Ducati-Vorteile: Warum willigten die Gegner da ein?

Von Günther Wiesinger
Ducati muss beim nächsten Rennen und bis zum Saisonschluss mit 22 Liter Sprit auskommen. Diese Einschränkung fällt nicht ins Gewicht. Warum haben Honda und Yamaha bei dieser Schnapsidee «Ja» gesagt?

Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti hatte ein paar Tränen in den Augen, als er am Sonntag von der Ducati-Box Richtung Podium spazierte und auf dem Weg dorthin die ersten TV-Interviews gab.

«Ja, ich werde auch nach all den Jahren noch emotional», gestand der Italiener.

Kaum jemand missgönnte Ducati die beiden Podestplätze von Andrea Dovizioso und Andrea Iannone, die Durststrecke der Roten war lang genug. Der letzte Sieg datiert vom Oktober 2010: Casey Stoner in Phillip Island/Australien.

Dass jetzt der Tankinhalt für den Texas-GP von 24 auf 22 Liter schrumpft, kostet die Ducati-Manager nur ein müdes Lächeln. Sie müssen nicht einmal einen neuen Tank bauen, sie fahren sowieso mit einem 22-Liter-Tank.

In der Saison 2013 sind die Werks-Ducati (damals ohne Open-Class-Vorteile) bei allen Rennen mit 21 Liter über die Runden gekommen.

Auch der mögliche Verlust der um eine Stufe weicheren Hinterreifen wird an der Schlagkraft der GP15 nicht viel ändern. Diese im Qualifying hilfreiche Mischung verliert Ducati bei drei GP-Siegen. Auch hier gelten die drei Siege saisonübergreifend 2014 und 2015, aber im Vorjahr hat gar keiner stattgefunden, ausserdem werden hier alle vier Factory-Fahrer in Betracht gezogen – also Dovizioso, Iannone, Petrucci und Hernandez. Und der Verlust der weichen Hinterreifen gilt dann auch für alle vier Fahrer, nicht nur für jenen oder jene, die die drei Siege errungen haben.

Natürlich sind die Open-Privilegien von Ducati wettbewerbsverzerrend. Die Dorna-Manager und etliche Mitglieder der Grand Prix Commission räumen inzwischen Fehler ein. «Wenn wir geahnt hätten, wie stark Ducati in der Saison 2014 wird, hätten wir die Open-Vorteile nur für ein Jahr festgeschrieben», war in Doha von verschiedenen Seiten zu hören.

Wenn sich jetzt Fahrer wie Rossi, Lorenzo und Crutchlow oder Pedrosa über die Open-Vorteile von Ducati beschweren, müssen sie ihre Klagen an die Adresse ihrer Rennmanager richten.

Wie gesagt: Der Verlust von zwei Litern Sprit wird Ducati bei den Rennen nicht im Geringsten beeinträchtigen. Der weichere Hinterreifen wird in den Rennen auch keine Rolle spielen.
Das räumt sogar Ducati-Konstrukteur Gigi Dall'Igna ohne Umschweife ein.

Was für ihn viel entscheidender ist: Bei Ducati ist im Gegensatz zu Honda und Yamaha die Motorenentwicklung nicht eingefroren. Ducati kann zwölf statt fünf Motoren verwenden, muss also pro Desmosedici-Motor nur eineinhalb GP-Distanzen abspulen, die Konkurrenz fast vier GP-Distanzen. Dazu unterliegt Ducati quasi keinen Testbeschränkungen. Und diese Privilegien bleiben jetzt für die komplette Saison 2015 bestehen.

«Ich kann bis heute nicht verstehen, dass d?ie Manager der japanischen ?Werke im Hersteller-Bündnis MSMA alle diese Vergünstigungen für Ducati vor einem Jahr gleich für zwei Jahre gebilligt und abgesegnet haben», wundert sich ein hochrangiger MotoGP-Funktionär nach dem Katar-GP.

Und wer glaubt, auch Honda und Yamaha hätten 2014 und 2015 unter das Open-Reglement schlüpfen können, der irrt: Es stand nur Teams offen, die 2013 kein MotoGP-WM-Rennen gewonnen haben.

Es kann nur eine Erklärung geben: Honda und Yamaha haben die Fähigkeiten von Ducati und Gigi Dall'Igna grob fahrlässig unterschätzt.

Die Idee, Ducati zwei Liter Sprit nach drei Podestplätzen oder einem Sieg im Trockenen vorzuenthalten, ist auf dem Mist der MSMA-Truppe gewachsen. Dazu der ganze Rest der Ausnahmen und Zugeständnisse.

SPEEDWEEK.com hat diesen Unsinn bereits im September und Oktober 2014 angeprangert.

Andrea Dovizioso und Andrea Iannone brausten 2014 bekanntlich je fünfmal aus der ersten Reihe los, Cal Crutchlow einmal, es gab einen dritten Platz von «Dovi» in Texas im Trockenen und einen von Cal Crutchlow im Nassen von Aragón und von «Dovi» im «wet race» in Assen. Dazu kam die Pole-Position von «Dovi» in Japan und der fünfte WM-Gesamtrang.

Man hätte sich also zumindest vor sechs Monaten ausmalen können, ?was pasiert, wenn die GP15 ein Volltreffer wird. Honda und Yamaha haben 2015 mit Ducati einen ebenbürtigen Gegner!

Yamaha-Star Rossi rechnete in Doha vor, die Werks-Yamaha seien 10 km/h langsamer als die Ducati GP15.

Die Top-Speed-Situation wird sich für Yamaha aber auf keinen Fall bessern, denn die Motoren der Werksteams von Yamaha und Honda (inklusive Tech3, LCR und Marc VDS) sind vor dem Katar-GP homologiert worden, eine Weiterentwicklung kann und darf nicht stattfinden. Bei Ducati hingegen schon.

Übrigens: Avintia-Ducati mit den wahren Open-Class-Fahrern Héctor Barbera und Mike di Meglio ist vom Verlust der zwei Liter Sprit nicht betroffen, nur die im Factory-Status gemeldeten Teams von Ducati Corse und Pramac Racing.

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