Valentino Rossi: Das ärgerliche Qualifying-Dilemma

Kolumne von Matthew Birt
Valentino Rossi: In den Rennen deutlich stärker als im Qualifying

Valentino Rossi: In den Rennen deutlich stärker als im Qualifying

Valentino Rossi hat seit 2013 nur eine Pole-Position erzielt und stand bei den letzten 43 MotoGP-Rennen nur sieben Mal in der ersten Reihe. Die Schwäche könnte ihn den Titel kosten.

«Wenn Valentino Rossi nur im Qualifying stärker wäre.» Tausendmal habe ich diesen Satz in dieser Saison schon gehört.

Es sieht so aus, als sei das Qualifying der grosse Schwachpunkt des Yamaha-Stars, der 2015 seinen zehnten WM-Titel gewinnen will.

Rossi war immer ein waschechter Rennfahrer, und daran wird sich nichts mehr ändern. Er wird sich nie mehr zu einem Quali-Spezialisten mausern, der für eine Chaosrunde das Messer zwischen die Zähne nimmt.

Er hat bisher 110 GP-Siege errungen, aber nur 60 Pole-Positions. Diese Statistik spricht eine deutliche Sprache.

Noch etwas: Rossis letzten drei Siege kamen zustande, als er vom achten Startplatz wegfuhr.

Aber seit es in der MotoGP-Weltmeisterschaft dieses 15-Minuten-Qualifying gibt, strauchelt der Italiener in den Zeittrainings. In diesem zeitmässig geschrumpften Format gelingt es ihm nicht, das Maximum aus seiner YZR-M1-Yamaha rauszuquetschen.

Die Quali-Ergebnisse gestalten sich zu einem ewigen Frust für Valentino und seine Fans.

Nehmen wir den letzten Grand Prix in Katalonien als Beispiel. Rossi war nach vier Runden vom achten auf den zweiten Platz vorgedrungen, aber Lorenzo lag bereits 1,4 Sekunden voraus. Obwohl der Italiener von diesem Zeitpunkt an dieselben Rundenzeiten wie Spitzenreiter Jorge Lorenzo fuhr, konnte Rossi den Rückstand nicht mehr überbrücken.

Und das ist ihm schon häufiger passiert. Rossis Qualifying-Dämonen sind ein zweischneidiges Schwert. Längst vergangen sind die Tage, als ein Fahrer 45 oder 50 Minuten Zeit hatte, um den richtigen Rhythmus zu finden, sich an die Streckenbedingungen zu gewöhnen und dann am Schluss mit einem Qualifying-Reifen auf Zeitenjagd zu gehen.

Jetzt fährst du aus der Box raus, hast nicht viel mehr als einen Suppenlöffel voll Sprit im Tank. Und dann musst du dein Hirn, deinen Körper und dein Motorrad blitzartig in eine Sphäre befördern, in der sie sich noch nie befunden haben. Und das alle nur für eine oder zwei Runden. Das kommt ziemlich nahe an Russisches Roulette heran – auf einem MotoGP-Motorrad.

Dazu kommt, dass die vier Factory-Bikes von Ducati und zwei von Suzuki weichere Hinterreifen haben, ein klarer Vorteil im Qualifying-Shoot-out. Ducati hat 2015 schon sieben Starts aus der ersten Reihe gemacht, Suzuki bisher drei. Darin eingeschlossen sind zwei Pole-Positions für Ducati und eine für Suzuki (bei sieben Rennen). Dem weichen Hinterreifen sei Dank.

Aber die Vorzüge des weichen Hinterreifens dürfen nicht als Ausrede dienen. Und um ehrlich zu sein: Rossi lässt diese Ausrede auch nicht gelten.

Denn Lorenzo hat Zugang zu denselben weichen Bridgestone-Reifen wie Rossi. Dasselbe gilt für Marc Márquez. Und die beiden Spanier haben deutlich besser Startplätze vorzuweise als die Nummer 46.

Seit das Q1- und Q2-Format 2013 eingeführt wurde, fand sich Rossi nur in sieben von 43 Rennen in der ersten Reihe wieder. Bei den anderen 36 Grand Prix schaffte er bei 17 Rennen nicht einmal den Sprung in die zweite Reihe!

Im selben Zeitraum hat Lorenzo sechs Pole-Positions erzielt und dazu 21 weitere Starts aus der ersten Reihe. Nur in drei Rennen verpasste er die ersten zwei Startreihen.

Und Weltmeister Marc Márquez hat die einmalige Gabe, sein ganzes Können und Entschlossenheit in eine einzige faszinierende Runde zu legen. Seine Quali-Performance ist unvergleichlich.

Der Repsol-Honda-Star hat bisher 43 MotoGP-Rennen absolviert, 25 mal brauste er vom ersten Startplatz los. Nur bei acht WM-Rennen verpasste er die erste Startreihe.

Der Schlüssel zu Lorenzos für ihn bisher einzigartigen Serie von vier Rennsiegen hintereinander ist seine Fähigkeit, in der ersten Runde auf Platz 1 zu stürmen und sich dann aus dem Staub zu machen.

Seit 103 Runden (genau gesagt: Zieldurchfahrten) hat Lorenzo nie mehr einen Gegner vor sich gesehen.

Rossi wird es nicht leichtfallen, dieses Qualifying-Dilemma zu lösen. Man darf nicht vergessen: Er hat diese Aufgabe bei den bisherigen 43 Versuchen nicht bewältigen können.

Manche Experten mutmassen, sein Alter habe zu einer mangelnden Risikobereitschaft geführt. Aber diese Theorie kaufe ich den Fachleuten nicht ab. Rossi ist 36 Jahre alt und schneller und besser als je zuvor. Und sein Rennspeed zeigt, dass er sich über das Risiko nicht mehr Gedanken macht als über den Erfolg.

Aber Rossi fällt es schwer, sein Hirn zu überzeugen, im Quali noch einmal eine um zwei oder drei Zehntelsekunde schnelle Rundenzeit zu ermöglichen, wenn er sich ohnedies bereits am Limit fühlt.

Aber der Superstar muss das dringend schaffen, bevor an diesem Manko seine Titeljagd scheitert. Denn sobald am Tag vor dem Rennen um 14.35 Uhr das Qualifying 2 beginnt, sind Lorenzo und Márquez von WM-Leader Rossi so weit entfernt wie der Nordpol vom Südpol.

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