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Ron Ringguth: Eiskalte Abrechnung mit Alex Hofmann

Von Günther Wiesinger
Das sah es noch nach trauter Dreisamkeit aus: Raudies, Ringguth und Hofmann bei der Eurosport-Präsentation im März 2015

Das sah es noch nach trauter Dreisamkeit aus: Raudies, Ringguth und Hofmann bei der Eurosport-Präsentation im März 2015

Die Unstimmigkeiten bei Eurosport begannen 2015 schon bei den ersten Rennen. Ron Ringguth, 2016 nicht mehr in der Kommentatoren-Crew, erzählt detailliert über den Zwist mit Alex Hofmann.

Vor einem Jahr sorgte das Kommentatoren-Team von Eurosport in der MotoGP-WM regelmässig durch Unstimmigkeiten für Gesprächsstoff.

Schon beim zweiten Grand Prix in Austin/Texas war das Klima zwischen Alex Hofmann und dem eingespielten Duo Ron Ringguth/Dirk Raudies spürbar vergiftet.

Boxenreporter und Presenter Hofmann setzte sich dort fürs MotoGP-Rennen in die Kabine, weil er bei Ringguth und Raudies mangelnde Fachkenntnis feststellte.

Ringguth pochte auf den 125-ccm-WM-Titelgewinn von Raudies 1993 und dessen 14 GP-Siege. Raudies und Ringguth hatten Hofmanns GP-Laufbahn bei Eurosport teilweise miterlebt und kritisch begleitet. Vielleicht liege hier die tiefere Ursache des Konflikts, vermutet das Eurosport-Duo.

Der Allgäuer Alex Hofmann erreichte in der 250er-WM zwischen 1999 und 2001 keinen Top-6-Platz und die Gesamtränge 16, 25 und 12; die MotoGP-WM hat er im Kawasaki-Werksteam zwischen 2003 und 2005 als 23., 15 und 17. abgeschlossen, in den Jahren 2006 und 2007 als 17. und 13. Insgesamt erreichte Hofmann drei Top-Ten-Ränge in der Königsklasse (1x Fünfter im Regen-GP von Le Mans 2007, dann jeweils einmal Achter 2005 und 2007). Bestes 250-ccm-Ergebnis: Rang 7 beim Sachsenring-GP 2001.

Ringguth und Raudies wiesen gerne genüsslich auf diese WM-Bilanz von Hofmann hin, wenn die Mikrofone ausgeschaltet waren.

Und sie wunderten sich über ein SPEEDWEEK.com-Interview des TV-Kollegen vom Januar 2015, in dem er erklärte, er würde heute als Testfahrer an guten Tagen nicht mehr als eine Sekunde auf Superbike-Weltmeister Sylvain Guintoli verlieren und in der MotoGP zwei Sekunden auf Marc Márquez.

Wie auch immer: Der Zwist eskalierte. Lenz Leberkern klinkte sich wegen der Kompetenzstreitigkeiten aus der GP-Truppe aus, die in Le Mans durch Hannes Orasche verstärkt wurde.

Die Kommentatoren rätselten im Paddock manchmal selbst, wer jetzt in der Kabine welche Klasse live übertragen sollte. «Das Team ist kollabiert», erzählte ein Beteiligter.

Mit Stefan Nebel wurde für Indy schliesslich ein weiterer «Experte» verpflichtet, der allerdings im GP-Sport nie zuhause war.

Im Herbst 2015 forderte Alex Hofmann die Absetzung von Ron Ringguth und Dirk Raudies, und als diese Personalentscheidung bei Eurosport bestätigt war, wechselte Hofmann zu ServusTV.

Jetzt stösst mit Ralf Waldmann ein neuer Experte für die Boxengasse zum Team, dem man nach 20 GP-Siegen die Fachkenntnis nicht absprechen kann.

Als neuer Presenter wird Jan Stecker auftreten, in der Kabine werden Harry Weber und Stefan Nebel die Moto3 kommentieren und Hannes Orasche und Stefan Nebel die Klassen Moto2 und MotoGP.

Ron Ringguth, der schon in der ersten Eurosport-Ära von 2003 bis Ende 2007 die Motorrad-GP kommentierte, übernimmt in dieser Saison neue Aufgaben.

Ringguth (50) arbeitet seit 2012 als Fernsehjournalist (MDR), seit 1996 bei Eurosport, also im 20. Jahr. Er hat von 2003 bis 2015 für Stefan Raab über 60 Shows (WOK-WM, Stockcar, Turmspringen usw.) vor Millionenpublikum kommentiert, u.a. die längste «Schlag den Raab»-Sendung (15. und 16. November 2014, 6 Stunden und 8 Minuten).

Der Sachse will über das turbulente Jahr 2015 ein Buch schreiben und nimmt im Interview mit SPEEDWEEK.com recht offen zum Zerwürfnis mit Alex Hofmann Stellung.

Ron, du bist in diesem Jahr nicht mehr MotoGP-Kommentator bei Eurosport. Wie kam es dazu?

Es ist ja ein offenes Geheimnis, wer einen ordentlichen Anteil daran hatte, dass Dirk Raudies und ich bereits im letzten Herbst aus dem MotoGP-Team genommen wurden. Allerdings sehe ich das nicht so tragisch. Erstens wollte ich sowieso mal wieder mehr in Sachen Produktion tun, wozu mir Eurosport jetzt die Möglichkeit gibt. Außerdem habe ich zwei schulpflichtige Kinder zu Hause. Immer wenn ihre Mama und ich arbeitsbedingt im Ausland waren, mussten mein Onkel und meine Tante bei mir zu Hause einziehen und den Laden schmeißen. Das war eher semi-optimal.

Du scheinst das eher locker zu sehen, spielst aber trotzdem auf den Konflikt mit Alex Hofmann an. Was war da eigentlich los?

Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Als sich Alex Hofmanns GP-Karriere dem Ende zuneigte, bot ich ihm meine Hilfe an, beim Fernsehen Fuß zu fassen. Ich sah in ihm den idealen Mann in der Boxengasse. Ich nahm Alex sogar einmal als Assistenten mit zu Stefan Raabs Stockcar-Rennen, damit er mal ein wenig Produktionsluft schnuppern konnte.
Als mich die Nachricht erreichte, dass Eurosport für 2015 wieder im MotoGP-Geschäft war, schlug ich Eurosport sofort vor, Alex Hofmann zu verpflichten. Ich habe dann auch den ersten Kontakt zu ihm hergestellt.

Das klingt doch nach perfekten Voraussetzungen für eine gemeinsame MotoGP-Saison.

Ja, das dachte ich auch. Dirk Raudies und ich hatten uns außerordentlich auf das Jahr 2015 gefreut. Ich hatte Alex vor dem Auftakt in Doha darum gebeten, uns besonders am Anfang helfend beiseite zu stehen. Einerseits was Kontakte in die Szene, aber auch was seine Erfahrung und sein Fachwissen betraf. Schließlich waren Dirk und ich sechs Jahre aus dem GP-Sport raus. Doch ab dem ersten Rennen in Doha war alles anders.

Wie meinst du das?

Nach den ersten Sendungen fragten wir Alex jeden Tag, ob wir uns zu einer kurzen Auswertung zusammensetzen könnten. Aber da hörten wir immer: «Sorry, wir sind jetzt beim Essen.» Und weg war er.
Da es offensichtlich nichts zu kritisieren gab, wähnten wir uns auf einem guten Weg.
Beim ersten Grand Prix 2015 erreichten wir ja aus dem Stand mit Eurosport und DMAX in Summe Quoten, die Sport1 in Katar nie hatte.
Trotzdem hat uns Alex Hofmann nach dem Wochenende hinter unserem Rücken derart bei unseren Vorgesetzten angeschwärzt, dass uns Hören und Sehen verging. Wie er uns später auch ins Gesicht sagte, sei es «eine Frechheit gewesen, wie schlecht wir vorbereitet waren». Ich hätte ihn gern mal nach 6-jähriger Abstinenz in einem MotoGP-Rennen gesehen.
Ob er an seine eigene Leistung den gleichen Maßstab angelegt hätte wie an unsere Kommentatoren-Leistung, ist natürlich rein spekulativ.

Du hast irgendwann vermutet, dass Alex Hofmann von vornherein Vorbehalte gegen euch hatte?

Dieser Gedanke wäre uns vor der Saison nie gekommen. Aber später hat sich diese Spekulation leider bestätigt. Zu mir hat er mal gesagt, ich könne eher «zugekokste B-Promis bei einer WOK-WM kommentieren» und gegenüber Dirk Raudies hegte er wohl immer den Vorbehalt, dass Dirks Erfolge schon zu lange her seien und er nie die «PS-Granaten» gefahren war.
Ich finde das schon etwas respektlos gegenüber einem Ex-Weltmeister und 14-fachen Grand-Grix-Sieger. Besonders wenn man selbst das GP-Podium nur vom Vorbeifahren kennt. Wenn Alex seine Meinung gegenüber alten Grand-Prix-Stars konserviert hat, dann wird es bei ServusTV sicher zu einer spannenden Zusammenarbeit mit dem fünffachen 125-ccm-GP-Sieger Gustl Auinger kommen.

Wird Alex Hofmann bei Eurosport zu ersetzen sein, zumal er ja so viele Sprachen spricht?

Um diese Mehrsprachigkeit habe ich ihn immer beneidet. Aber im MotoGP-Zirkus wird ohnehin meist eine Sprache gesprochen. Die Fahrer sind von der Dorna angehalten, für die Kommunikation mit den Journalisten Englisch zu reden, das weißt du ja selbst besser als ich. Das hast du ja auch daran gemerkt, dass viele MotoGP-Stars auf Englisch antworteten, selbst wenn sie in ihrer Landessprache angesprochen wurden.
Außerdem konnten die durchaus guten Interviews von Alex mit vielen MotoGP-Stars nie von unseren französischen oder holländischen Kollegen übernommen werden. Denn die können sie nur aus dem Englischen übersetzen. Ich würde also behaupten, dass viele der muttersprachlichen Interviews eher dem Streicheln des eigenen Egos dienten als der Informationsgewinnung.

Alex Hofmann hat zu seinem Abgang bei Eurosport erklärt, dass er «den Sport anders gesehen hat, als der ein oder andere Kollege». War diese Aussage auf Dirk und dich gemünzt?

Ich glaube, das ging explizit an meine Adresse. Ich hatte ja von Anfang an erklärt, dass ich Journalist bin und kein Hardcore-MotoGP-Fan. Getreu dem Motto des großen Hajo Friedrichs: «Ich mache mich mit keiner Sache gemein. Auch nicht mit einer guten.» Nur so kann man eine kritische Distanz bewahren.
Aber Alex hat diese Einstellung wohl eher als Affront gegen sich und seine Sportart verstanden.
Ich habe zum Beispiel vor der letzten Saison die Teampräsentation des Racing Team Germany moderiert, dafür aber nicht mal einen Cent Fahrtkosten verlangt, geschweige denn ein Honorar. Wie willst du ein Team, einen Hersteller oder eine Person kritisieren, wenn du auf seiner Honorarliste stehst oder standest. Das hat Alex mit seinen fünf Sponsorstickern auf dem Hemd und dem KTM-Vertrag sicher etwas anders gesehen.
Und dann habe ich auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass unserer Übertragung ein wenig Lockerheit gut getan hätte.
Wie SPEEDWEEK.com im letzten Jahr richtig feststellte, zieht das Stammpublikum ohnehin mit den TV-Rechten mit, egal auf welchem Sender wer kommentiert. Unser Ziel sollte es jedoch sein, auch Zuschauer außerhalb dieser Zielgruppe zu bedienen. Und da kannst du nicht den ganzen Tag über Seamless-Getriebe und Traktionskontrolle reden. Ich habe im letzten Jahr oft mit Wehmut an die Zeit zurückgedacht, als ich mit Dirk Raudies und Lenz Leberkern die MotoGP übertragen habe. Wir hatten so einen Spaß, keiner hat sich zu ernst genommen. Jeder hat jedem mal einen Spruch 'reingedrückt, aber wenn es auf der Strecke zur Sache ging, waren wir wieder zu 100 Prozent am Rennsport dran.

Ab Le Mans hat euch Eurosport dann mit Hannes Orasche einen dritten Kommentator geschickt.

Zum Glück. Nach den ersten Grand-Prix-Wochenenden sind Dirk und ich immer auf dem Zahnfleisch nach Hause gekrochen. Wir haben immerhin alles kommentiert, jedes Training, die Qualifyings, die Warm-Ups und alle Rennen. Unsere französischen Kollegen waren für den gleichen Job zu viert, BT Sports hatte sogar fünf Kommentatoren.
Dazu kam noch das Mobbing, das hat alles nur bedingt Spaß gemacht.
Nur ein Beispiel: In Argentinien, wo unser Team nur einen Leihwagen hatte, wurden Dirk und ich ohne eine Rückfrage oder eine Nachricht einfach im Fahrerlager «vergessen». Unter kollegialem Verhalten verstehe ich etwas anderes.
Im Sommer kam es dann auch zum Bruch mit unserem Kameramann, der sich darüber beschwerte, «dass Alex schon morgens schlechte Laune verbreite». Offensichtlich waren wir also nicht die einzigen, die Probleme mit Alex hatten.

Nachdem Hannes Orasche im Team war, hast du dich aber schon ein wenig unterfordert gefühlt, oder?

Das ist deine Variante, wo auch immer du die her hast. Du spielst sicher auf die Interviews an, die ich in meinen Pausen oder am Abend aus dem Dorna-Material zusammengeschnitten habe.
Der Hintergrund war aber leider ein anderer. Wir hatten recht schnell mitbekommen, dass im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung, Alex Hofmann eben nicht nur mit dem Finger schnippen musste, um alle GP-Stars ans Mikrofon zu bekommen. Eurosport musste jedes Gespräch in der Startaufstellung oder der Hospitality mit Rossi, Lorenzo und Co. ganz normal vorher anmelden.
Also haben unser Producer und ich beschlossen, dass ich die O-Töne der «Big Boys» aus den Pressekonferenzen zu kurzen Stücken zusammenschneide. So hatten wir die wichtigen Jungs an jedem Wochenende im O-Ton und ohne Helm auf dem Sender.

Der Schwarze Peter für Alex Hofmanns Abgang liegt aber trotzdem bei Eurosport, denn offensichtlich wurden Absprachen mit ihm nicht eingehalten.

Für diese Frage wäre natürlich Eurosport der bessere Ansprechpartner, denn ich weiß nicht, welche Absprachen getroffen wurden und welche nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es einerseits um die Aufnahmeleiterin ging, die Alex für 2015 von Sport1 unbedingt mitbringen wollte. Sie hat einen Superjob gemacht, war aber eher eine Art Luxuspersonalie für eine Produktion mit nur einer Kamera. Unsere Kollegin Vanessa Guerra, die in der letzten Saison als Boxen-Reporterin beim französischen Eurosport-Programm eingestiegen war, hatte auch nie eine Aufnahmeleiterin. Und das als völliger Neuling auf dieser Position. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie sich je über eine personelle Benachteiligung beschwerte, geschweige denn einen schlechteren Job abgeliefert hat als Alex.
Auf der anderen Seite hat es Alex auch immer gestört, «seine» Kamera zu einem Teil mit der holländischen Eurosport-Kollegin teilen zu müssen.
Wobei er ja die uneingeschränkte Priorität hatte. In der Eurosport-Zentrale in Paris lief aber auch immer das Live-Bild dieser Kamera auf. Vielleicht ist es dem Management aufgefallen, dass die Kamera gerade in den kleineren Klassen sehr oft auf dem Boden stand und eine Wand filmte. Und dann auf eine eigene (und sehr teure!) Kamera zu bestehen, ist schon ein bisschen vermessen.
Außerdem hätte sich Alex zu jeder Zeit auch ohne Kamera per Audio in die Sendung zuschalten können. Warum er das nach dem ersten Rennen kaum noch genutzt hat, kann ich leider nicht sagen. Erst Stefan Nebel hat als Ersatzmann diese Möglichkeit in Indianapolis wieder zum Leben erweckt.
Insofern kann ich das Nachtreten in Richtung Eurosport überhaupt nicht nachvollziehen.

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