Sachsenring-GP: Versteckte Subventionen, hohe Kosten

Von Günther Wiesinger
Obwohl der Sachsenring-GP ein Publikumserfolg ist, schleppt GP-Promoter SRM Verluste und Verbindlichkeiten mit. Die Situation in Sachsen ist verworren.

Als der ADAC in Absprache mit der Dorna 1998 die Themen Osterweiterung und Aufbau Ost ernst nahm und die Verfrachtung des deutschen Motorrad-WM-Laufs nach Sachsen in die Tat umsetzte, herrschte anfangs viel Unverständnis. Denn die neuen deutschen Bundesländer waren für den GP-Tross unerforschtes Terrain: Viele Fans aus dem Westen reisen noch heute häufig lieber nach Jerez, Assen, Mugello, Le Mans, Misano oder Brünn – und neuerdings nach Spielberg.

Nur 4500 Tickets gingen in den ersten Sachsenring-GP-Jahren im Vorverkauf in die alten Bundesländer.

Auch die Stars waren skeptisch. «Das ist eine Mickey-Mouse-Piste, sie taugt höchstens für Clubrennen», meinte der fünffache 500-ccm-GP-Weltmeister Mick Doohan beim Anblick der ersten Fotos und der Streckenskizze.

Tatsächlich hatte der Ring im ersten Jahr nicht einmal die erforderliche Mindestlänge von 3,5 km. Im ersten freien 500-ccm-Training 1998 wurde die 200-km/h-Top-Speed-Marke von den 500er-Bikes nicht geknackt.

Aber dafür entpuppte sich der Grand Prix in Sachsen als gigantischer Publikumserfolg.

Das war vorher im Westen ganz anders. Nach den Zuschauerpleiten in Hockenheim und auf dem Nürburgring zwischen 1992 und 1997 war die Zukunft deutschen Motorrad-GP in Frage gestellt. Nur 17.000 Zuschauer hatten sich 1997 in die Eifel locken lassen.

Nach der Saison 1991 hatten Bernie Ecclestone mit seiner Firma Two Wheel Promotions TWP) und die Dorna vom überforderten Motorradweltverband FIM die Macht übernommen, offiziell eigentlich nur die kommerziellen Rechte.

In Wirklichkeit haben die FIM-Funktionäre seither bei allen wichtigen Themen kein Mitspracherecht mehr.

Der Motorradweltverband FIM hatte sich angesichts einer drohenden Piratenserie der Teams und Werke mit Hilfe von Ecclestone und namhaften GP-Veranstaltern die Macht im GP-Sport für 6 Millionen US-Dollar (der Betrag seit seither von Jahr zu Jahr an und liegt jetzt bei mehr als 7 Mio) im Jahr abkaufen lassen.

Die westdeutschen Fans waren verärgert, weil für 1992 unter den neuen Machern die GP-Klassen von fünf auf drei reduziert und die Eintrittspreise verdoppelt wurden.

Die Kommunen als GP-Veranstalter

Die Idylle rund um den populären Sachsenring-GP wurde im September 2011 heftig getrübt, als GP-Promoter ADAC Sachsen den Krempel hinschmiss. Der langjährige Veranstalter (von 1998 bis 2011) fürchtete ein Defizit von 650.000 Euro, weil die Dorna die GP-Gebühr für 2012 und die Jahre danach von 1,5 auf 3 Millionen erhöht und damit auf das europaweit übliche Niveau angeglichen hatte.

Nach dem Ausstieg des ADAC Sachsen stürzte sich die eifrige Sachsenring Rennstrecken Management GmbH (SRM) ins GP-Abenteuer. Für eine sorgfältige wirtschaftliche Analyse blieb keine Zeit, sonst wäre der GP von Deutschland für 2012 womöglich aus dem Kalender geflogen. Die vom ADAC angeprangerten hohen Kosten blieben bestehen, inklusive der kostspieligen Errichtung der temporären Tribünen.

Inzwischen ist offenkundig, dass die SRM GmbH finanziell nicht auf Rosen gebettet ist und in Wahrheit sogar am wirtschaftlichen Abgrund balanciert, trotz kräftiger Subventionen.

Ein Dasein mit erheblichen Verbindlichkeiten (Ende 2013 lagen sie bei 1,2 Millionen Euro) sollten für die SRM GmbH eigentlich kein Dauerzustand sein, denn es handelt sich um eine Gesellschaft, deren Teilhaber die Gemeinden Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Berndorf, Lichtenstein und der Kreis Zwickau sind und die mit Steuergeld finanziert wurde.

Aber das sehen ein paar eingefleischte Sachsenring-Fans offenbar anders.

Hauptsache, der Grand Prix bleibt erhalten.

Der ADAC Sachsen deckte seine hohen Kosten für die Abwicklung des Grand Prix gegenüber SPEEDWEEK schon im Herbst 2011 auf. Von den damals gültigen Beträgen lassen sich annähernd die Kosten für die aktuellen WM-Läufe kalkulieren.

Das sind die geschätzten jährlichen SRM-GP-Kosten:
Dorna-Gebühr: € 3 Millionen
Ausländer-Steuer: ca. € 300.000.–
Stromkosten: ca. € 300.000.–
Videowände: ca. € 100.000.–
Errichtung der Tribünen: ca. € 500.000.–
Beschallung, Wasser, Abwasser, Container, Müll etc. € 250.000 bis 300.000.–
Logistikpartner und Kommunikation: ca. € 200.000.–
Instandsetzung der Strecke, Air-Fences, sportliche Ausrichtung € ca. 250.000.–
GEMA, Beschilderung, Security und Helfer: ca. €150.000.–

Diese fundierte Schätzung fördert Kosten von mindestens 5,1 Millionen Euro zutage. Offenbar entstehen noch erhebliche zusätzliche Kosten, vielleicht auch beim Tribünenbau, sonst müssten bei mehr als 211.000 Zuschauern (an drei Tagen) dank der Subventionen Gewinne erwirtschaftet werden.

Diesen Kosten stehen neben den unten erwähnten Zuschüsse durch die Sächsische Staatskanzlei (offiziell gilt das als Werbekampagne) geschätzte Ticketeinnahmen von brutto 6 Millionen inkl. Mwst. gegenüber. Das heisst: netto ca. 5 Millionen.

Jedenfalls spart die SRM an allen Ecken und Enden, um zumindest eine schwarze Null zu erwirtschaften. Offenbar fehlt auch ein ausreichendes Werbebudget, um zusätzliche Besucher anzulocken.
Aber die Politik weiss sich zu helfen: Die CDU-geführte Sächsische Staatskanzlei hat der SRM 2013 einen Betrag von € 700.480.– zukommen lassen, wie der Linke-Landtagsabgeordnete Falk Neubert herausfand. 2014 wurden € 647.360.– überwiesen, im Jahr 2015 wieder € 685.235.– Das ergibt einen Totalbetrag von 2,033.170 Millionen Euro.

Diese Beträge stammen aus der Werbekampagne «So geht sächsisch»; diese Werbepartnerschaft mit der SRM GmbH war vorher nicht an die grosse Glocke gehängt worden.

Sie diene als «Portokasse für kleine und grössere Gefälligkeiten, kritisierten die «Linke». Die Staatskanzlei erwiderte, der Grand Prix sei mit einem «sehr umfangreichen Werbepaket für eine der attraktivsten Sportveranstaltungen mit internationaler Strahlkraft in Sachsen» unterstützt worden.

Das Logo mit dem holprigen Slogan «So geht sächsisch» war tatsächlich beim WM-Lauf 2015 zu sehen. Auch der Start-Ziel-Turm wird jetzt mit dem Logo «Freistaat Sachsen» geschmückt.

Die versteckten Subventionen wurden zuletzt auch von der Tageszeitung «Freie Presse» angeprangert. Die Opposition im Landtag sprach von «wenig Leistung für viel Geld» und wittert hinter der Werbekampagne versteckte Subventionen, ohne die die SRM freilich finanziell kaum überleben könnte.

Da solche Zuschüsse auch bei GP-Schauplätzen wie Jerez, Brünn, Aragón, Valencia oder Phillip Island an der Tagesordnung sind, bleibt der Widerstand gering.

Denn die Region um den Ring profitiert bei jeder MotoGP-Veranstaltung von einer Umwegrentabilität (Umsätze durch die Teams und GP-Besucher) in der Höhe von 15 bis 20 Millionen Euro.

SRM: Geschäftsführer Streubel als Schönredner

Aber der deutsche Motorrad-WM-Lauf bleibt für die SRM trotzdem ein Fass ohne Boden.

Mit SRM, ADAC Sachsen, ADAC München, AMC Sachsenring, ADAC Sachsen und PRO Sachsenring (mit Jürgen Fritzsche) existieren zu viele Partner, die einander nicht grün sind und seit Jahren ein typisches Katz und Maus-Spiel betreiben.

SRM-Geschäftsführer Streubel redet die wirtschaftliche Situation der SRM GmbH schön. Der Bürgermeister von Gersdorf spricht gern von Gewinnen, Ertragssteigerungen und schwarzen Nullen. Die SRM-Bilanzen von 2012, 2013 und 2014 fördern weniger erfreuliche Zahlen zutage. Und jetzt will die Dorna die Lizenzgebühr schrittweise auf 4 Millionen Euro anheben.

Es wäre also höchste Zeit für Wolfgang Streubel, die Flucht nach vorn anzutreten und die unerfreulichen Fakten auf den Tisch zu legen, statt sich hinter dem Freistaat Sachsen und dessen Politikern samt ihrer motorsportlichen Ahnungslosigkeit zu verstecken!

Immerhin bestanden bei der SRM Ende 2014 Verbindlichkeiten von 800.000 Euro. Diese werden sich nicht in Luft aufgelöst haben.

Sachsens Ministerpräsident Stanislav Tillich ist ein beherzter Befürworter des WM-Laufs auf dem Sachsenring.

Aber er wird sich nicht ewig hinters Licht führen lassen. «Vielleicht wacht irgendwann mal jemand auf», hofft ein Betroffener.

Seit einem Jahr ringen die Verantwortlichen mit der Dorna um einen neuen GP-Vertrag. Der alte läuft mit dem Grand Prix 2016 aus. Dem spanischen Vertragspartner hängt die verworrene Situation in Sachsen zum Hals heraus.

Trotzdem wird demnächst mit der ADAC-Zentrale wieder ein langfristiger Vertrag unterzeichnet.

Aber irgendwann muss das Durchwursteln der Vergangenheit angehören.

Denn Politiker haben sich bisher selten als erfolgreiche Geschäftsleute erwiesen.

Falls die Einnahmequelle durch die sächsische Staatskanzlei und deren Werbekampagne eines Tages versiegt, muss die SRM vermutlich aus dem GP-Geschäft aussteigen – wie der ADAC Sachsen 2011.

Die SRM als GP-Promoter, das wurde 2011 als vorübergehende Notlösung betrachtet. Als Dauerzustand war das nie vorgesehen. Selbst von Wolfgang Streubel nicht, zumindest nicht bei roten Zahlen.

Warum schaut ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk diesem Treiben seit Jahren zu? Warum übernimmt nicht der ADAC das Kommando über die grösste Motorsportveranstaltung Deutschlands?

Weil er ein Automann ist und ihm der Motorrad-GP im Gegensatz zur Rallye Deutschland und den ADAC GT Masters offenbar nicht sonderlich am Herzen liegt.

Oder weil die bedauernswerten Ossis zu leidenschaftlich an ihrem Grand Prix hängen und sich vom ADAC widerstandslos ausbeuten lassen?

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