Technik-Direktor: Die Nachteile der Einheits-ECU

Von Frank Aday
Corrado Cecchinelli, Director of Technology bei der Dorna, erläuterte nun, welche Beeinträchtigungen die Fahrer und Teams durch die Einheitselektronik für 2016 hinnehmen müssen.

2016 müssen sich alle MotoGP-Piloten großen Veränderungen stellen. Neben den neuen Michelin-Reifen stellt die Einheitselektronik von Magneti Marelli den bedeutendsten Unterschied dar. Im Interview mit den Kollegen von «crash.net» erklärte Technical Director Corrado Cecchinelli ausführlich, wie die Arbeit an der Einheitssoftware voranschreitet und worin die Vor- und Nachteile dieser Regelung bestehen.

Auf welchem Level befindet sich die Einheitssoftware mittlerweile?

Wir liefern immer neue Versionen der Software, die Hardware war bereits zuvor einheitlich und hat sich seit der letzten Saison nicht verändert. Es wurden bereits einige Versionen an die Hersteller weitergegeben, dieser Vorgang wird nie enden, denn wir werden nie an einen Punkt kommen, an dem die Entwicklung vorbei ist.

Wir werden immer versuchen, neue Dinge in die Software zu integrieren. Sie wird auf der Basis unserer Empfehlungen und des Inputs der Hersteller weiterentwickelt. Wir haben nun eine bestimmte Version, aber es wird nicht dieselbe sein, mit der wir die Saison starten. Es wird sicher eine neuere Version geben.

Was wird vor dem ersten Rennen noch an der Einheitssoftware verändert?

Derzeit werden die «failsafe functions», also die Notfallfunktionen, verbessert. Das bedeutet, dass an der Software in Hinsicht auf Fehlfunktionen gearbeitet wird. Diese Arbeit unterscheidet sich von jener, welche die Performance betrifft. Diese Phase wird wohl bis zum Saisonbeginn andauern. Die ‹Race 1›-Version, wenn man sie so nennen will, wird also hinsichtlich möglicher Fehlfunktionen verbessert sein, aber sie wird keine schnelleren Zeiten zulassen als die derzeitige Version.

Die derzeitige Software unterscheidet sich nicht bedeutend von der Open-Class-Software im letzten Jahr, doch sie ist in vielerlei Hinsicht besser, denn sie funktioniert mit mehr Maschinen, anderen Motor-Versionen, kann mit dem System der pneumatischen Ventilsteuerung und auch dem Auspuffventil der Ducati einfacher verwendet werden, zudem gibt es weniger Fehlfunktionen. Doch sie macht die Fahrer in der Theorie nicht schneller. Bisher haben wir nur wenig unternommen, um die Leistung zu verbessern.

Eines der Ziele der Einheitssoftware war es, allen Fahrern das gleiche elektronische Equipment zur Verfügung zu stellen. Doch die Werksteams werden immer die größten Ressourcen und bessere Chancen haben. Wie groß ist der Nachteil für kleinere Teams?

Wir müssen für den besten Kompromiss zwischen Leistung und Benutzerfreundlichkeit sorgen. Die Software ist ein bisschen komplizierter als jene der Open-Fahrer im letzten Jahr. Der Grund dafür ist, dass die Software nun mehr Potenzial hat. Wenn man allein die Notfallfunktionen betrachtet, hat man nun sehr viel Wissen über jedes Detail des Bikes, so kann man die Funktionen besser nutzen. Man muss wirklich verstehen: ‹Wenn das passiert, was muss ich dann tun?›

Für manche Belange wurden sogar zwei Notfallfunktionen eingeführt. Wir haben beispielsweise zwei Sensoren für Radgeschwindigkeit pro Rad. Die erste Notfallfunktion: Wenn der Hauptsensor versagt, springt der zweite Sensor ein. Die zweite: Wenn der zweite Sensor versagt, dann tritt eine weitere Funktion in Kraft. Um es besser zu machen, macht man es also auch komplizierter.

Wir nehmen eine Erschwerung der Arbeit in Kauf, da unsere Endkunden mehr und mehr die Werke sind und nicht kleine Teams. Da die Open-Klasse verschwunden ist, hat sich der gesamte ‹Markt› verändert. Jeder setzt eine Werksmaschine ein, die neu, ein oder zwei Jahre alt ist. Als Folge müssen wir akzeptieren, dass der Umgang mit der Elektronik nun etwas komplizierter ist.

Was konnten die ECUs der Werksteams leisten, was die Einheits-ECU nicht kann? Kann beispielsweise für jede einzelne Kurve eine eigene Abstimmung aufgespielt werden und lassen sich die Settings während des Rennens in Echtzeit anpassen?

Die einzige klare Antwort lautet: Ich weiß es nicht. Niemand weiß genau, was die Softwares der Hersteller genau konnten. Doch wir alle wissen, dass wahr ist, was du sagst. Das bedeutet, dass jede Hersteller-Software anpassungsfähige Strategien nutzte.

In der Einheitssoftware haben wir diese Funktionen nicht. Das verschlechtert die Performance sicher, doch im Moment ist nicht geplant, solche Funktionen nachzuahmen. Die zwei anpassungsfähigen Strategien, die wir einführen könnten, ist zunächst die Kontrolle des Kraftstoffverbrauchs, was im letzten Jahr ein Problem war, aber in diesem Jahr sollte es mit 22 Litern [also zwei Liter mehr als den Werksteams 2015 zur Verfügung standen] kein Problem mehr sein. Die zweite ist die Traktionskontrolle, wenn im Verlauf des Rennens der Grip nachlässt.

Im Moment haben wir eine sehr einfache Strategie, die Fahrer können zwischen unterschiedlichen Mappings auswählen. [Die Traktionskontrolle, Drehmomentbegrenzung und die Anti-Wheelie-Kontrolle können mit Knöpfen am Lenker verändert werden.]

Diese Strategie ist nicht anpassungsfähig. Die Software registriert nicht den Gripverlust, da der Reifen nun beispielsweise mehr Spinning hat als zuvor, und passt sich selbstständig an. Diese Funktion nutzten die Werksteams für den Reifenverschleiß und den Kraftstoffverbrauch, doch das haben wir nicht.

2016 können also nur jene elektronischen Einstellungen während der Rennen angepasst werden, die manuell vom Fahrer verändert werden?

Im Moment, ja.

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