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Casey Stoner: Wird er für Ducati auch Rennen fahren?

Kolumne von Günther Wiesinger
Ducati ist ein grosser Fang gelungen: Casey Stoner wird 2016 nach fünf Honda-Jahren zurückkehren. Nur als Testfahrer? Dem Australier stehen in Italien alle Türen offen.

Natürlich hoffen die eingefleischten Ducatisti jetzt sehnsüchtig, dass Casey Stoner 2016 nicht nur als Testfahrer bei Ducati auf die Desmosedici steigen, sondern dass er auch Rennen bestreiten wird.

Und am liebsten dann 2017 die komplette Weltmeisterschaft.

Vielleicht statt Andrea Dovizioso, der in acht MotoGP-Jahren nur einen Grand Prix gewonnen hat und 2015 von seinem jüngeren Teamkollegen Andrea Iannone entzaubert wurde.

Stoner hingegen ist eine lebende Ducati-Legende, wie sein Landsmann Troy Bayliss, der vierfache Superbike-Weltmeister.

Stoner hat im Oktober 2010 auf Phillip Island den bisher letzten MotoGP-Sieg für Ducati errungen, er soll als Edel-Testfahrer die letzten Mosaiksteine zusammenstellen, die Gigi Dall'Igna für die Entwicklung eines europäischen Sieger-Motorrads benötigt.

Der italienische Ducati-Renndirektor und Stoner kennen sich aus der gemeinsamen Aprilia-Zeit. Casey gewann 2003 auf Aprilia seinen ersten Grand Prix (125 ccm in Valencia), er war 2005 Vizeweltmeister in der 250-ccm-Klasse mit fünf GP-Siegen und insgesamt zehn Podestplätzen. Er verlor den Titelfight gegen Dani Pedrosa. Gigi Dall'Igna war damals als Chefkonstrukteur bei Aprilia tätig.

Casey Stoner wurde bei Honda drei Jahre lang bei seinem Testfahrer-Job von allen direkten Konfrontationen mit den Stammfahrern Marc Márquez und Dani Pedrosa ferngehalten.

MotoGP-Projektleiter Kokubu erklärte kürzlich, Stoner sei inzwischen 1,5 Sekunden langsamer als die Werksfahrer.

Das deckt sich aber keineswegs mit den Aussagen von HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto, der Casey Stoner noch im April 2015 zutraute, bei vorherigen Testfahrten in der MotoGP-WM unter die ersten drei zu fahren.

Es ging damals um die Frage, ob Stoner bei drei Rennen als Ersatz für Pedrosa in Texas, Argentinien und Jerez fahren sollte.

Honda lehnte dieses Ansinnen von Stoner ab, der sichtlich beleidigt war und mit viel Unverständnis reagierte. So begann der Bruch mit HRC.

Casey Stoner: Komplette Saison unvorstellbar?

Was darf Ducati 2016 von Casey Stoner erwarten?

Der zweifache MotoGP-Weltmeister hat inzwischen durchblicken lassen, dass er sich keine komplette GP-Saison mehr vorstellen kann.

Aber der 30-Jährige kommt von der MotoGP nicht los.

Stoner will Schritt für Schritt vorgehen. Er möchte vorerst 2016 nicht bei den offiziellen IRTA-Tests in Sepang, Phillip Island oder Katar gegen die Stammfahrer antreten, sondern in einer ersten Phase nur bei privaten Tests unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie er es bei Honda in Motegi und Sepang vorexerziert hat. In Malaysia sass er im Januar 2015 zuletzt ein paar Tage vor den offiziellen MotoGP-Tests auf der RC213V.

Die HRC-Manager steckten in der Klemme. Einerseits hatten sie längst erkannt, dass Marc Márquez nicht mit überragenden Testfahrer-Qualitäten gesegnet ist. Gleichzeitig ist Dani Pedrosa bei der Motorradentwicklung nicht sonderlich brauchbar, weil er viel leichter ist als alle anderen Fahrer. Was für ihn taugte, taugte noch lange nicht für Cal Crutchlow oder Scott Redding.

Aber Marc Márquez hat ein grosses Ego. Er will nicht eingestehen, dass er Stoners Hilfe braucht, um die Werks-Honda weiterzuentwickeln. «Ich muss sowieso alles selber prüfen und testen», sagte er nach dem letzten Test von Casey in Sepang im Winter 2015.

Und Honda-Rennchef Nakamoto war offenbar nicht mutig genug, Márquez zu brüskieren. Für ihn stellt Márquez die Zukunft dar, Stoner die Vergangenheit.

Bei Ducati ist es anders. Da muss auf persönliche Befindlichkeiten keine Rücksicht genommen werden, jede weltmeisterliche Hilfe ist willkommen.

Fünf sieglose Jahre – da sind rigorose Veränderungen nötig.
Ducati hat sich immer zwei Testfahrer geleistet, Franco Battaini wurde jetzt ausgemustert; Michele Pirro wird 2016 durch Stoner Verstärkung erhalten. Mit Pirro und Stoner verfügt Ducati 2016 über zwei Testfahrer, die so manchen Top-Team gut zu Gesicht stehen würden... (Zum Vergleich: Honda hat Testfahrer wie Takahashi, Aoyama und den beleibten Akiyoshi. Da ist sogar Aprilia mit dem neuen Testfahrer Mike di Meglio deutlich besser aufgestellt).

Dadurch wird jedoch das Ducati-Werksteam keineswegs destabilisiert. Dovizioso und Iannone stehen 2016 ohnedies unter Druck, denn ihre Verträge laufen aus. Besonders die Leistungen von Dovizioso werden auf dem Prüfstand stehen.

Mit bald 30 Jahren ist er noch immer kein Siegfahrer geworden. 2017 braucht Ducati ein starkes fahrerisches Kaliber. Rossi, Márquez, Lorenzo und Pedrosa werden kaum zu Ducati gehen. Ob Fahrer wie Maverick Vinales dann bei den Roten ein Thema werden, ist schwer zu beurteilen.

Irgendwann wird Ducati die Zeiten von Stoner mit jenen von Dovizioso, Iannone und Petrucci vergleichen.

Vielleicht wird er dann auf Ducati-Strecken wie Mugello oder Phillip Island mit Wildcards ausrücken.

Den Australien-GP hat der Australier bis zum Rücktritt 2012 sechsmal hintereinander gewonnen.

Casey Stoner ist ein Kämpfer, sein Ehrgeiz, sein Können, seine Entschlossenheit haben ihm zu zwei WM-Titel, 45 GP-Siegen und insgesamt 89 Podestplätzen verholfen.

Ducati wird ihm den roten Teppich ausrollen, wenn er sich für 2017 noch einmal zu einer kompletten MotoGP-Saison überreden lässt.

Aber bis dahin ist ein weiter Weg.

Bei seinem Rücktritt stellte Stoner fest, er habe die nötige Leidenschaft für den Rennsport verloren. Das viele Reisen hing ihm zum Hals heraus, die vielen Interviews und PR-Termine nervten ihn.

Sehr viel wird von der Schlagkraft der neuen Ducati GP16 abhängen. Wenn Stoner damit die Chance sieht, Rossi, Lorenzo, Márquez und Pedrosa in Bedrängnis zu bringen, werden wir Casey 2016 wohl bei dem einen oder anderen Rennen in Aktion sehen.

Keiner hat die widerspenstige Ducati in den letzten zehn Jahren so vorbildlich gezähmt, gebändigt und ausgequetscht wie Casey Stoner.

Die Nummer 27 eroberte 2010 beim Ducati-Abschied in Valencia im Rennen den zweiten Platz vor Rossi (Yamaha).

Zwei Tage später stieg der erfolgsverwöhnte Valentino Rossi beim Valencia-Test auf die Ducati GP10 – und landete an 17. Stelle.

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