ich stand an einer Kreuzung, die von starkem Verkehr verstopft wurde. Dann kam es langsam und fast lautlos auf der Gegenfahrbahn daher.

Doch… Oh nein: Ein Motorrad raste heran. Es war einer dieser «Sorry Mann, ich habe dich nicht gesehen»-Momente. Doch es war ein von selbst fahrendes Motorrad ohne Pilot. Jedes Fahrzeug in der Umgebung nahm sofort das notwendige Ausweichmanöver vor. Es entstand kein Schaden.

Zu diesem Zeitpunkt schlief ich, denn es war nur ein Traum. Doch er weckte in mir sofort einen Gedanken. Werden Auto- und Motorradfahrer in absehbarer Zeit nicht länger im Straßenverkehr notwendig sein? Und im Rennsport? Ist das nur eine altbackene Marotte aus dem letzten Jahrhundert?

Man stelle sich nur die Startaufstellung vor: 25 fahrerlose 1000-ccm-MotoGP-Bikes, die von einem Gyroskop ausbalanciert werden, warten auf das kabellose Startsignal um ihre «Rennprogramme» zu öffnen. Und los geht’s!

Wie gut sie starten, würde vom Grip auf diesem bestimmten Teil der Strecke abhängen und von ihren Ingenieuren, die den Algorithmus für Einheitselektronik und das Getriebe richtig bestimmt haben. Entscheidend wäre auch, wie viel Einsatz die ECU zeigt. Nein, warte. Auch in diesem Punkt wären sie alle gleich. Maschinen sind weder mutig noch feige.

Marc Márquez und der Selbsterhaltungstrieb

Doch im Kern haben die Maschinen zumindest einen Selbsterhaltungstrieb. Dieser setzt in der ersten Kurve ein. Da sie alle mehr oder weniger zur selben Zeit dort ankommen, kann man sich vorstellen, was passieren würde. Sie würden sich anständig auf der Ideallinie hintereinander einordnen. Ihre Position halten sie dann bis zum Ende des Rennens.

Fast wie in der MotoGP-Klasse denken manche vielleicht. Zumindest bis Márquez mit seiner eigenen Auslegung des Selbsterhaltungstriebs in die Königsklasse kam.

Doch es gibt noch mehr Möglichkeiten. Die Fahrer könnten weiterhin eingebunden werden, indem sie sich in einer Reihe auf Bänke setzen und ein Gruppenfoto machen. Sie beobachten die Monitore und nutzen ihre Smartphones, um Kommandos zu geben, die den Autopilot unterstützen. Je nachdem wer das größere technische Wissen hat, können manche die Smartphones der anderen Jungs hacken und sie in den Kies steuern.

Ohnehin würden wir ziemlich abenteuerliche Aktionen sehen, denn Stürze bringen kein Verletzungsrisiko mehr mit sich. Hierbei müsste jedoch ein Ausgleich geschaffen werden. Jedem Fahrer, dessen Maschine stürzt, wird eine virtuelle Verletzung verpasst, die von speziellen Regeln durch Dr. Costas medizinisches Team bestimmt wird. Natürlich würden sie sofort beginnen, die ‹Verletzung› zu versorgen. Das würde die Fahrer vorsichtiger machen.

Oder die Bikes haben Passagiere, die jedoch keine Kontrolle über die Funktionen der Maschine erhalten. Die Plätze könnten an abenteuerlustige Fans versteigert werden und der Erlös geht an Riders for Health. In Wahrheit bräuchte man jedoch weder Fahrer noch Passagiere – nur die Maschinen. Das würde zumindest den «Motor» zurück in den Mittelpunkt des Motorsports bringen.

Sind auch Zuschauer überflüssig?

Das wirft eine weitere Frage auf. Wenn man keine Fahrer braucht, braucht man dann Zuschauer? Das bringt uns zum Kern dieser Angelegenheit. Brauchen wir Motorradsport?

Die derzeit engagierten Werke haben diese Frage bereits beantwortet. Sie räumten ein, dass die Entwicklungen im Rennsport nur sehr wenig bis gar nichts mit der käuflichen Technik gemeinsam hat. Es gibt andere Gründe: kreative Ingenieure ausbilden, Werbung für die eigenen Produkte und (auch wenn sie das öffentlich nicht zugeben würden) zum Spaß.

Die Dorna hat sicherlich großes Interesse an einer positiven Antwort auf diese Frage. Ihr Anspruch steht dem der fahrerlosen Brigade gegenüber. Sie drängen den «Motor» an die Seite und stellen den «Sport» in den Mittelpunkt.

Die Vereinheitlichung der Elektronik hält clevere Ingenieure davon ab, sich einen Vorteil zu verschaffen. Doch auch die Standardisierung von allem möglichen kann standardisiert werden: vorgeschriebene Anzahl von Zylindern, Gängen, Art der Reifen, Anzahl der Motoren und so weiter. (Schade für Suzuki, dass die Haltbarkeit von Motoren nicht standardisiert werden kann. Dann hätten die Ingenieure ein Problem weniger.)

Wenn alles gleich ist, dann kann der Fahrer den Unterschied machen. Das hebt den Sport auf Kosten der Ingenieurleistung hervor.

Bis jetzt habe ich diesen Ansatz strikt abgelehnt. Ich glaube, dass die Technik ein wesentlicher Teil des Grand-Prix-Ideals ist, während sich die Eletronik die schnellste Entwicklung und den größten Fortschritt der Geschichte des Motorradsports bewirkte. Die Ingenieursleistung einzuschränken, wertet den Grand-Prix-Sport ab.

Man muss sich nur die Überregulierung der Moto2-Klasse ansehen, die nun ein Massenfriedhof für Talent und Inspiration ist – für Ingenieure und Fahrer gleichermaßen. Auch für die Rennabteilungen der Werke, die unter immer einschränkenderen Regeln arbeiten müssen. Diese Vorgehensweise wird immer haltloser.

Mein Traum brachte mich jedoch zum Nachdenken. Dieses Geschäft ist eine delikate Angelegenheit, doch wenn die Balance stimmt, dann haben wir es mit Maschinen unter der Kontrolle von echten Fahrern sicher besser.

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